DER TAG DES HIRTEN

[13] Die herden trabten aus den winterlagern.

Ihr junger hüter zog nach langer frist

Die ebne wieder die der fluss erleuchtet ·

Die froh-erwachten äcker grüssten frisch ·

Ihm riefen singende gelände zu ·

Er aber lächelte für sich und ging

Voll neuer ahnung auf den frühlingswegen.

Er übersprang mit seinem stab die furt

Und hielt am andern ufer wo das gold

Von leiser flut aus dem geröll gespült

Ihn freute und die bunten vielgestalten

Und zarten muscheln deuteten ihm glück.

Er hörte nicht mehr seiner lämmer blöken[14]

Und wanderte zum wald zur kühlen schlucht ·

Da stürzen steile bäche zwischen felsen

Auf denen moose tropfen und entblösst

Der buchen schwarze wurzeln sich verästen.

Im schweigen und erschauern dichter wipfel

Entschlief er während hoch die sonne stand

Und in den wassern schnellten silberschuppen.

Er klomm erwacht zu berges haupt und kam

Zur feier bei des lichtes weiterzug ·

Er krönte betend sich mit heilgem laub

Und in die lind bewegten lauen schatten

Schon dunkler wolken drang sein lautes lied.

Quelle:
Stefan George: Die Bücher der Hirten- und Preisgedichte, der Sagen und Sänge und der hängenden Gärten. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 3, Berlin 1930, S. 13-15.
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