An die Stadt Prag

[114] Ach Prag, ich will dir rathen,

Verspare deine Thaten.

Ergib dich an uns Preussen,

Eh wir die Bomben schmeissen,[114]

Sonst fallen deine Mauren,

Und deine Kinder trauren,

Wenn wir, auf deinen Gassen,

Die Bomben toben lassen.

Auf, laß von deinen Kindern

Ihr Toben schnell verhindern!

Du must die besten Schönen

Mit Lorbeerzweigen crönen.

Und mit gefaltnen Händen

Zu meinem König senden.

Dann werden sie, im Flehen,

Sein gnädig Antlitz sehen;

Dann wird der Held beweisen,

Es dien ihm Stahl und Eisen,

Es dienen ihm die Waffen

Zu seegnen nicht zu strafen.

Wie wirst du dann bedauren,

Daß er durch deine Mauren,

Und tausend Siegesbogen,

Nicht eher eingezogen.

Prag, spare Muth und Hitze,

Es tobt schon sein Geschütze!

Ach, träfen doch die Waffen,

Nur deine faule Pfaffen,

Ach, möchtet, ihr Kanonen,

Die Mädchen nur verschonen!

Quelle:
Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Versuch in scherzhaften Liedern und Lieder, Tübingen 1964, S. 114-115.
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