V Abschnitt.

[409] Von den zusammengesetzten Zeitwörtern, und

andern abweichenden Arten derselben.


(Verbis Compositis & Anomalis.)


1 §.


Aus der bisher erzählten, an sich schon ziemlich großen Menge, der einfachen Zeitwörter, wird nun durch die Zusammensetzung eine noch weit größere Menge zuwege gebracht; um alle die verschiedenen Begriffe des Thuns und Leidens, im Deutschen auszudrücken. Diese Zusammensetzung aber geschieht mit allerley kleinen Redetheilchen, oder Syllben, die den Zeitwörtern theils vor, theils nachgesetzet werden. Es sind dieselben zweyerley. Einige vereinigen sich damit so genau, daß sie denselben ganz unzertrennlich anhangen, und ihren Platz in allen Veränderungen des Zeitwortes nicht verlassen: und diese nennet man untrennbare Zusätze, (PARTICULAS INSEPARABILES:) die andern aber stehen bald vor, bald hinter dem Zeitworte, und können also gar wohl trennbare Zusätze (PARTICULAE SEPARABILES) heißen. Von beyden wollen wir handeln.

2 §. Der untrennbaren giebt es nicht mehr, als folgende siebzehn:


After, als afterreden, er afterredet, sie afterreden etc.

Be, als befinden, begrüßen, besehen, bevollmächtigen etc

Emp, als empfangen, empfehlen, empfinden etc.

[409] Ent, als entstehen, entsprießen, entwenden etc.

Er, als erfinden, ergeben, erhöhen, ersehen etc.

Ge, als gedeihen, gelüsten, gerathen, gewinnen etc.

Hinter, als hinterbleiben, hintergehen, hinterlassen etc.

Mis, als misfallen, mislingen, misrathen etc.

Verab, als verabfolgen, verabreden, verabscheiden etc.

Ver, als veranstalten, vergeben, vergehen, verschlagen etc.

Verun, als verunehren, verunglimpfen, verunzieren etc.

Voll, als vollbringen, vollenden, vollziehen etc.1

Über, als überdenken, übergeben, übernehmen etc.

Um, als umgeben, umringen, umzäunen etc.

Unter, als unterfangen, unternehmen, unterstehen etc.

Ur, als Urkunden, urtheilen, und mit dem obigen be, beurlauben, oder mit ver, verursachen.

Zer, als zerreißen, zerstören, zertrennen u.s.w.


3 §. Wenn nun einer von diesen Zusätzen vor ein Zeitwort zu stehen kömmt, dessen Hauptbedeutung zu bestimmen und zu verändern2: so bleibt derselbe die ganze Abwandelung hindurch, sein unzertrennlicher Gefährt, und das zwar ohne Unterschied; das Zeitwort mag richtig, oder unrichtig fließen. Z.E. Ich bese he, ich besah, ich habe besehen, ich werde besehen, besieh, besehet, u.s.w. ich bestelle, ich bestellete, bestellet, bestellen, bestelle du, u.s.w. Ja es ist so genau an dasselbe gebunden, daß es auch das ordentliche Merkmaal der völlig vergangenen Zeit, ge, von seiner Stelle verdringt. Denn da es sonst heißen müßte, begesehen, begestellet, oder gebesehen, gebestellet: so muß das ge hier heraus, und fällt also gar weg: außer bey etlichen, die es vor sich treten lassen: als misbrauchen, gemisbrauchet, Urkunden, geurkundet, welches aber auch die einzigen sind.[410]

4 §. Derjenigen Zusätze hingegen, die sich von ihrem Zeitworte trennen lassen, ist eine größere Anzahl. Es sind lauter kleine Vorwörterchen, die auch sonst für sich gebrauchet werden können: daher kömmt es eben, daß sie sich nicht so gar genau an ihr Zeitwort binden wollen; sondern sich zuweilen ziemlich weit von ihm verlaufen, welches dann den Ausländern sehr fremd vorkömmt. Wir wollen ein Verzeichniß davon sehen:


Abgehen. herziehen.

anheimstellen.herzunahen.

antragen.hinlangen.

aufstehen.hinanwerfen.

auslegen.hinabsteigen.

beyfügen.hinaufklettern.

darthun.hinausgehen.

darangehen.hindansetzen.

daraufhalten.hineinkommen.

davonlaufen.hinterherlaufen.

daruntermischen.hinübertreten.

darwiderhandeln.hinzutreten.

darzwischenlegen.innenhalten.

durchwischen.mitmachen.

einflechten.nacheilen.

fortlaufen.niederwerfen.

gleichkommen.obwalten.

heimführen.überladen.

herabsteigen.übereinstimmen.

herannahen.umbringen.

heraufkommen.unterlegen.

herausfordern.vollschütten.

herbeytragen.vorlegen.

herdurchwaten.voranrücken.

hereintreten.vorausgehen.

hervorblicken.vorbeyfahren.

hernachtraben.vorübereilen.

herniederfallen.weggeben.

herüberkommen.wiederkommen.

herumtragen.zuwenden etc.

heruntersteigen.


