An Sophien[122] 1

Wär' ich, o Holde!

So reich an Golde,

Als ich an Reimen,

An Morgenträumen

Und Possen bin:

Mich könnte Keiner

Nach meinem Sinn',

Als Grassi mahlen,

Den unser Einer

Nicht kann bezahlen.[123]

Könnt' ich das Gold,

Das Ungarn zollt,

Im Berge, wie

Minervens Eule

Die Mäuse, sehn:

Ich ließe traun!

In kurzer Weile

So wunderschön,

Wie zum Exempel

In Sanssoucis,

Auch einen Tempel

Der Freundschaft baun.

Allein, Sophie!

Wenn deine Mühe

Gleich zwanzig Beutel

Für mich noch strickt:

Die Müh' ist eitel!

Fortuna spickt

Von allen keinen,[124]

Wie an dem Einen

Man schon erblickt.

Das Herz nur drückt,

Zum Glück', den Stempel

Der Freundschaft auf.

Was kommt darauf

Am End' auch an,

Ob tausend Mann

An einem Tempel

Der Freundschaft, baun,

Und, ihn zu schmücken,

An Meisterstücken

Zehn Nahle haun?

Hat bei den Alten

Dieß vor Erkalten

Kein Herz geschützt:

Warum denn itzt? –

Vor dem Vergessen

Schützt kein Portrait[125]

Den armen Gauch,

Drei Tag', und hätt'

Er Grassi auch

Dazu gesessen.

Mein Schattenriß

Mit meinem Herzen,

Läßt dich gewiß

Das Bild verschmerzen;

Und mehr, als dieß,

Vermag im Leben

Ich nichts zu geben.

Doch ganz gewiß

Reicht beides hin,

Dein Angedenken

Mir, Sängerin!

Dafür zu schenken.

Fußnoten

1 Die verstorbene Dichterin Sophie Schwarz. Der Verfasser übersendete ihr mit dieser Epistel eine Tasse mit seinem Schattenrisse auf der einen, und einem Tempel der Freundschaft auf der andern Seite.


Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte.Teil 1–4, Teil 1, Frankfurt a.M. 1821, S. 122-126.
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