Walpurgisnacht.


[121] Harzgebirg. Gegend von Schierke und Elend. Faust. Mephistopheles.


MEPHISTOPHELES.

Verlangst du nicht nach einem Besenstiele?

Ich wünschte mir den allerderbsten Bock.

Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele.

FAUST.

So lang' ich mich noch frisch auf meinen Beinen fühle,

Genügt mir dieser Knotenstock.

Was hilft's, daß man den Weg verkürzt! –

Im Labyrinth der Täler hinzuschleichen,

Dann diesen Felsen zu ersteigen,

Von dem der Quell sich ewig sprudelnd stürzt,[121]

Das ist die Lust, die solche Pfade würzt!

Der Frühling webt schon in den Birken,

Und selbst die Fichte fühlt ihn schon;

Sollt' er nicht auch auf unsre Glieder wirken?

MEPHISTOPHELES.

Fürwahr, ich spüre nichts davon!

Mir ist es winterlich im Leibe,

Ich wünschte Schnee und Frost auf meiner Bahn.

Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe

Des roten Monds mit später Glut heran,

Und leuchtet schlecht, daß man bei jedem Schritte

Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt!

Erlaub', daß ich ein Irrlicht bitte!

Dort seh' ich eins, das eben lustig brennt.

He da! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern?

Was willst du so vergebens lodern?

Sei doch so gut und leucht' uns da hinauf!

IRRLICHT.

Aus Ehrfurcht, hoff' ich, soll es mir gelingen,

Mein leichtes Naturell zu zwingen;

Nur zickzack geht gewöhnlich unser Lauf.

MEPHISTOPHELES.

Ei! Ei! Er denkt's den Menschen nachzuahmen.

Geh' Er nur grad', in 's Teufels Namen!

Sonst blas' ich Ihm Sein Flackerleben aus.

IRRLICHT.

Ich merke wohl, Ihr seid der Herr vom Haus,

Und will mich gern nach Euch bequemen.

Allein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll,

Und wenn ein Irrlicht Euch die Wege weisen soll,

So müßt Ihr's so genau nicht nehmen.


Faust, Mephistopheles, Irrlicht im Wechselgesang.


In die Traum- und Zaubersphäre

Sind wir, scheint es, eingegangen.

Führ' uns gut und mach' dir Ehre,

Daß wir vorwärts bald gelangen

In den weiten, öden Räumen!


Seh' die Bäume hinter Bäumen,

Wie sie schnell vorüberrücken,

Und die Klippen, die sich bücken,

Und die langen Felsennasen,

Wie sie schnarchen, wie sie blasen!
[122]

Durch die Steine, durch den Rasen

Eilet Bach und Bächlein nieder.

Hör' ich Rauschen? hör' ich Lieder?

Hör' ich holde Liebesklage,

Stimmen jener Himmelstage?

Was wir hoffen, was wir lieben!

Und das Echo, wie die Sage

Alter Zeiten, hallet wider.


Uhu! Schuhu! tönt es näher,

Kauz und Kiebitz und der Häher,

Sind sie alle wach geblieben?

Sind das Molche durchs Gesträuche?

Lange Beine, dicke Bäuche!

Und die Wurzeln, wie die Schlangen,

Winden sich aus Fels und Sande,

Strecken wunderliche Bande,

Uns zu schrecken, uns zu fangen;

Aus belebten derben Masern

Strecken sie Polypenfasern

Nach dem Wandrer. Und die Mäuse

Tausendfärbig, scharenweise,

Durch das Moos und durch die Heide!

Und die Funkenwürmer fliegen

Mit gedrängten Schwärmezügen

Zum verwirrenden Geleite.


Aber sag' mir, ob wir stehen,

Oder ob wir weitergehen?

Alles, alles scheint zu drehen,

Fels und Bäume, die Gesichter

Schneiden, und die irren Lichter,

Die sich mehren, die sich blähen.

MEPHISTOPHELES.

Fasse wacker meinen Zipfel!

Hier ist so ein Mittelgipfel,

Wo man mit Erstaunen sieht,

Wie im Berg der Mammon glüht.

FAUST.

Wie seltsam glimmert durch die Gründe

Ein morgenrötlich trüber Schein!

