Zweiter Aufzug.

[17] CHOR DER PORTUGIESEN.

Kein Sang und Klang auf dieser Welt

Soldatenherzen mehr gefällt,

Als mitten in des Kampfes Drang

Kanonenschuß, Trompetenklang.


Was ist's, das Kriegers Tod versüßt,

Wenn purpurroth sein Blut entfließt?

Ertönend durch des Kampfes Drang

Kanonenschuß, Trompetenklang.


Und sinkt der Held das Schwert zur Hand,

Preist selig ihn das Vaterland,

Und ihm ertönt als Grabgesang

Kanonenschuß, Trompetenklang.

Recitativ.


LOPES.

Soldatengruß tönt Dir entgegen!

TRISTAN.

Von meinem Herzen treu erwiedert.

Vernehmt mich Waffenbrüder!

Nach friedlichem Vertrage

An diesen Küsten wohnten Portugiesen.[17]

Sie sanken – vom Verrath getroffen – Alle!

Jetzt stehn wir hier in unsers Königs Namen,

Was ihm gehört, neu zu erringen,

Und herrlich weh'n die Fahnen unsers Glaubens,

Vereint denn mit der Kraft die Milde;

Denn auch im Krieg läßt sich der Frieden üben.

Mit Gott für unsern König!

CHOR.

Mit Gott für unsern König!

Recitativ.


LOPES.

Beginne denn zur Feier Deiner Ankunft

Der Waffen Spiel!

CHOR.

Herrlich ist es, ruhmbekränzet,

Männlich kämpfend untergehn,

Herrlicher, vom Sieg umglänzet,

Ueber seinem Feinde stehn.


Doch auch schön ist es zu nennen,

Wenn des Friedens Ruf ertönt,

Herzen freudig sich erkennen,

Und sich Feind und Feind versöhnt.


Edles hohes Loos der Krieger!

Wie auf Fahnen schwebt der Kranz

Nach den Schlachten ruht der Sieger

Herrlich in des Ruhmes Glanz![18]

Recitativ.


LOPES.

Mit Fülle Kriegerischer Ehren

Ward Deine Jugend schon beglückt,

Doch wohnet stiller Ernst auf Deiner Stirne,

Dein Auge kündet Deiner Seele Stimmung.

O könnte meine Freundschaft diese Wolken

Von Deinem Antlitz scheuchen!

TRISTAN.

Wir sind in einem Land', wo einst die Liebe

Mit holdem Gruße mir begegnete

Und jede Küste, Bäume, Blumen,

An ein verlornes Glück mich mahnen.

LOPES.

Ich weiß, als Du zum ersten Male

Gelanget an des Ganges Fluren,

Hat einer Jungfrau dieses Landes

Dein Herz sich zugewandt in feur'ger Liebe.

Sie theilte Deine Neigung,

Doch eines Tag's war sie verschwunden,

Entrissen Dir von fremder Macht.

TRISTAN.

Und meine Sehnsucht rief nach ihr vergebens.

LOPES.

Die Hoffnung geh' an Deiner Seite,

Wohl nicht umsonst hat Dich das Schicksal

Zum zweitenmal geführt an diese Küste.[19]

TRISTAN.

Wo sie jetzt weilet, deren Blicke

Den wilden Jüngling sanft zurückgeführet

Zum schönen Leben.

Arie.


TRISTAN.

Der Kriegeslust ergeben,

Zog ich mit wüstem Sinn

Durchs wildbewegte Leben,

Ein Abentheurer hin.


Sieh, da sank wie Mondesstrahlen

Sanft in meine Brust ihr Blick,

Führte mich zu Friedensthalen,

Zu dem stillen wahren Glück.


Sonst herrschten feur'ge Triebe

Blind in des Jünglings Brust,

Und schüchtern schwieg die Liebe

Bei Stürmen roher Lust.


Doch sobald ich sie gesehen,

Die den Engeln liebend glich,

Kam es wie des Friedens Wehen,

Wie ein Segen über mich.


Was Männer auch erstreben

An Ruhm und goldnem Schein,

Sie geistig zu erheben,

Gelingt der Lieb' allein.

[20] Recitativ.


LOPES.

Mein theurer Freund, ich theile Dein Gefühl

Doch sieh, aus ihrer Stadt hernieder

Steigt eine Schaar von Frauen.

