Johannes sahe durch Gesicht ein edles Licht

[381] (Off. Joh. 7, 9 ff.)


1.

Johannes sahe durch Gesicht

Ein edles Licht

Und liebliches Gemälde:

Er sah ein Haufen Völker stehn,

Sehr hell und schön,

Im güldnen Himmelsfelde.

Ihr Herz und Mut

Schwebt in dem Gut,

Das hier kein Mann

Bezahlen kann

Mit allem Gut und Gelde.
[381]

2.

Sie trugen Palmen in der Hand;

Ihr Ort und Stand

War vor des Lammes Throne,

Ihr Mund war voller Lob und Preis,

Die Kleider weiß,

Ihr Lied, im höhren Tone,

Klang süß und sang

Des Höchsten Dank,

Und dieser Stimm

Half üm und üm

Der Engel heilge Krone.


3.

Wer, sprach Johannes, sind doch die,

Die ich allhie

In weißem Schmuck seh halten?

Es sind, antwortet aus der Schar,

Die um ihn war,

Der eine von den Alten:

Es sind, mein Sohn,

Die sich den Hohn

Und Spott der Welt

Von Gottes Zelt

Nicht lassen abehalten.


4.

Es sind die, so vor dieser Zeit

In großem Leid

Auf Erden sich befunden,

Die bei des Herren Jesu Ehr

Und seiner Lehr

All Angst und Trübsalswunden,

Zwar ohne Schuld,

Doch mit Geduld,

Durch Gott gekühlt,

Recht wohl gefühlt

Und fröhlich überwunden.
[382]

5.

Dieselben haben all ihr Kleid,

Als treue Leut,

Im Glaubensbad erkläret;

Sie haben sich der Höllen List,

So viel der ist,

Mit starkem Mut erwehret

Und nicht geacht

Der Erden Pracht,

Des Lammes Blut

Zu ihrem Gut

Erwählet und begehret.


6.

Darum so stehen sie auch nun

Und all ihr Tun

Wo Gottes Tempel stehet;

Der Tempel, da man Tag und Nacht

Dem Höchsten wacht

Und seinen Ruhm erhöhet;

Da leben sie

Ohn alle Müh,

Ohn alle Qual

Im Freudensaal,

Der nimmermehr vergehet.


7.

Daselbst sitzt Gott in seinem Haus

Und breitet aus

Die Hütte seiner Güte

Und deckt mit sanfter Wollust zu

In stiller Ruh

Manch trauriges Gemüte.

Was Freude gibt,

Dem Herzen liebt,

Die Augen füllt,

Das Sehnen stillt,

Steht da in voller Blüte.
[383]

8.

Da ist kein Durst, kein Hungersnot,

Das Himmelsbrot

Läßt keinen Mangel leiden,

Da scheint die Sonne keinem mehr

Zu heiß und sehr,

Ihr Glanz bringt lauter Freuden.

Die Himmelssonn

Und Herzenswonn

Ist unser Hirt,

Der große Wirt

Und Herr der ewgen Weiden.


9.

Das Lamm wird weiden seine Herd,

Als sies begehrt,

Auf Auen, die schön prangen;

Es wird sie leiten zu dem Quell,

Der frisch und hell,

Das Heil draus zu erlangen;

Und wird gewiß

Nicht ruhen, bis

Er uns erfrischt

Und abgewischt

Die Tränen unsrer Wangen.[384]

Quelle:
Paul Gerhardt: Dichtungen und Schriften, München 1957, S. 381-385.
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