Dritter Auftritt

[45] Domherr, nachher ein Bedienter, dann Jäck.


DOMHERR indem er das Halsband betrachtet. Kostbar, sehr kostbar! – und wert des schlanken weißen Halses, der dich tragen soll, wert des himmlischen Busens, den du berühren wirst. Eile zu ihr, glänzender Schmuck, damit sie einen Augenblick lächle und gefällig an den Mann denke, der viel wagt, um ihr diese Freude zu verschaffen. Geh, sei ihr ein Zeuge, daß ich alles für sie zu tun bereit bin. Den Schmuck ansehend. Wäre ich ein König, du solltest sie als ein Geschenk überraschen und bald durch kostbarere Geschenke wieder verdunkelt werden. – Ach, wie betrübt's mich, wie demütigt's mich, daß ich jetzt nur den Mäkler machen kann!

BEDIENTER ein Billett bringend. Ein Bote von der Marquise!

DOMHERR. Er soll warten.


Bedienter ab.


DOMHERR liest. »Wenn der Schmuck in Ihren Händen ist, so geben Sie ihn gleich dem Überbringer. Ich habe die schönste Gelegenheit, ihn hinauszuschicken; eine Kammerfrau ist in der Stadt; ich schicke verschiedene Putzwaren an die[45] Göttliche und packe die Juwelen bei. Der Lohn für diesen kleinen Dienst erwartet Sie schon heute nacht. In einer Viertelstunde bin ich bei Ihnen. Was steht uns nicht heute bevor! Das Angesicht des Großkophta und das Angesicht eines Engels. Leben Sie wohl, liebster Auserwählter. Verbrennen Sie dies Blatt.«

Traue ich meinen Augen? Noch heute nacht? Geschwinde! geschwinde! Sei der Vorläufer des Glücklichsten unter allen Sterblichen. Er schreibt wenige Worte und siegelt das Schmuckkästchen ein. Warum muß auch heute sich alles zusammendrängen? Soll ein einziger Abend mich für soviel Langeweile, soviel Ungeduld und Schmerzen entschädigen? Erscheine, sehnlich erwarteter Zeitpunkt meines Glücks! Führet mich, ihr Geister, ins Heiligtum der geheimen Kenntnisse; führe mich, o Liebe, in dein Heiligtum! Er klingelt.


Bedienter tritt ein.


DOMHERR. Wer ist von der Marquise da?

BEDIENTER. Ihr Jäck.

DOMHERR. Laß ihn hereinkommen!


Bedienter ab.


DOMHERR. Ich habe keine Ruhe, bis ich das Kleinod in ihren Händen weiß.

JÄCK tritt auf. Was befehlen Ihro Gnaden?

DOMHERR. Bringe dies Paket deiner gnädigen Frau. Eile und halt es fest, damit du es nicht etwa verlierst.

JÄCK. Sowenig als meinen Kopf.

DOMHERR. Du bist so leichtsinnig.

JÄCK. Nicht im Bestellen.

DOMHERR. So geh hin.

JÄCK. Gnädiger Herr! Sie verwöhnen die Boten.

DOMHERR. Ich verstehe. Gibt dem Knaben Geld. Hier, wende es wohl an!

JÄCK. Ich geb es gleich aus, damit ich es nicht verliere. Ich[46] danke untertänig! Halblaut, als spräche er für sich, doch so, daß es der Domherr hören kann. Welch ein Herr! Fürst verdient er zu sein! Mit vielen mutwilligen Bücklingen ab.

DOMHERR. Eile nur! eile! – Wie glücklich, daß ich diesen Auftrag so schnell ausrichten konnte! – Nur das einzige macht mit Sorge, daß ich es dem Grafen verbergen mußte. – Es war der Fürstin ausdrücklicher Wille. – O ihr guten Geister, die ihr mir so sichtbar beistandet, bleibt auf meiner Seite und verbergt die Geschichte nur auf kurze Zeit eurem Meister!


Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Berlin 1960 ff, S. 45-47.
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