Und selbst bis in die tiefen Schlünde[123]

Des Abgrunds wittert er hinein.

Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden,

Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor,

Dann schleicht sie wie ein zarter Faden,

Dann bricht sie wie ein Quell hervor.

Hier schlingt sie eine ganze Strecke

Mit hundert Adern sich durchs Tal,

Und hier in der gedrängten Ecke

Vereinzelt sie sich auf einmal.

Da sprühen Funken in der Nähe,

Wie ausgestreuter goldner Sand.

Doch schau! in ihrer ganzen Höhe

Entzündet sich die Felsenwand.

MEPHISTOPHELES.

Erleuchtet nicht zu diesem Feste

Herr Mammon prächtig den Palast?

Ein Glück, daß du's gesehen hast;

Ich spüre schon die ungestümen Gäste.

FAUST.

Wie rast die Windsbraut durch die Luft!

Mit welchen Schlägen trifft sie meinen Nacken!

MEPHISTOPHELES.

Du mußt des Felsens alte Rippen packen,

Sonst stürzt sie dich hinab in dieser Schlünde Gruft.

Ein Nebel verdichtet die Nacht.

Höre, wie's durch die Wälder kracht!

Aufgescheucht fliegen die Eulen.

Hör', es splittern die Säulen

Ewig grüner Paläste.

Girren und Brechen der Äste!

Der Stämme mächtiges Dröhnen!

Der Wurzeln Knarren und Gähnen!

Im fürchterlich verworrenen Falle

Übereinander krachen sie alle,

Und durch die übertrümmerten Klüfte

Zischen und heulen die Lüfte.

Hörst du Stimmen in der Höhe?

In der Ferne, in der Nähe?

Ja, den ganzen Berg entlang

Strömt ein wütender Zaubergesang!

HEXEN IM CHOR.

Die Hexen zu dem Brocken ziehn,

Die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün.[124]

Dort sammelt sich der große Hauf,

Herr Urian sitzt oben auf.

So geht es über Stein und Stock,

Es f–t die Hexe, es stinkt der Bock.

STIMME.

Die alte Baubo kommt allein,

Sie reitet auf einem Mutterschwein.

CHOR.

So Ehre denn, wem Ehre gebührt!

Frau Baubo vor! und angeführt!

Ein tüchtig Schwein und Mutter drauf,

Da folgt der ganze Hexenhauf.

STIMME.

Welchen Weg kommst du her?

STIMME.

Übern Ilsenstein!

Da guckt' ich der Eule ins Nest hinein.

Die macht' ein Paar Augen!

STIMME.

O fahre zur Hölle!

Was reitst du so schnelle!

STIMME.

Mich hat sie geschunden,

Da sieh nur die Wunden!

HEXEN. CHOR.

Der Weg ist breit, der Weg ist lang,

Was ist das für ein toller Drang?

Die Gabel sticht, der Besen kratzt,

Das Kind erstickt, die Mutter platzt.

HEXENMEISTER. HALBES CHOR.

Wir schleichen wie die Schneck' im Haus,

Die Weiber alle sind voraus.

Denn, geht es zu des Bösen Haus,

Das Weib hat tausend Schritt voraus.

ANDRE HÄLFTE.

Wir nehmen das nicht so genau,

Mit tausend Schritten macht's die Frau;

Doch, wie sie auch sich eilen kann,

Mit einem Sprunge macht's der Mann.

STIMME oben.

Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee!

STIMMEN von unten.

Wir möchten gerne mit in die Höh'.

Wir waschen, und blank sind wir ganz und gar;

Aber auch ewig unfruchtbar.

BEIDE CHÖRE.

Es schweigt der Wind, es flieht der Stern,

Der trübe Mond verbirgt sich gern.

Im Sausen sprüht das Zauberchor

Viel tausend Feuerfunken hervor.[125]

STIMME von unten.

Halte! Halte!

STIMME von oben.

Wer ruft da aus der Felsenspalte?

STIMME unten.

Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!

Ich steige schon dreihundert Jahr,

Und kann den Gipfel nicht erreichen.

Ich wäre gern bei meinesgleichen.

BEIDE CHÖRE.

Es trägt der Besen, trägt der Stock,

Die Gabel trägt, es trägt der Bock;

Wer heute sich nicht heben kann,

Ist ewig ein verlorner Mann.

