An Rosetten

[112] Ihr drückt mich zwar, ihr schwanenreinen Hände,

Ihr drückt mich zwar, doch leider nur aus Scherz;

Ihr fühlt den Puls, ihr merckt die schnellen Brände,

Ach führt sie doch Rosetten in das Herz!

Meldet ihr dabey

Den Ursprung solcher Qual

Und sagt, es sey

Nichts anders als ein Strahl.


Ein holder Strahl der feuerreichen Blicke

Steckt unverhoft den Siz der Freyheit an;

Da diese flieht, so bleibt kein Trost zurücke,

Als den mir noch die Liebe geben kan.

Aber ach, auch die

Giebt Finsternüß auf Licht

Und zeigt zu früh,

Wie leicht die Hofnung bricht.


Die Hofnung bricht; ach Kind, du köntest retten,

Du siehst und hörst viel Sehnsuchtszeichen gehn;

Ich wüntsche mir das Glücke deiner Ketten,

Es giebt es selbst mein Finger zu verstehn.

Ach, erbarm dich noch!

Und folgt auch kein Gehör,

Vergeß ich doch

Dein Wesen nimmermehr.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 112-113.
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