An Seine Königl. Majestät in Pohlen, Herrn Friedrich Augusten, bey dero Geburtsfeste

[343] 1731 den 12 May.


Im Namen eines angeworbenen Studirenden.


Dein jährlich Fest erscheint, großmächtigster August!

Daran dein treues Volk, mit ungemeiner Lust,

Für deine Wohlfahrt fleht; und deines Lebens wegen,

Viel tausend Wünsche pflegt vor Gottes Thron zu legen.

Wie jauchzt nicht abermal dein frohes Sachsenland,[343]

Daß Gott sein theures Haupt, sein Glücks- und Segenspfand,

Bisher erhalten hat! Wie eifrig sieht nicht Meißen

Sein hocherfreutes Volk sich, für dein Heil, befleißen,

Dem Himmel, der dich stärkt, den reinsten Weihrauch weihn,

Und für dein ewig Wohl in Andacht brünstig seyn!

Die treue Lausnitz selbst kömmt auch hinzugetreten,

Erhebt der Hände Paar zum Danken und zum Bethen;

Und schreibt dein Lebensfest zu solchen Tagen an,

Die bey der Bürgerschaft, wie bey dem Ackermann,

Der goldnen Zeit zu Trotz, davon die Fabeln schreiben,

Bis auf die späte Welt ein Wunder sollen bleiben.


Ja, Herr! auch ich, dein Knecht, den Bauzen Bürger heißt,

Verehre diesen Tag mit demuthsvollem Geist.

Mein Vaterland gebeuts, es heischens meine Triebe:

Ach, daß mir Mund und Kiel nur ungehindert bliebe!

Ach! dörfte nur mein Herz, bey allgemeiner Lust,

Nicht voller Kummer seyn; der die beklemmte Brust

In aller Freude stört, und durch erpreßte Zähren,

Mir itzt den Glückwunsch hemmt und meine Pflicht will wehren.


O Held! den jedermann mit Herzenslust erblickt!

O König! dessen Arm den Bürger nie gedrückt!

O Vater! dessen Huld viel tausend Lippen preisen;

Vor Schmerzen kann ich mich voritzt nicht froh erweisen.

Ich war von Jugend auf den Künsten zugethan;

Die Musen führten mich auf ihrem Hügel an:

Minerva tränkte mich mit ihren Nahrungssäften,

Und mein gestärkter Geist kam allgemach zu Kräften:

Nur Mavors störte mich in meiner Aemsigkeit,

Entriß die Feder mir, und trieb mich in den Streit;[344]

Und schlug mir durch die Macht der Waffen, die mich blenden,

Mein liebstes auf der Welt, die Bücher, aus den Händen.


Dieß trug sich damals zu, als deines Heeres Pracht

Europa ganz erstaunt und fast entzückt gemacht;

Als deine Schaaren, Herr! in leichten Hütten wohnten,

Und in der Kriegeskunst nicht Schweiß, nicht Kräfte schonten.

Was ferner da geschah und aller Welt gefiel,

Und was dich ewig macht, das schreibt schon mancher Kiel

In den Geschichten auf. Ich hab es auch gesehen:

Doch ist es nur aus Zwang und sonder Lust geschehen.

Die Musen lagen mir noch allezeit im Sinn,

Und zogen meinen Geist noch stets nach Bauzen hin;

Wo meine Schüler noch nach ihrem Lehrer fragten,

Und ihre Lehrbegier zu keinem andern wagten.

Da war mein ganzes Herz, im Lager nur der Leib;

Die Waffen schienen mir ein saurer Zeitvertreib:

Und da sie Tausenden die schönste Lust erwecken;

So wollte dennoch mir die rauhe Kost nicht schmecken.


Die bloße Hoffnung, Herr! hat mich bisher genährt,

Es hätte nun mein Gram die längste Zeit gewährt.

Man hat mirs zugesagt, mich wieder frey zu nennen,

Sobald sich von Zeithäyn das Lager würde trennen.

Dieß ist bereits geschehn: das ganze Jahr ist voll,

Doch wünsch ich noch den Tag, der mich befreyen soll!

Ich wünsche; doch umsonst! Ich bitte; doch vergebens!

Und kürze, durch den Gram, die Hälfte meines Lebens.


O König! rühret dich ein treuer Unterthan:

So schaue meinen Schmerz und meine Wehmuth an.

Ich habe dir gedient, und bin dir treu gewesen:

Drum laß mich auch nunmehr den Abschied wieder lesen.

Wo man gezwungen geht, da bleibt man stets zurück;[345]

Nur was man gerne thut, befördert unser Glück.

Wenn dir mein Dienst bisher noch brauchbar hat geschienen:

So will ich dir weit mehr durch Buch und Feder dienen.

Es fehlt an Leuten nicht in deiner Länder Zahl,

Die dir zu Tausenden, mit Pulver, Bley und Stahl,

Zu dienen fertig stehn, und alles für dich wagen:

Nur ich bin ungeschickt, die Waffen recht zu tragen.


Nun, Herr! ich bin getrost und voller Zuversicht:

Denn du verschmähest mich und meine Klagen nicht.

Den Musen bist du hold, und pflegst sie auch zu schützen:

Drum wird dein Gnädigseyn auch meiner Wohlfahrt nützen.

Ein Wort macht mich beglückt. Sprich nur ein Wort, o Held!

So wird mein ganzes Glück auf einmal hergestellt;

So wird mein froher Mund, zugleich mit Bauzens Weysen,

Die meine Schüler sind, dein Vaterherze preisen.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 343-346.
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