ZWEITES BILD

[13] Manuel und Leila an der quelle. Die türe der hütte öffnet sich · Timon ein greis tritt hervor.


TIMON

Leila!


LEILA

Vater!

(zu Manuel) Der vater · schnell

Manuel sie flüchtig küssend ab.


TIMON

Wo bleibst du Leila?


LEILA

(mit dem krug entgegengehend)

Du weisst ich bin so gerne an der quelle.


TIMON

(sie forschend ansehend)

Mir schiens als ob ich tritte hörte.[14]


LEILA

Da drüben gingen männer.


TIMON

Ich weiss nicht was seit kurzem mit dir vorgeht

Du bist nicht mehr so wie du früher warst

Oft hast du ein so sonderbares aussehn

Oft treffe ich dich wie im traum versunken

Und wenn ich dich bei deinem namen rufe

So siehst du mich so seltsam lächelnd an.


LEILA

Ich weiss nicht was du meinst · mein vater.


TIMON

(etwas hart)

Sag liebst du deinen alten vater noch?


LEILA

(zitternd)

O Gott · was fragst du!

Wo hab ich dich beleidigt und gekränkt[15]

Dass du bezweifelst ob ich dich noch liebe?


TIMON

Und liebst du ihn noch so

Wie du als kind getan wenn du beim feuer

Auf seine alten märchen hast gelauscht ·

Als du entgegen gingst ihm wenn vom feld

Er nach der schweren arbeit matt zurückkam ·

Als du mit einem frischen blumenstrauss

Ihn froh beschenktest und so herzlich küsstest –


LEILA

Glaube deiner tochter.

Ich liebe heute dich nicht weniger

Als ich vor jahren kindlich es getan ·

Ja noch weit mehr. O wüsstest du wie schwer

Du mich betrübst –


TIMON

So hab ich mich geirrt.

Ich glaube dir · du bist mein gutes kind.

Nimm deinen krug und geh hinauf ins haus.

Ich komme bald.

Leila geht.[16]


TIMON

(allein)

Ich habe mich geirrt.

Wie sollte sie auch einen menschen kennen!

Und kommen selten leute hier vorbei

So läuft sie schnell hinauf ins haus.

Sie hört allmählich auf ein kind zu sein

Da kommen manche sonderbare wechsel.

Wär es am ende doch nicht besser wenn –

Nein · nein! ich lasse sie nicht aus den händen.

Weshalb soll ich mein einzig kind verschenken?

Und dazu ein so teures süsses kind.

Quelle:
George, Stefan: Schlussband, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 18, Berlin 1934, S. 13-17.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Auerbach, Berthold

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 5-8

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 5-8

Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.

554 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon