Die Grablegung Christi
Als Gottes Lamm und Leue entschlafen

[56] 1.

Als Gottes Lamm und Leue

Entschlafen und verschieden,

Erwacht in Lieb und Treue

Ein Paar recht frommer Jüden.[56]

Die machten sich zum Kreuz hinzu,

Dich, o du unser ewge Ruh,

Zu deiner Ruh zu bringen.


2.

Also weiß Gott die Seinen

Am Kreuz in Acht zu nehmen

Und, die es böse meinen,

Zu rechter Zeit zu zähmen.

Das Wüten nimmt zuletzt ein End,

Und wenn die Unschuld gnug geschändt,

So findt sich, der sie ehre.


3.

Dann einer aus dem Rate,

Joseph, der fromme Reiche,

Der wagt es, ging und bate

Pilatum um die Leiche.

Pilatus war bereit und gab

Befehl, daß man sie nähm herab

Und Joseph übergäbe.


4.

Gesegnet sei dein Wille,

Joseph, und dein Begehren,

Gott wolle dir die Fülle

Der Freuden dort gewähren,

Daß du, den meine Seele liebt,

Vom Kreuze, da man ihn betrübt,

So freudig losgebeten.


5.

Hierzu hat sich auch funden

Des Nicodemi Treue,

Der bringt bei hundert Pfunden

Der besten Spezereie,

Die Myrrhen samt der Aloe

Zu salben den, der aus der Höh

Uns salbt mit seinem Geiste.
[57]

6.

Da siehst du, wie die Schwachen

Zuletzt gestärket werden.

Gott kann zu Helden machen,

Was blöd ist hie auf Erden.

Der Glaube, der im Finstern lag,

Bricht endlich an den hellen Tag

Und leuchtet wie die Sonne.


7.

Nun, diese beiden Frommen

Ergreifen mit viel Weinen

Den, der vom Kreuz genommen,

Und wickeln ihn in Leinen,

Verwahren ihn zugleich dabei

Mit edler teurer Spezerei,

Wie in Judäa bräuchlich.


8.

So soll man Christum ehren,

Wann er nun liegt darnieder.

Wir sollen balsamieren

Ihn und sein arme Glieder,

Die Unbekleid'ten wickeln ein

Und die, so ganz verlassen sein,

Mit unsrer Hilf annehmen.


9.

Es war nicht weit von hinnen,

Wo Christus starb, zu schauen

Ein Garten und darinnen

Des Josephs Grab, gehauen

Gar neu in einem Felsenstein,

Da legten ihren Schatz hinein

Die zwei geliebten Herzen.


10.

Ach Jesu, dessen Schmerzen

Mir all mein Heil erworben,

Komm, ruh in meinem Herzen,[58]

Das in der Sünd erstorben!

Laß dirs gefallen, ich will dir

Dein Grab bereiten in mir hier,

So leb und sterb ich selig.

Quelle:
Paul Gerhardt: Dichtungen und Schriften, München 1957, S. 56-59.
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