[Hemmt, ihr geilen Weltsyrenen]

[349] [349] Die bey der Schäl- und Kirchhoffischen Verbindung 1722. den 25. Aug. gesungene Cantata.


Aria.


Hemmt, ihr geilen Weltsyrenen,

Den gefährlichen Gesang;


Il fine.


Schweigt und flieht aus Zions Chören,

Denn die Keuschheit zu verehren,

Müßen andre Saythen thönen;

Schweigt und hört den süßen Klang.

Da Capo.


Recitat.


Weg mit den Wolluststimmen,

Weg mit den Kohlen wilder Glut,

Die dort in Paphos glimmen,

Dort, wo Betrug und Aberglauben

Den blinden Gözen Opfer thut.

Der Venus Volck und Tauben

Sind Raben aus der Höllennacht

Und Vögel, die zum Neze locken.

Der Brautgott Hymen sey verband.

Das, was man Gratien genand,

Sind blos Verführungsdocken;

Ihr durch und durch befleckter Schein

Entehrt die Bundeslade

Und kan kein Cherub seyn.

Fleuch, Amor! Nimm die Thorheit mit,

Denn Sulamith

Erzehlt aus reinem Triebe

Die Zärtligkeit der wahren Liebe.


[350] Aria.


Mein Bräutgam weidet unter Rosen,

Sein Schoos mein Schlaf, sein Haupt mein Dach.


Il fine.


Mein Schaz sein Herz,

Sein Mund mein Scherz.

Ihr Menschenkinder, seht uns küßen,

Und wollt ihr gleiche Lust genießen,

So liebet unsrer Unschuld nach;

Aus Cabul macht die Liebe Gosen.

Da Capo.


Recitat.


Ach ja, des Himmels Fügen

Schleust Bund und Eh.

Soll Haß und Weh

Nicht zwischen inne liegen,

So muß die Frömmigkeit,

So muß Gelaßenheit

Dem Feuer Zunder geben.

Ein durch der Jugend May

Mit Keuschheit wohlgeführtes Leben

Legt stets den grösten Schaz

Zum Heiratsgute bey.

O angenehmer Ruheplaz,

O Kleinod aller Güter,

Wo Leiber und Gemüther

Mit gleicher Treu und Schönheit prangen

Und wo der sanfte Kuß

So Sehnsucht als Verlangen

Bald löschen, bald entzünden muß.


Aria.


Da muß der Creuzdorn Rosen geben,

Da fällt kein Joch noch Kummer schwer.


Il fine.


Und wenn kein Himmel droben wär,

So wäre dies ein ewig Leben.

Da Capo.


[351] Recitat.


Tritt, frohes Paar,

Mit Freuden zum und vom Altar.

Wir sehn schon über dir

In Glauben und Gedancken

Den Himmel ofen stehn,

Der Herr ist hier

Und läst dich in den Wollustschrancken

Auf unschuldsvollen Lilgen gehn.


Aria.


Herr der Liebe wie der Tage,

Der du trennest und vermehlst

Und des Ehstands Lust und Plage

Im Verborgnen wiegst und zehlst,

Mische diese reinen Flammen

Durch des Geistes Kraft zusammen.


Gieb den zwey vertrauten Herzen

Eintracht und Zufriedenheit,

Leite sie bey Ruh und Scherzen

An das Ziel der Eitelkeit,

Bis sie dir in jenem Leben

Ihrer Liebe Pfänder geben.


Las auch ihrer Eltern Augen

Noch an Enckeln Freude schaun,

Ihr Gebethe müße taugen

Und den Kindern Häuser baun,

Die nach deinen Vorsichtsschlüßen

Jezt einander brünstig küßen.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 4, Leipzig 1935, S. 349-352.
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