Ach treuer Gott, barmherzigs Herz

[222] Nach Johann Arnds »Paradiesgärtlein« III, 27


1.

Ach treuer Gott, barmherzigs Herz,

Des Güte sich nicht endet,

Ich weiß, daß mir dies Kreuz und Schmerz

Dein Vaterhand zusendet.

Ja, Herr, ich weiß, daß diese Last

Du mir aus Lieb erteilet hast

Und gar aus keinem Hasse.


2.

Denn das ist allzeit dein Gebrauch:

Wer Kind ist, muß was leiden;

Und wen du liebst, den stäupst du auch,

Schickst Trauern vor den Freuden,

Führst uns zur Höllen, tust uns weh

Und führst uns wieder in die Höh,

Und so geht eins ums ander.


3.

Du führst ja wohl recht wunderlich

Die, so dein Herz ergötzen:

Was leben soll, muß erstlich sich

Ins Todes Höhle setzen;[222]

Was steigen soll zur Ehr empor,

Liegt auf der Erd und muß sich vor

Im Kot und Staube wälzen.


4.

Das hat, Herr, dein geliebter Sohn

Selbst wohl erfahrn auf Erden;

Denn eh er kam zum Ehrenthron,

Mußt er gekreuzigt werden.

Er ging durch Trübsal, Angst und Not,

Ja durch den herben bittern Tod

Drang er zur Himmelsfreude.


5.

Hat nun dein Sohn, der fromm und recht,

So willig sich ergeben,

Was will ich armer Sündenknecht

Dir viel zuwider streben?

Er ist der Spiegel der Geduld,

Und wer sich sehnt nach seiner Huld,

Der muß ihm endlich werden.


6.

Ach, liebster Vater, wie so schwer

Ists der Vernunft, zu glauben,

Daß du demselben, den du sehr

Schlägst, solltest günstig bleiben!

Wie macht doch Kreuz so lange Zeit!

Wie schwerlich will sich Lieb und Leid

Zusammen lassen reimen!


7.

Was ich nicht kann, das gib du mir,

O höchstes Gut der Frommen!

Gib, daß mir nicht des Glaubens Zier

Durch Trübsal werd entnommen!

Erhalte mich, o starker Hort!

Befestge mich in deinem Wort,

Behüte mich vor Murren!
[223]

8.

Bin ich ja schwach, laß deine Treu

Mir an die Seite treten,

Hilf, daß ich unverdrossen sei

Zum Rufen, Seufzen, Beten!

So lang ein Herze hofft und gläubt

Und im Gebet beständig bleibt,

So lang ists unbezwungen.


9.

Greif mich auch nicht zu heftig an,

Damit ich nicht vergehe!

Du weißt wohl, was ich tragen kann,

Wies um mein Leben stehe;

Ich bin ja weder Stahl noch Stein:

Wie balde geht ein Wind herein,

So fall ich hin und sterbe.


10.

Ach Jesu, der du worden bist

Mein Heil mit deinem Blute,

Du weißt gar wohl, was Kreuze ist

Und wie dem sei zu Mute,

Den Kreuz und großes Unglück plagt;

Drum wirst du, was mein Herze klagt,

Gar gern zu Herzen fassen.


11.

Ich weiß, du wirst in deinem Sinn

Mit mir Mitleiden haben

Und mich, wie ichs jetzt dürftig bin,

Mit Gnad und Hilfe laben.

Ach stärke meine schwache Hand,

Ach heil und bring in bessern Stand

Das Straucheln meiner Füße!


12.

Sprich meiner Seel ein Herze zu

Und tröste mich aufs beste,

Denn du bist ja der Müden Ruh,

Der Schwachen Turm und Feste,[224]

Ein Schatten für der Sonnen Hitz,

Ein Hütte, da ich sicher sitz

In Sturm und Ungewitter.


13.

Und weil ich ja nach deinem Rat

Hie soll ein wenig leiden,

So laß mich auch in deiner Gnad

Als wie ein Schäflein weiden,

Daß ich im Glauben die Geduld

Und durch Geduld die edle Huld

Nach schwerer Prob erhalte.


14.

O heilger Geist, du Freudenöl,

Das Gott vom Himmel schicket,

Erfreue mich, gib meiner Seel

Was Mark und Bein erquicket!

Du bist der Geist der Herrlichkeit,

Weißt, was für Freud und Seligkeit

Mein in dem Himmel warte.


15.

Ach laß mich schauen, wie so schön

Und lieblich sei das Leben,

Das denen, die durch Trübsal gehn,

Du dermaleinst wirst geben.

Ein Leben, gegen welches hier

Die ganze Welt mit ihrer Zier

Durchaus nicht zu vergleichen.


16.

Daselbst wirst du in ewger Lust

Aufs süß'ste mit mir handeln:

Mein Kreuz, das dir und mir bewußt,

In Freud und Ehre wandeln;

Da wird mein Weinen lauter Wein,

Mein Ächzen lauter Jauchzen sein!

Das glaub ich. Hilf mir! Amen.

Quelle:
Paul Gerhardt: Dichtungen und Schriften, München 1957, S. 222-225.
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