HALBHEXE unten.

Ich tripple nach, so lange Zeit;

Wie sind die andern schon so weit!

Ich hab' zu Hause keine Ruh,

Und komme hier doch nicht dazu.

CHOR DER HEXEN.

Die Salbe gibt den Hexen Mut,

Ein Lumpen ist zum Segel gut,

Ein gutes Schiff ist jeder Trog;

Der flieget nie, der heut nicht flog.

BEIDE CHÖRE.

Und wenn wir um den Gipfel ziehn,

So streichet an dem Boden hin,

Und deckt die Heide weit und breit

Mit eurem Schwarm der Hexenheit.


Sie lassen sich nieder.


MEPHISTOPHELES.

Das drängt und stößt, das ruscht und klappert!

Das zischt und quirlt, das zieht und plappert!

Das leuchtet, sprüht und stinkt und brennt!

Ein wahres Hexenelement!

Nur fest an mir! sonst sind wir gleich getrennt.

Wo bist du?

FAUST in der Ferne.

Hier!

MEPHISTOPHELES.

Was! dort schon hingerissen?

Da werd' ich Hausrecht brauchen müssen.

Platz! Junker Voland kommt. Platz! süßer Pöbel, Platz!

Hier, Doktor, fasse mich! und nun, in einem Satz,

Laß uns aus dem Gedräng' entweichen;

Es ist zu toll, sogar für meinesgleichen.

Dort neben leuchtet was mit ganz besondrem Schein,

Es zieht mich was nach jenen Sträuchen.

Komm, komm! wir schlupfen da hinein.[126]

FAUST.

Du Geist des Widerspruchs! Nur zu! du magst mich führen.

Ich denke doch, das war recht klug gemacht:

Zum Brocken wandeln wir in der Walpurgisnacht,

Um uns beliebig nun hieselbst zu isolieren.

MEPHISTOPHELES.

Da sieh nur, welche bunten Flammen!

Es ist ein muntrer Klub beisammen.

Im Kleinen ist man nicht allein.

FAUST.

Doch droben möcht' ich lieber sein!

Schon seh' ich Glut und Wirbelrauch.

Dort strömt die Menge zu dem Bösen;

Da muß sich manches Rätsel lösen.

MEPHISTOPHELES.

Doch manches Rätsel knüpft sich auch.

Laß du die große Welt nur sausen,

Wir wollen hier im Stillen hausen.

Es ist doch lange hergebracht,

Daß in der großen Welt man kleine Welten macht.

Da seh' ich junge Hexchen nackt und bloß,

Und alte, die sich klug verhüllen.

Seid freundlich, nur um meinetwillen;

Die Müh' ist klein, der Spaß ist groß.

Ich höre was von Instrumenten tönen!

Verflucht Geschnarr! Man muß sich dran gewöhnen.

Komm mit! Komm mit! Es kann nicht anders sein,

Ich tret' heran und führe dich herein,

Und ich verbinde dich aufs neue.

Was sagst du, Freund? das ist kein kleiner Raum.

Da sieh nur hin! du siehst das Ende kaum.

Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe;

Man tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man liebt;

Nun sage mir, wo es was Bessers gibt?

FAUST.

Willst du dich nun, um uns hier einzuführen,

Als Zaubrer oder Teufel produzieren?

MEPHISTOPHELES.

Zwar bin ich sehr gewohnt, inkognito zu gehn,

Doch läßt am Galatag man seinen Orden sehn.

Ein Knieband zeichnet mich nicht aus,

Doch ist der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus.

Siehst du die Schnecke da? Sie kommt herangekrochen;

Mit ihrem tastenden Gesicht[127]

Hat sie mir schon was abgerochen.

Wenn ich auch will, verleugn' ich hier mich nicht.

Komm nur! von Feuer gehen wir zu Feuer,

Ich bin der Werber, und du bist der Freier.


Zu einigen, die um verglimmende Kohlen sitzen.


Ihr alten Herrn, was macht ihr hier am Ende?

Ich lobt' euch, wenn ich euch hübsch in der Mitte fände,

Von Saus umzirkt und Jugendbraus;

Genug allein ist jeder ja zu Haus.

GENERAL.