TRISTAN.

Ich weiß es. Von Braminen

An mich gelangt ist eine Botschaft,

Daß, eine Landessitt' erfüllend,

Ein indianisch Weib zur Quelle ziehe,

Die unter jenen Bäumen fließet.

Sich dort mit heil'gem Naß benetzend

Will sie zu einer frommen Handlung

Sich vorbereiten.

Und gern erlaubend friedliche Gebräuche,

Hab' ich der Frauen Rückkehr zugesagt,

Bei meiner Ehre.

Laß uns denn still von dannen gehen.

Recitativ.


JESSONDA.

Laßt mich auf Augenblicke

Allein mit meiner Schwester.

An Deiner Hand will ich zum letzten Male

Die Fluren seh'n, die in des Abends Strahlen

Wehmüthig mir entgegen lächeln.[21]

AMAZILI.

O daß sie ernst verschmähet,

Was ihr der schöne Jüngling bot;

Errettung aus dem Flammentode.

JESSONDA.

Wie dort der Blumen Fülle blühet!

O Schwester!

Duett.


JESSONDA.

Laß für ihn, den ich geliebet,

Einen Selam still uns winden,

Der in glüh'nden Farben spricht:

Sie vergaß Dich nicht. –

Bringe Schwester, jene Rose,

Meiner Liebe still Symbol.

AMAZILI.

Ach! der Thau in ihrem Schvoße

Deutet er auf Thränen wohl? –

JESSONDA.

Wie ein Lächeln unter Thränen

Uns der Liebe Glück erscheint!

Liebeslust und schmerzlich Sehnen

Sich wie Dorn und Rosen eint.[22]

AMAZILI.

Sieh' wie aus der Blätter Hülle

Lebensblumen freundlich glüh'n:

Wähle aus der reichen Fülle,

Wähle doch der Hoffnung Grün.

JESSONDA.

Diese Blume will ich wählen,

Denn sie spricht vom Wiederseh'n.

In dem schönen Reich der Seelen,

In des Himmels lichten Höh'n.

BEIDE.

In dem zarten Blumenspiele

Liegt ein tiefer, heil'ger Sinn,

Ob ich fröhlich, traurig bin.

Meinem wechselnden Gefühle

Holder Blumen sanftes Licht

Still entspricht.

AMAZILI.

Bin ich fern von meinen Lieben,

Send' ich zarte Blüthen hin,

Künde so in treuen Sinn

Daß ich ihnen hold geblieben,

Treu und hold bei sanftem Scherz,

Wie im Schmerz.

JESSONDA.

Mutter, Schwester, wer mich liebet,

Drückt die Blumen an die Brust,[23]

Und in der Erinnrung Lust,

Die kein Hauch der Erde trübet,

Meinen Freunden glänzt mein Bild

Still und mild.

BEIDE.

In dem zarten Blumenspiele

Liegt ein tiefer, heil'ger Sinn etc.

Recitativ.


NADORI.

Still lag auf meiner Seele

Die Nacht mit dunklen Schwingen,

Da plötzlich öffnen sich des Lichtes Thore

Und glanzvoll steigen mir Genuß und Hoffnung

Und tausend goldne Bilder nieder,

Und wie sie blühend mich umfangen;

Mit Schaudern seh' ich, wie Braminen

Der Menschheit Stimme kühn verhöhnen. –

Nicht in den Flammen soll die Unschuld sterben,

Ich will sie retten, ich!

O süßer Lohn, wenn dann Jessonda's Schwester

Die That mit sanftem Blick mir danket,

Und mit Amazili, entfernt von diesen Küsten,

Ein neues Leben mir beginnet.

Doch wie vollend' ich's? Alle rühmen

Den Edelmuth des Portugiesen – Führers,

An ihn will ich mich wenden.[24]

Arie.


Daß mich Glück mit Rosen kröne,

Neige sanft, o Frauenschöne,

Neige lächelnd dich zu mir.

Kühn im seligen Gelingen

Eine Welt will ich bezwingen,

Bietest du des Kranzes Zier.

Geist'ge Knechtschaft abgeschworen,

Und ein gutes Schwert erkohren!

