Abschied von Chloris

[37] Ihr Schönen zittert gar zu leicht,

Wenn Amor euch bekriegt;

Denn, eh euch noch sein Pfeil erreicht,

Hat er euch schon besiegt.


Die mich nicht haßt, eh sie mich liebt,

Die mir nicht widersteht,

Die sich, wie Leipzig, leicht ergiebt,

Die wird von mir verschmäht.


Ich fragte Chloris: willst du mich?

Da sprach sie gleich: Ich will!

Schnell regten meine Lippen sich,

Und ihre hielten still.
[37]

Ich küßte sie ein hundert mal,

Da sagte sie: Halt ein!

Dir muß noch eine größre Zahl

Von mir gegeben seyn.


Sie fing mit hundert Küssen an,

Und hundert folgten drauf.

Sie sprach: Mein liebster künftger Mann!

Ich aber sprach: Hör auf!

Quelle:
Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Gedichte, Stuttgart 1969, S. 37-38.
Lizenz:
Kategorien: