An Goldhagen

[126] Im November 1775.


Wir sind abermals geborgen!

Freund! ich habe wieder Wein!

Fort mit Grillen und mit Sorgen!

Denn für heute und für morgen,

Laß uns guter Dinge seyn!

Als die erste unsrer Zähren

Auf der Mutter Busen rann,

Ließ ein längst begrabner Mann,

Dieses Fäßchen schon im Keller jähren.

Hab' er Dank, der gute Mann!

Denn auf dieser Welt, wo Keiner

Die Verdrießlichkeit in Bann,

Und die Freud' in Erbpacht nehmen kann,[127]

Ach! was fing da unser Einer

Ohne Freund und Rheinwein an?

Wirklich hatt' ich kaum den Spund

Meines Fäßchens ausgezogen,

Kaum mit heißem, trocknem Mund',

Zwanzig Tropfen eingesogen,

War ich wieder, wie so bunt

Auch die Welt es macht, von Grund

Meines Herzens, ihr gewogen.

He da! rief ich, holt geschwind

Einen Boten, der nach Werther trabe!

Denn kein Auge, wie ein Kind

In der Christnacht, thät' ich zu,

Bis ich erst, daß ich und du

Wieder reich an Weine sind,

Sporenstreichs gemeldet habe.

Wenn das närrisch ist – – je nu'!

Schicken Fürsten doch Couriere

Ueber Land und Meer sich zu;[128]

Wer den Inhalt stets erführe,

Fänd' oft sicher falsche Schwüre,

Oder doch ein X für U.

Kannst du meiner nun wohl lachen?

Sind ein alter Freund, wie du,

Und ein alter Wein, nicht Sachen,

Die den Gram in einem Nu

Wandeln um in Scherz und Lachen?

Läg' ich auch dem Glück' im Arm',

Aber, wie ein König, arm,

Ohne Freunde zu besitzen:

Was kann dann ein Stückfaß nützen?

Ach! aus allen seinen Ritzen

Tröpfelt nichts, als bittrer Harm.

Alles, alles kann man kaufen,

Freunde nur und Freude nicht.

Zwar es kommen ganze Haufen

Mit dem freundlichsten Gesicht'[129]

Zu dem dummen Pull gelaufen,

Um aus wahrer Freundschaftspflicht

Auf sein Wohlseyn mit zu sausen;

Doch wir hören schon von fern,

Daß sich da die klugen Herrn

Mit dem Aberwitze raufen.

Geh', wohin du willst, der Wein

Wird dir nirgend süßer schmecken.

Theurer, älter kann er seyn;

Aber sind nicht zwei, von drei'n

Seiner Geber, Narrn und Gecken?

Welcher Große sucht darin,

Daß ein Weiser mit ihm trinke,

Dank verdienenden Gewinn?

Seine Höflichkeit ist Schminke,

Seine Schmäuse – – – Prahlerei.

Wenn du nicht mit Schmeichelei

Jeden Tropfen seiner Flaschen

Baar bezahlst: Bist du dabei?[130]

Aber zieht er aus den Taschen,

Bündel platter Reim' hervor:

Dann so sey du lauter Ohr!

Ueberfällt ein Fieberschauer

Seinen Ahnenstolz: ei nun!

Ist sein Rheinwein nur nicht sauer,

Mag er spaßhaft, wie ein Bauer,

Oder grob zu seyn geruhn.

Ob aus einer Landesplage

Er den Wein ins Trockne zog,

Einer Wittwe Hülfe log,

Sich ihn listig mit der Wage

Der Justitz, zum Vortheil' wog?

Ob er aus dem Schweiß' der Bauren

Ihn gekeltert? Ob du einst,

Füllgräf1! wirst die Trinker dauren,

Wenn du beim Concurse weinst:[131]

Das muß den sehr wenig kümmern,

Der des Thoren Speichel leckt;

Laß die Wittw' und Waise wimmern,

Wenn's nur ihm indessen schmeckt!

O wie soll mein Fäßchen dir,

Der die Thoren haßt, behagen!

Denn kein Zweifel wird dich nagen,

Ob ein Narr vielleicht dafür

Meinen Lobgesang gedungen?

Eh' hätt' ich's, wie Aretin,

Mir durch Schweigen noch erzwungen.

Nicht dem thörichten Bemühn,

Einer alten Stirn' die Falten

Glatt zu küssen, und an kalten

Knochenhänden, jung zu glühn;

Nicht Partheien, die errathen,

Wo Champagner Eide bricht,

Auch beschnittenen Ducaten

Der Verleger, dank' ich's nicht.[132]

Dir, mein väterliches Gut,

Dir, worauf noch keine Zähre,

Weder Seufzer, Fluch noch Haß,

Unterdrückter Armuth ruht,

Dir verdank' ich's! o gewähre

Alle Jahr' doch nur ein Faß!

Und so viel noch, daß ich dann

Willig den Erlaubnißschein,

Bei dem Fasse mich zu freun2,

Von dem Staate lösen kann.

Sprich, wo fändest du im Lande,

Von dem Elb- bis Weser-Strande,

Einen Anker reinern Wein?

Denn daß sich der Wirth nicht fände,

Der sich kecklich unterstände,

Mehr, als ich, dein Freund zu seyn,

Das versteht sich schon am Rande.[133]

Frage nur dein Herz, mein Trauter,

Ist nicht unsre Freundschaft lauter,

Stärkend auch, wie unser Wein?

Sie nur flüstert aus dem Herzen

Das Geheimniß stiller Schmerzen

In des Freundes Herz hinein,

Wie bei Trunkenen der Wein.