Erde, sieh, ich bin dein Sohn;

Laß mich nicht dem Feind erliegen,

Und nach Kämpfen und nach Siegen

Blühe mir der Liebe Lohn.

Recitativ.


Was seh' ich, unter Blumen wandelt,

Die mir mein schlummernd Aug' erschlossen.

O stiller Zug, der mich hinüber führet

Zu ihr, zu ihr!

AMAZILI.

Es schlägt für unsre Leiden

Ein fühlend Herz allein in seinem Busen.

NADORI.

Ob mich Verrath und Tod umlauern.

An dieser holden Blüthe

Kann ich nicht kalt und stumm vorübergehen.

AMAZILI.

Es spricht mit unbekanntem Zauber

Sein dunkles Aug' zu mir.

[25] Duett.


NADORI.

Schönes Mädchen, wirst mich hassen,

Ich bereitete Dir Schmerz.

AMAZILI.

Als mich alle kalt verlassen,

Zeigtest Du ein fühlend Herz.

NADORI.

Soll mich nicht die Unschuld rühren,

Von der Schönheit Reiz umwallt?

AMAZILI.

Schatten sanfter Trauer zieren

Seine freundliche Gestalt.

NADORI.

Mögen dumpf die Donner hallen,

Strahlt mir nur Dein sanfter Blick.

AMAZILI.

Holder Jüngling, Dir vor Allen

Gönn' ich Frieden, gönn' ich Glück.

BEIDE.

In des Unglücks trüben Stunden

Enger schließt sich Herz an Herz,

Freundschaft heilt des Lebens Wunden,

Lieb' verkläret selbst den Schmerz.[26]

NADORI.

Alles könnt' ich für Dich wagen.

Sprächest Du: Ich dank' es Dir!

AMAZILI.

Mehr noch wird mein Herz Dir sagen,

Rettest Du die Schwester mir.

NADORI.

Hin zu Portugiesenschaaren

Führet mich der Liebe Muth.

AMAZILI.

Meide, Theurer, die Gefahren,

Fürchte der Braminen Wuth.

NADORI.

Liebe läßt mich alles hoffen,

Siegen werd ich nur durch sie.

BEIDE.

Nach des Unglücks trüben Tagen

Laß uns dahin, dahin flieh'n,

Wo die Herzen sanfter schlagen,

Wo die Blumen schöner blüh'n.

Recitativ.


AMAZILI.

O neu Gefühl, was mich beseelet,

Bist du der Liebe goldnes Glück?

Ihr Götter schützt den Jüngling vor Gefahren!

O tragt ihm meine Wünsche zu, ihr Lüfte!

[27] Arie.


O Welt, so schön und blühend,

Vernimm, er liebet mich.

O Leben, neu erglühend,

Wie lieb' ich jetzt auch dich.


Mir einmal aufgegangen,

Sein Bild mich nie verläßt;

O kühle meine Wangen

Du sanfter holder West.


Ich stand, das Auge trübe,

Am öden Lebensstrand,

Doch nun geht süße Liebe

Mit Hoffnung Hand in Hand.

Finale.


CHOR DER BAJADEREN.

Aus der Wellen heil'gem Schooß

Schweigend stieg sie, makellos;

All' ihr Hoffen, all' ihr Glück

Ließ sie in der Fluth zurück.

JESSONDA.

Von der Erd' und ihren Freuden

Ganz geschieden bin ich jetzt.

Recitativ.


TRISTAN.

Wir soll jenen Tod erleiden?[28]

NADORI.

Sie dort.

TRISTAN.

Sie?

JESSONDA.

Ha!

TRISTAN.

Welcher Klang,

Wie er mir zum Herzen drang!

Sprich, wie heißt –

NADORI.

Jessonda.

TRISTAN.

Wie?

NADORI.

Jessonda heißet sie.

TRISTAN.

Wonne fasset mich und Grauen.

Weilet, weilet, laßt mich schauen.

BAJADEREN.

Fremdling, Fremdling, weich zurück,

Denn sie ist des Feuers Braut,

Werbend um des Himmels Glück

Sie zum Himmel ahnend schaut.

TRISTAN.

Reißet, Schleier, fallet nieder!

Heil'ger Gott! Dich seh' ich wieder,

Dich, Jessonda, Dich! –

Doch die schöne Wang' erblich.