Wer mag auf Nationen trauen,

Man habe noch so viel für sie getan;

Denn bei dem Volk, wie bei den Frauen,

Steht immerfort die Jugend oben an.

MINISTER.

Jetzt ist man von dem Rechten allzu weit,

Ich lobe mir die guten Alten;

Denn freilich, da wir alles galten,

Da war die rechte goldne Zeit.

PARVENU.

Wir waren wahrlich auch nicht dumm,

Und taten oft, was wir nicht sollten;

Doch jetzo kehrt sich alles um und um,

Und eben da wir's fest erhalten wollten.

AUTOR.

Wer mag wohl überhaupt jetzt eine Schrift

Von mäßig klugem Inhalt lesen!

Und was das liebe junge Volk betrifft,

Das ist noch nie so naseweis gewesen.

MEPHISTOPHELES der auf einmal sehr alt erscheint.

Zum jüngsten Tag fühl' ich das Volk gereift,

Da ich zum letzten Mal den Hexenberg ersteige,

Und weil mein Fäßchen trübe läuft,

So ist die Welt auch auf der Neige.

TRÖDELHEXE.

Ihr Herren, geht nicht so vorbei!

Laßt die Gelegenheit nicht fahren!

Aufmerksam blickt nach meinen Waren,

Es steht dahier gar mancherlei.

Und doch ist nichts in meinem Laden,

Dem keiner auf der Erde gleicht,

Das nicht einmal zum tücht'gen Schaden

Der Menschen und der Welt gereicht.

Kein Dolch ist hier, von dem nicht Blut geflossen,[128]

Kein Kelch, aus dem sich nicht, in ganz gesunden Leib,

Verzehrend heißes Gift ergossen,

Kein Schmuck, der nicht ein liebenswürdig Weib

Verführt, kein Schwert, das nicht den Bund gebrochen,

Nicht etwa hinterrücks den Gegenmann durchstochen.

MEPHISTOPHELES.

Frau Muhme! Sie versteht mir schlecht die Zeiten.

Getan geschehn! Geschehn getan!

Verleg' Sie sich auf Neuigkeiten!

Nur Neuigkeiten ziehn uns an.

FAUST.

Daß ich mich nur nicht selbst vergesse!

Heiß' ich mir das doch eine Messe!

MEPHISTOPHELES.

Der ganze Strudel strebt nach oben;

Du glaubst zu schieben und du wirst geschoben.

FAUST.

Wer ist denn das?

MEPHISTOPHELES.

Betrachte sie genau!

Lilith ist das.

FAUST.

Wer?

MEPHISTOPHELES.

Adams erste Frau.

Nimm dich in acht vor ihren schönen Haaren,

Vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt.

Wenn sie damit den jungen Mann erlangt,

So läßt sie ihn so bald nicht wieder fahren.

FAUST.

Da sitzen zwei, die Alte mit der Jungen;

Die haben schon was Rechts gesprungen!

MEPHISTOPHELES.

Das hat nun heute keine Ruh.

Es geht zum neuen Tanz; nun komm! wir greifen zu.

FAUST mit der Jungen tanzend.

Einst hatt' ich einen schönen Traum:

Da sah ich einen Apfelbaum,

Zwei schöne Äpfel glänzten dran,

Sie reizten mich, ich stieg hinan.

DIE SCHÖNE.

Der Äpfelchen begehrt ihr sehr,

Und schon vom Paradiese her.

Von Freuden fühl' ich mich bewegt,

Daß auch mein Garten solche trägt.[129]

MEPHISTOPHELES mit der Alten.

Einst hatt' ich einen wüsten Traum;

Da sah ich einen gespaltnen Baum,

Der hatt' ein ›ungeheures Loch‹;

So ›groß‹ es war, gefiel mir's doch.

DIE ALTE.

Ich biete meinen besten Gruß

Dem Ritter mit dem Pferdefuß!

Halt' Er einen ›rechten Propf‹ bereit,

Wenn Er ›das große Loch‹ nicht scheut.

PROKTOPHANTASMIST.

Verfluchtes Volk! was untersteht ihr euch?

Hat man euch lange nicht bewiesen:

Ein Geist steht nie auf ordentlichen Füßen?

Nun tanzt ihr gar, uns andern Menschen gleich!

