Bey dem Hochadelichen Beylager des Königl. und Churfl. Sächs. Herrn Oberberghauptmanns von Kirchbach Hochwohlgebohrnen

[332] Im Namen der deutschen Gesellschaft in Leipzig.


1729.


Wir sehn zwar, theurer Mann, voll deutscher Redlichkeit!

Die Hochzeitfackeln nicht, so Hymen dir geweiht:

Doch ehren wir entfernt die Glut so reiner Kerzen,

Und fühlen einen Trieb bey deiner Lust zu scherzen.

Die Musen, die mit dir so gern beschäfftigt sind,

Und das genaue Band, das uns mit dir verbindt;

Dein Geist, Geschmack, Verstand und deutschgesinntes Wesen,

Das alles, und die Pflicht giebt dir dieß Blatt zu lesen.[332]


Wer so, wie du, gelebt, und wenn er sich vermählt,

Nicht nach gemeiner Art erhitzter Jugend wählt;

Vernunft und Tugend sucht, und lieber Seelengaben,

Als ein entzückend Bild im Arme wünscht zu haben;

Wem nicht des Goldes Glanz die Augen blenden kann,

Und wenn er größtentheils sein Vatergut verthan,

Den ausgeleerten Schatz in guten Stand zu bringen,

Den Geldsack, nicht die Braut, ins Hochzeitbett läßt zwingen;

Wer nicht aus blinder Lust dem ersten Liebreiz weicht,

Erst der Verstellung Flor vom Angesichte streicht,

Darinn die Schönen sich fast überall verstecken,

Und als ein weiser Mann die Herzen kann entdecken;

Kurz, wer vernünftig freyt, der freyet so, wie du;

Dem folget Lust und Glück, dem schneyt der Segen zu;

Dem giebt sein Hochzeittag durch süße Morgenblicke,

Nur einen Vorschmack ab, von zehnfach größerm Glücke.


Doch, edler Bräutigam! dein künftiges Gemahl

Bestraft auch äußerlich nicht die getroffne Wahl.

Die Anmuth der Gestalt, die reizenden Geberden,

Gang, Stellung und Person sind werth geliebt zu werden.

Du wählst, wie Opitz that. Verwirf das Beyspiel nicht,

Du weist, daß man von ihm mit vielem Lobe spricht.

Er war ein Edelmann, obgleich nicht so gebohren;

Sein Stamm entstund mit ihm und gieng mit ihm verlohren.

Du liebst die Dichtkunst auch, und legest den Geschmack

Des Schwans von Boberfeld, durch Proben, an den Tag;

Und weist, daß ein Poet am allerbesten wisse,

Was küssenwürdig ist, und was man lieben müsse.

Was liebte nun der Mann? Die lange Vandala.

Ihn band das schwarze Haar der wilden Flavia.

Die letzte, wie er schreibt, »mit ihren schwarzen Augen,

Könnt ihm so Mark als Blut aus Bein und Adern saugen.«

Freund! siehe da, dein Bild. Was Opitz einzeln fand,

Geht dir in deiner Braut verschwistert an der Hand.[333]

Es schießt ein heißer Stral aus deiner Vitzthum Blicken;

Ihr cederngleicher Leib kann deinen Geist entzücken,

Und ihr pechschwarzes Haar vergleichet sich der Nacht,

Die aller Sterne Glanz gedoppelt heiter macht.

Das heißt ja, wohl gewählt! Das heißt vernünftig lieben!

Wer tadelt wohl die Glut von deinen keuschen Trieben?


Noch mehr, was sie gesucht, das fand sie bloß in dir;

Wie du, was dich vergnügt, sonst nirgends, als in ihr.

Dein Herz verrieth sich längst. Bereits auf hohen Schulen,

Wo Seelen deiner Art nur um die Musen buhlen,

Hast du, wenn Lust und Wein bey Freunden Scherz erweckt,

Von deiner Buhlschaft uns den Abriß schon entdeckt:

Daß man verwundernd sieht, wie schön es dir geglücket,

Da dich ein solch Gemahl, als du entwarfst, bestricket.

Doch du besiegst auch sie. Dein wohlberedter Mund

That deinen Antrag ihr mit solchen Worten kund,

Daß sie bezwungen ward. Die edle Philurene,

Ganz Sachsen nennt dich noch das Muster edler Söhne

In der Beredsamkeit. Die Königinn erblich,

Und deine Zunge pries ihr Lob so meisterlich,

So edel, so belebt, daß jeder Schmuck der Alten,

Der Römer Plinius, nicht viel voraus behalten.

Das macht, du hattest dich der Weisheit ganz geweiht,

Dein bester Zeitvertreib, war die Gelehrsamkeit,

Die Wissenschaft dein Spiel, die Sprache dein Ergetzen,

Die so viel Kluge schon der Uebung würdig schätzen.

Wer liebt sein Vaterland und dessen Mundart mehr?

Wer kennt wohl ihre Kraft und Zärtlichkeit so sehr,

Als du sie kennst und liebst? Wenn andre trotzig pochen,

Weil sie das dritte Wort mit Sylben unterbrochen,

Die weder wälsch, latein, noch recht französisch sind;

Wenn andre diesen Wust aus Wahn und Einfalt blind,

Als Lehrer in der Kunst den Deutschen angepriesen:

Hast du, beredter Freund! das Gegentheil gewiesen.[334]

Die Probe liegt im Druck, dadurch du, wie man weis,

Nur neulich unter uns, den aufgesetzten Preis,

Mit Ruhm gewonnen hast. Wer sie nur selbst gelesen,

Wird wissen, wie gerecht das Urtheil hie gewesen.


Wir schweigen, edler Freund! daß du ein Bergmann bist,

Der in Metall und Erz und Schachten kundig ist;

Den selbst August bestellt, die Klüfte zu besorgen,

In welchen die Natur ihr theures Mark verborgen.

Dieß ist des Landes Dienst, des Fürsten Hauptgewinn!

Genug: du eilst und zeuchst bereits nach Freyberg hin,

Und fährest glücklich ein. Die treuen Arbeitsleute

Erblicken dein Gemahl vergnügt an deiner Seite,

Und stimmen schon ihr Spiel. Ihr männlicher Gesang

Begleitet dich und sie, durch den beliebten Klang,

Bis in das Schlafgemach. Wir wollen dich nicht stören:

Hier mußt du Lieb und Lust, und nicht die Musen, hören.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 332-335.
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