[29] BAJADEREN.

Bleib verschlossen Frauenblick!

Fremdling, Fremdling, weich zurück.

NADORI.

Welche Ahnung! welcher Blick!

In der Liebe Schmerz und Glück.

AMAZILI.

Ja er ist's, sein treuer Blick

Giebt das Leben ihr zurück!

TRISTAN.

Licht der Augen, glänze wieder!

Schlage fröhlich, treue Brust!

Liebe schauet auf dich nieder,

Ihres Glückes froh bewußt.

JESSONDA.

Es ist kein Traum,

Ich hab' ihn wieder,

Und fass' es kaum –

In Deinen Armen,

An Deiner Brust,

Zum Leben erwarmen,

O selige Lust.

TRISTAN.

In meinen Armen,

An meiner Brust

Zum Leben erwarmen –

O selige Lust.[30]

BAJADEREN.

Weh euch Beiden!

Zwischen Euch und Eure Freuden

Mit ehernem Schritt

Das Schicksal tritt.

Recitativ.


DANDAU.

Was muß ich sehn! – Die Gottgeweihte

An des Fremdlings Seite! –

Ihre Schande zu verhüllen,

Rabenschwarze Nacht

Stürz' herab!

Fort, Dein Schicksal zu erfüllen,

Fort ins Grab!

JESSONDA.

Sterben soll ich? – Ich will leben,

Ihm in Lust und Lieb' ergeben –

Leben will ich, ich muß leben?

TRISTAN.

Ja, sie soll es! Wie mein Arm

Sie umschlungen hält,

Gegen eine Welt

Schütz' ich sie!

DANDAU UND CHOR.

Solchen Frevel sah ich nie!

AMAZILI UND NADORI.

Brama! Brama! rette sie![31]

DANDAU.

Reißet sie aus seinen Armen!

AMAZILI.

Habt Erbarmen!

JESSONDA.

Weh' mir Armen!

TRISTAN.

Ihr zu nahen, wage nicht,

Wer da liebt des Lebens Licht.

DANDAU UND CHOR.

Sonne birg dein Angesicht,

Leuchte diesem Frevel nicht.

JESSONDA. AMAZILI. NADORI.

Ach der Liebe schönes Licht

Bergen Schatten schwarz und dicht!

INDISCHE UND PORTUGIESISCHE KRIEGER.

Herr, gebietest Du?

Sieh zum Todesstoß

Unsere Schwerter bloß!

DANDAU.

Es ist Waffenruh!

Es ist Waffenruh!

Bändiget die Lust nach Mord.[32]

Mann, Du gabst Dein Ehrenwort,

Daß die Frau'n zur heil'gen Ouelle

Still in Frieden sollten ziehn.

Willst den Schwur Du treulos brechen,

Werden es die Götter rächen.

CHOR DER INDIANER.

Willst den Schwur Du treulos brechen,

Werden es die Götter rächen.

TRISTAN.

Weh! ich hab' mein Wort gegeben.

JESSONDA.

Leben will ich, ich muß leben.

TRISTAN UND JESSONDA.

Wilde, ungeheure Schmerzen

Wühlen mir im tiefsten Herzen.

NADORI UND AMAZILI.

Wilde, ungeheure Schmerzen

Wühlen tief in ihrem Herzen.

DANDAU UND INDIANER.

Von des Sonnentempels Höhen

Stolze Siegesfahnen wehen.

CHOR DER PORTUGIESEN.

Werden wir uns wieder sehen,

Soll die Stadt in Flammen stehen.[33]

DANDAU.

Führt sie fort!

JESSONDA.

O laßt mich hier!

AMAZILI. NADORI. TRISTAN.

O laßt sie hier!

DANDAU.

Sie gehört dem Tod, nicht Dir.

CHOR DER INDIANER.

Sie gehört dem Tod, nicht Dir!

Ob des Feindes Flüche schallen,

Dieses Opfer, uns verfallen,

Tragen siegesfroh wir fort.

TRISTAN. PORTUGIESEN.

Wenn des Kampfes Fahnen wehen,

Werden Rächer auferstehen,

Blutig strafen diesen Mord.[34]

Quelle:
Louis Spohr: Jessonda. [Dresden] [o. J.], S. 17-35.
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