In Krankheit

[287] Ich hab in guten Stunden

Des Lebens Glück empfunden;

Und Freuden ohne Zahl:

So will ich denn gelassen

Mich auch in Leiden fassen;

Welch Leben hat nicht seine Qual?


Ja, Herr, ich bin ein Sünder,

Und stets strafst du gelinder,

Als es der Mensch verdient.

Will ich, beschwert mit Schulden,[287]

Kein zeitlich Weh erdulden,

Was doch zu meinem Besten dient?


Dir will ich mich ergeben,

Nicht meine Ruh, mein Leben,

Mehr lieben, als den Herrn.

Dir, Gott, will ich vertrauen,

Und nicht auf Menschen bauen;

Du hilfst, und du errettest gern.


Laß du mich Gnade finden,

Mich alle meine Sünden

Erkennen und bereun.

Itzt hat mein Geist noch Kräfte;

Sein Heil laß mein Geschäfte,

Dein Wort mir Trost und Leben sein.


Wenn ich in Christo sterbe:

Bin ich des Himmels Erbe.

Was schreckt mich Grab und Tod?

Auch auf des Todes Pfade

Vertrau ich deiner Gnade;

Du, Herr, bist bei mir in der Not.


Ich will dem Kummer wehren,

Gott durch Geduld verehren,

Im Glauben zu ihm flehn.

Ich will den Tod bedenken.

Der Herr wird alles lenken;

Und was mir gut ist, wird geschehn.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 287-288.
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