Enge Busen macht sie weiter,

Trübe Stirnen lacht sie heiter,

Scherz und Lieder gibt sie ein,

Wie dem Traurigen der Wein.

Sie nur flößt für große Werke,

Hektors Muth und Herkuls Stärke

Unsern offnen Herzen ein,

Wie dem Schläfrigen der Wein.

Sie nur lehrt, der Welt voll Narren,

Nicht so Swistisch gram zu seyn,

Wie den Doktor Swift der Wein.

Sie nur macht die Silberbarren[134]

Unserm Auge leicht und klein,

Wie dem Geitzigen der Wein.

Sie nur nimmt dem Ordensbande

Und dem Sterne, seinen Schein,

Wie beim Höflinge der Wein.

Sie nur lehrt, dem Unbestande

Falscher Mädchen zu verzeihn,

Wie den Liebenden der Wein.

Alles das kann Freundschaft geben?

Ha! wenn sie das alles thut,

Ei! so laß uns immer leben,

So sind Welt und Menschen gut.

Glücklich bin ich! Wein und Gold

Hat mir keine Freund' erworben!

Die ich habe, sind mir hold,

Die mir fehlen, sind gestorben.

Wollte gleich mir das Geschick

Alle meine Habe plündern:

Würd' es ihre Zahl vermindern?[135]

Nein! Sie liebten nicht mein Glück.

Trug' ich selbst am Bettlerstabe,

Das, was ihre Liebe mir

Schnell erwarb, vor ihre Thür:

O so wäre, bis zum Grabe,

Was mein Freund nur hätt', auch mir.

Möge nun das Glück mich führen,

Wie es immerhin begehrt;

Freunde kann ich nicht verlieren,

Und der Rest, ist wenig werth.

Nur den Wein, den Wein nimm aus;

Er, ein Freund von Witz und Freude,

Jagt den Ernst mit sammt dem Neide

Und Zurückhaltung, hinaus.

Ohne Wein und Witz und Freude,

Was ist da der höchste Schmaus?

Doch! wie manche frohe Stunde

Soll aus unsers Fäßchens Spunde

Quillen, wann du bei mir bist![136]

Scherze über Fürsten-Zwist,

Spöttereien über Thoren,

Haben darin ausgegohren;

Komm und fülle draus! Du bist

Träg etwa? Es macht dich munter!

Hast du Spleen? Es taucht ihn unter!

Bist du krank? Es macht gesund!

Lechzet dir nun nicht der Mund?

Flieg' zu einem Bachanale

Nach Sokratischer Manier.

Eine plank polirte Schale

Wartet heute deiner hier;

Und ein langer Zuckerhut,

Der auf einem ganzen Berge

Duftender Citronen ruht,

Und dem Trinker in dem Saale,

Wie ein Pharus auf der See,

Zu der Freude Hasen leuchtet;

Und ein Aster, weiß wie Schnee,[137]

Der am funkelnden Pokale,

Sich so gut wie Rosen deuchtet;

Um den lustigen Kamin,

Trockne Wurzeln ganzer Buchen,

Augen, (auch das Herz hüpft nach!)

Die im höchsten Bodendach'

Durch ein Seherohr dich suchen.

Alle Könige der Erden,

Sammt der düstern Weisen Zunft,

Sollten wahrlich! allzumal,

Trotz dem Gold' und der Vernunft!

Traurig und verlegen werden,

Sähen sie dieß Freudenmahl.

Ihre Hand voll Banco-Noten,

Und ihr Kopf voll Schwärmerein,

Hat oft Sorgen Trotz geboten,

Aber auch wohl immer? Nein!

Zwar du Gold, und du o Wein!

Manche Schmerzen könnt ihr lindern,[138]

Aber arm, wer sie zu mindern,

Euch, wie Moxa, nöthig hat!

Reicher ist, wer in der Hütte,

Von den Beeren in dem Hain'

Und des Baches Wasser satt,

Keinen Wunsch und keine Bitte

Je um euch verloren hat!

Was der König Salomo

Einst im Großen hier genossen,

Wahr' und Falsches, Ernst und Possen,

Bald als Quintessenz, bald roh;

Eben das sah ich im Kleinen

Auch ein Dutzend Jahr' mit an,

Und nun sollt' ich fast doch meinen,

Daß ich endlich Seyn von Scheinen,

Ziemlich unterscheiden kann.

Darum fühl' ich auch, (dieß fühlen,

Nicht, dieß sagen, macht mein Glück!)[139]

Das, warum die Menschen spielen,

Labet, unsern Durst zu kühlen,

Nur auf einen Augenblick.

Lieferten mir alle Zonen,

Schönen, wie dem Großsultan',

Lebten hundert Millionen

Nur nach meinem Wink' und Wahn';

Wär' ich sinnreich im Verschwenden,

Wie Lukullus und Anton;

Spräche gleich in meinen Händen

Eine Flöte Quanzens Ton;

Wär' ich, Tugend zu verblenden,

Schön, wie Angelo's Adon;

Leuchtete aus meinen Tänzen

Des Noverre hoher Geist,

Könnt' ich bald durch Ernst, wie Kleist,

Bald durch Witz und Spötterei,

Scarron gleich, im Umgang' glänzen,[140]

Immer reich, und immer neu;

Könnt' ich endlich meinen Scheitel

Mit Homerus Lorbeer kränzen,

Dennoch hieß es endlich: Nein!

Weisheit, Freundschaft nur und Wein,

Sonst ist alles, alles eitel!

Fußnoten

1 Ein Weinhändler.


2 Den Acciszettel.


Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte.Teil 1–4, Teil 1, Frankfurt a.M. 1821, S. 126-141.
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