CXXIV

[141] Die treue magd auf die ihr eifrig wachtet

Und die nun unterm schlichten rasen nachtet –

Mir dünkt dass wir ihr ein paar blumen schulden ·

Die armen toten haben viel zu dulden.

Und wenn oktober der die bäume schüttelt

An ihren gräbersteinen traurig rüttelt

So müssen sie uns oben herzlos finden

Die wir uns weich in unsre decken winden.[142]


Sie aber sind verzehrt von grausen schaudern ·

Sind ohne bettgenoss und ohne plaudern

Und ihr gebein woran die würmer klopfen

Verspürt der winterlichen wasser tropfen

Und nimmer wechseln freunde und gevattern

Die fetzen die um ihren kerker flattern.


Und säh ich sie beim singenden gezische

Des feuers plötzlich still vor meinem tische

Und unter eisigen dezemberschauern

In einem winkel meines zimmers kauern

Und ihrem grab entstiegen freundlich nicken

Dem grossgewordnen kind mit mutterblicken ·

Was würd ich zu der frommen seele sprechen

Der aus dem hohlen auge tränen brechen?

Quelle:
George, Stefan: Baudelaire. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 13/14, Berlin 1930, S. 141-143.
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