Wann, o wann?

[214] 1858.


Wann doch, wann erscheint der Meister,

Der, o Deutschland, dich erbaut,

Wie die Sehnsucht edler Geister

Ahnungsvoll dich längst geschaut:


Eins nach außen, schwertgewaltig

Um ein hoch Panier geschart!

Innen reich und vielgestaltig,

Jeder Stamm nach seiner Art!


Seht ihr, wie der Regenbogen

Dort in sieben Farben quillt?

Dennoch hoch und fest gezogen

Wölbt er sich, der Eintracht Bild.


Auf der Harfe laut und leise

Sind gespannt der Saiten viel;

Jede tönt nach ihrer Weise,

Dennoch gibt's ein klares Spiel.


O, wann rauschen so verschlungen

Eure Farben, Süd und Nord!

Harfenspiel der deutschen Zungen,

Wann erklingst du im Akkord!


Laß mich's einmal noch vernehmen,

Laß mich's einmal, Herr, noch sehn!

Und dann will ich's ohne Grämen

Unsern Vätern melden gehn.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 214-215.
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