XCV

[101] Wie süss und lieblich machst du gar die schmach

Die wie der wurm in einer duftigen rose

Die schönheit deines blühenden namens stach!

Wie süss umhüllest du das sittenlose!


Wer deinen taglauf und · unzüchtigerweis

Auslegend · deinen zeitvertreib bespricht:

Kann tadeln nur mit einer art von preis ..

Dein name segnet widrigen bericht.


Für solche laster – o welch ein versteck

Die dich sich ausgesucht zu ihrem haus!

Der schönheit schleier schwebt auf jedem fleck

Und schön fällt jeglich ding fürs auge aus.


Dich mahne · teures herz · solch ein triumph:

Die schärfste schneide schlecht gebraucht wird stumpf.[101]


Quelle:
George, Stefan: Shakespeare. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 12, Berlin 1931, S. 101-102.
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