DIE SCHÖNE tanzend.

Was will denn der auf unser Ball?

FAUST tanzend.

Ei! der ist eben überall.

Was andre tanzen, muß er schätzen.

Kann er nicht jeden Schritt beschwätzen,

So ist der Schritt so gut als nicht geschehn.

Am meisten ärgert ihn, sobald wir vorwärtsgehn.

Wenn ihr euch so im Kreise drehen wolltet,

Wie er's in seiner alten Mühle tut,

Das hieß' er allenfalls noch gut;

Besonders wenn ihr ihn darum begrüßen solltet.

PROKTOPHANTASMIST.

Ihr seid noch immer da! Nein, das ist unerhört.

Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklärt!

Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel.

Wir sind so klug, und dennoch spukt's in Tegel.

Wie lange hab' ich nicht am Wahn hinausgekehrt,

Und nie wird's rein; das ist doch unerhört!

DIE SCHÖNE.

So hört doch auf, uns hier zu ennuyieren!

PROKTOPHANTASMIST.

Ich sag's euch Geistern ins Gesicht,

Den Geistesdespotismus leid' ich nicht;

Mein Geist kann ihn nicht exerzieren.


Es wird fortgetanzt.


Heut', seh' ich, will mir nichts gelingen;

Doch eine Reise nehm' ich immer mit

Und hoffe noch, vor meinem letzten Schritt,

Die Teufel und die Dichter zu bezwingen.[130]

MEPHISTOPHELES.

Er wird sich gleich in eine Pfütze setzen,

Das ist die Art, wie er sich soulagiert,

Und wenn Blutegel sich an seinem Steiß ergetzen,

Ist er von Geistern und von Geist kuriert.


Zu Faust, der aus dem Tanz getreten ist.


Was lässest du das schöne Mädchen fahren,

Das dir zum Tanz so lieblich sang?

FAUST.

Ach! mitten im Gesange sprang

Ein rotes Mäuschen ihr aus dem Munde.

MEPHISTOPHELES.

Das ist was Rechts! das nimmt man nicht genau;

Genug, die Maus war doch nicht grau.

Wer fragt darnach in einer Schäferstunde?

FAUST.

Dann sah ich –

MEPHISTOPHELES.

Was?

FAUST.

Mephisto, siehst du dort

Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?

Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,

Sie scheint mit geschloßnen Füßen zu gehen.

Ich muß bekennen, daß mir deucht,

Daß sie dem guten Gretchen gleicht.

MEPHISTOPHELES.

Laß das nur stehn! dabei wird's niemand wohl.

Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol.

Ihm zu begegnen, ist nicht gut;

Vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut,

Und er wird fast in Stein verkehrt,

Von der Meduse hast du ja gehört.

FAUST.

Fürwahr, es sind die Augen einer Toten,

Die eine liebende Hand nicht schloß.

Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,

Das ist der süße Leib, den ich genoß.

MEPHISTOPHELES.

Das ist die Zauberei, du leicht verführter Tor!

Denn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor.

FAUST.

Welch eine Wonne! welch ein Leiden!

Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.

Wie sonderbar muß diesen schönen Hals

Ein einzig rotes Schnürchen schmücken,

Nicht breiter als ein Messerrücken![131]

MEPHISTOPHELES.

Ganz recht! ich seh' es ebenfalls.

Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen;

Denn Perseus hat's ihr abgeschlagen. –

Nur immer diese Lust zum Wahn!

Komm doch das Hügelchen heran,

Hier ist's so lustig wie im Prater;

Und hat man mir's nicht angetan,

So seh' ich wahrlich ein Theater.

Was gibt's denn da?

SERVIBILIS.

Gleich fängt man wieder an.

Ein neues Stück, das letzte Stück von sieben;

So viel zu geben, ist althier der Brauch.

Ein Dilettant hat es geschrieben,

Und Dilettanten spielen's auch.

Verzeiht, ihr Herrn, wenn ich verschwinde;

Mich dilettiert's, den Vorhang aufzuziehn.

MEPHISTOPHELES.

Wenn ich euch auf dem Blocksberg finde,

Das find' ich gut; denn da gehört ihr hin.

Quelle:
Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Band 3, Hamburg 1948 ff, S. 121-132.
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