Der andere Auftritt.

[414] Corydon. Atalanta. Menalkas.


CORYDON.

Ach schönste Schäferinn! ach stille mein Verlangen!

Wann mildert endlich sich der gar zu harte Sinn?

Bedenks, wie treu ich dir bey so viel Proben bin!

Was hab ich nicht bereits erduldet und erlitten,

In Hoffnung, dich dereinst noch endlich zu erbitten.

Ich bitte noch einmal; verwirf mein Herze nicht!

Das dir ergeben bleibt, bis mir das Auge bricht.

Wenn Leben, Geist und Kraft aus meiner Brust verschwinden,

Sollst du den Corydon noch treu und redlich finden.

ATALANTA.

Das ist dein altes Lied! Es ist mir keine Lust,

Mein guter Corydon, daß du so stöhnen mußt.

Du qvälest mich und dich mit den verliebten Klagen:

Mehr kann und mag ich nicht zu deiner Warnung sagen.

CORYDON.

Ist das der ganze Trost für mich und meine Pein?

Verstockte Schäferinn! wie kann es möglich seyn,

Daß so viel Grausamkeit bey solcher Schönheit wohne?

Du lebest der Natur und Menschlichkeit zum Hohne.

Du bist ein harter Fels, durch deinen Widerstand!

So ändre dich einmal! erlaube mir die Hand,

Und laß mich selbige, mein Leiden zu versüßen,

Aus treuer Zärtlichkeit mit heißen Lippen küssen.

ATALANTA zieht die Hand weg.

Was soll das Kinderspiel? Geh, schäm dich, Corydon!

Wenn du das weiter thust, so geh ich gar davon.[415]

Und müßt ich itzo nicht mit dir Erbarmen tragen,

So würd ich wahrlich dich viel härter von mir jagen.

MENALKAS.

Das ist zu viel gesagt! Was soll das Ungestüm?

Der Schäfer liebet dich, und du begegnest ihm,

Wie man mit Feinden spricht? Wo hast du das gelernet?

Das heißt sich ganz und gar von Schäferart entfernet.

Vermeld ihm nur einmal, daß du dich schon versagt;

So wird ein jeder fliehn, der dich bisher geplagt:

Allein so lange noch dein Herz in Freyheit lebet,

So lange wird gewiß nach deiner Gunst gestrebet.

Befreye dich davon durch eine kluge Wahl.

Doch wenn ichs sagen soll; so hat mir allemal

Der Schäfer Corydon in seinem Thun gefallen:

Erwähle wenigstens dir einen unter allen.

ATALANTA.

Du, Bruder, quälst mich auch? ist das für Brüder recht?

Man schränkt ja ohnedem das weibliche Geschlecht

Durch harte Regeln ein. Bald soll man gar nicht lieben,

Bald reizt man wider uns zu gar verhaßten Trieben.

Geh, armer Corydon, doch zu Myrtillen hin:

Geh, lern aus seiner Art den edlen Eigensinn,

Den keine Schönheit rührt. Was gilts? du wirst dich fassen,

Und mich inskünftige gewiß zu frieden lassen.

MENALKAS.

Da kömmt er eben her. Doch Schwester, gieb wohl Acht,

Daß dein Verweis ihn auch nicht gar zu zornig macht.


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Herausgegeben von Joachim Birke, Band 2: Sämtliche Dramen, Berlin 1968/1970, S. 414-416.
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