Kriegslied

[243] Juli 1870.


Empor, mein Volk! Das Schwert zur Hand!

Und brich hervor in Haufen!

Vom heil'gen Zorn ums Vaterland

Mit Feuer laß dich taufen!

Der Erbfeind beut dir Schmach und Spott,

Das Maß ist voll, zur Schlacht mit Gott!

Vorwärts!


Dein Haus in Frieden auszubaun,

Stand all dein Sinn und Wollen,

Da bricht den Hader er vom Zaun

Von Gift und Neid geschwollen.

Komm' über ihn und seine Brut

Das frevelhaft vergoßne Blut!

Vorwärts!


Wir träumen nicht von raschem Sieg,

Von leichten Ruhmeszügen,[243]

Ein Weltgericht ist dieser Krieg,

Und stark der Geist der Lügen.

Doch der einst unsrer Väter Burg,

Getrost, er führt auch uns hindurch!

Vorwärts!


Schon läßt er klar bei Tag und Nacht

Uns seine Zeichen schauen,

Die Flammen hat er angefacht

In allen deutschen Gauen.

Von Stamm zu Stamme lodert's fort:

Kein Mainstrom mehr, kein Süd und Nord!

Vorwärts!


Voran denn, kühner Preußenaar,

Voran durch Schlacht und Grausen!

Wie Sturmwind schwellt dein Flügelpaar

Vom Himmel her ein Brausen,

Das ist des alten Blüchers Geist,

Der dir die rechte Straße weist.

Vorwärts!


Flieg, Adler, flieg! Wir stürmen nach,

Ein einig Volk in Waffen.

Wir stürmen nach, ob tausendfach

Des Todes Pforten klaffen.

Und fallen wir: Flieg, Adler, flieg!

Aus unsrem Blute wächst der Sieg.

Vorwärts!

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 243-244.
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