[Ihr Mägdgen, last euch doch nur rathen]

[218] [218] An ein Mägdgen von B(rieg)


Ihr Mägdgen, last euch doch nur rathen

Und lernet einmahl klüger seyn!

Ein Hund ist tumm und riecht den Brathen,

Ihr aber tappt so blind hinein.

Und wenn euch reiche Buhler schmeicheln,

So werdet ihr vor Wollust tumm

Und haltet einen Schwur von Heucheln

Gleich vor ein Evangelium.


Das mercke dir voraus, Charlotte,

Du, die du dich nach allen schmiegst

Und nach der Einfalt einer Motte

Mit Schaden um das Feuer fliegst,

Ich meine hier das wilde Feuer,

Das in den Schönheitsstoppeln brennt,

Die M – –, du schönes Ungeheuer,

Den klaren Kern der Geilheit nennt.


Wenn Stolz und Hochmuth Thaler wären,

So hättestu gewis viel Geld.

So aber bistu wie die Ähren,

In welche Brand und Mehlthau fällt:

Je höher sich ihr Gipfel zeiget,

Je weniger enthält er Frucht;

Wer sich vor deinem Baal neiget,

Der hat vor Trost nur Wind gesucht.


Das ist wohl wahr, dein frecher B(usen)

Ist in der That handgreiflich voll;

Du labst damit das Volck der Musen,

Allein die Lockung ist zu toll,

Denn was dein eingebildtes Lieben

Auf deiner Brust vor kostbar hält,

Das sind nur zwey verwelckte R – –,

In die ein grober Schincken fällt.
[219]

Pack ein mit deinen Sieben Sachen,

Sie sind ein allgemeines Gut

Und werden keinen lüstern machen,

Als wem die Kräze bange thut.

Denn diese Kranckheit zu curiren,

Gebraucht man oft ein Schwefellicht;

Das kan man aus den Augen spüren,

Daraus ein blauer Schimmer bricht.


Die Schönheit muß dir warlich mangeln,

Sonst dürfte dein durchwürcktes Kleid

Nicht erst mit Gold nach Herzen angeln,

Die deine Prahlerey beschreyt.

Dies schreibst und lügstu in die Fremde

An manchen dir bekandten M(ann),

Der doch wohl dein zerrißnes Hemde

Auch ohne Fernglas sehen kan.


Du übst die längst vergrifnen Finger

Des Abends, wenn die Flöthe klingt;

Bedencke, was ein Phoebusjünger

Dabey vor Prophezeiung singt.

Du wilst vielleicht den Hexen pfeifen?

Glück zu auf dieses Jubelfest!

Dieweil dein Ruhm bey solchem Greifen

Schon auf dem lezten Loche bläst.


Die Runzeln kommen angestiegen

Und ackern schon auf deiner Haut,

An der das flüchtige Vergnügen

Ein trauriges Exempel schaut;

Die Zobel gelten nach den Haaren,

Du aber läst dein R – – gehn,

Drum magstu bey verlegnen Wahren

Den Flederwisch verkaufen stehn.


Da magstu denn am Fenster sizen

Und nach dem treuen Deutschen sehn;[220]

Er wird dein Blut nicht mehr erhizen,

Wie etwan vor der Zeit geschehn.

Da magstu mit verliebten Büchern

Der Sehnsucht ein Genügen thun

Und endlich auf den kahlen Tüchern

Der Unruh in den Armen ruhn.


Vor diesem war dein freches Küßen

Verliebter Hasen Proviant,

Die manchen Zahn daran zerbißen

Und sonst ich weis nicht was verbrand;

Jezt sieht es alle Welt mit Rechte

Vor harten Pompernickel an,

Den blos das Musquetiergeschlechte

Im Finckel-Jochem riechen kan.


Du magst dich noch so höhnisch stellen

Und mit der alten Kupplerin

Durch manchen Brief die Unschuld fällen,

Der Schaden bringt doch den Gewinn;

Du magst es noch so lange treiben,

Das Fuhrwerck der gewüntschten Eh

Wird doch im Dr(ecke) stecken bleiben.

Dies wüntscht ein frommer Christ. Adieu!

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 4, Leipzig 1935, S. 218-221.
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