5 §. Wenn nun ein Zeitwort mit einem von diesen Zusätzen abgewandelt werden soll, so bleibt selbiger nicht etwa vor demselben stehen, wie die unabsonderlichen; sondern er tritt in der gegenwärtigen und jüngstvergangenen Zeit, hinter dasselbe: wie die Muster einer richtigen und unrichtigen Abwandelung[411] zeigen werden. Dieses ist hier noch anzumerken, daß die Syllbe ge, die oben verstoßen ward, hier bleibt; aber so, daß sie zwischen das Zeitwort und den Zusatz zu stehen kömmt. Z.E. von anschlagen, kömmt angeschlagen; von vorbethen, vorgebethet. Eben das gilt von dem Wörtchen zu, in der unbestimmten Art. Denn von anzeigen, kömmt anzuzeigen; von fortlaufen, fortzulaufen, u.d.m.


IV Abwandelung


eines zusammengesetzten Zeitwortes.


Die anzeigende Art.Die verbindende Art.


Gegenwärtige Zeit.


Ich fodre heraus,Daß ich heraus fodere,

Du foderst heraus, du heraus foderest,

Er fodert heraus. er heraus fodere.

Wir fodern heraus,wir heraus fodern,

Ihr fodert heraus, ihr heraus fodert,

Sie fodern heraus. sie heraus fodern.


Jüngst vergangene Zeit.


Ich foderte heraus,Daß ich heraus foderte,

Du fodertest heraus, du heraus fodertest,

Er foderte heraus. er heraus foderte.

Wir foderten heraus,Daß wir heraus foderten,

Ihr fodertet heraus, ihr heraus fodertet,

Sie foderten heraus. sie heraus foderten.


Völlig vergangene Zeit.


Ich habe – –Daß ich herausgefodert habe,

Du hast – – du – – – habest,

Er hat herausgefodert. er – – – habe.

Wir haben – –Daß wir herausgefodert haben,

Ihr habet – – ihr – – – habet,

Sie haben herausgefodert. sie – – – haben.


[412] Die anzeigende Art.Die verbindende Art.


Längst vergangen.


Ich hatte – –Daß ich herausgefodert hätte,

Du hattest – – du – – – hättest,

Er hatte herausgefodert. er – – – hätte.

Wir hatten – – –Daß wir herausgefodert hätten,

Ihr hattet – – – ihr – – – hättet,

Sie hatten herausgefodert. sie – – – hätten.


I. Die Ungewisse künftige Zeit.


Ich will – – –Daß ich herausfodern wolle,

Du willst – – – du – – – wollest,

Er will herausfodern. er – – – wolle.

Wir wollen – – –Daß wir herausfodern wollen,

Ihr wollet – – – ihr – – – wollet,

Sie wollen herausfodern. sie – – – wollen.


II. Die gewisse.


Ich werde – – –Daß ich herausfodern werde,

Du wirst – – – du – – – werdest,

Er wird herausfodern. er – – – werde.

Wir werden – – –Daß wir herausfodern werden,

Ihr werdet – – – ihr – – – werdet,

Sie werden herausfodern. sie – – – werden.


III. Die bedingte.


Ich würde – – –Daß ich herausfodern würde,

Du würdest – – – du – – – würdest,

Er würde herausfodern. er – – – würde.

Wir würden – – –Daß wir herausfodern würden,

Ihr würdet – – – ihr – – – würdet,

Sie würden herausfodern. sie – – würden.


Die gebiethende Art.Die unbestimmte Art.


Gegenw. Z.Fodere du heraus.Gegenw. Z.Herausfodern.

FodertVergang. Z.Herausgef. haben.

ihr heraus.

Künftig. Z.Lasset unsKünft. Zeit.Herausf.

herausf.werden.

Ihr sollet herausf.Supin.Heraus zu fodern

Sie sollen herausf.Gerund.Im herausfodern,

Vom herausfodern,

Zum herausfodern.

Mittelw.Ein herausfodernder.[413]


6 §. Nun sollten wir noch die leidende Gattung von diesem Zeitworte hersetzen. Allein, es würde ein Überfluß seyn, wenn wir es thäten; da es nichts besonders hat, sondern sich ganz nach dem obigen richtet. Doch wollen wir zum Überflusse die erste Person aller Zeiten, und die gebiethende, nebst der unbestimmten Art mittheilen. Sie heißen so:


Anzeigende Art.Verbindende Art.


Gegenwärtige Zeit.


Ich werdeDaß ich

herausgefodert etc.herausgefodert werde.


Jüngstvergangene Zeit.


Ich wardDaß ich

herausgefodert etc.herausgefodert würde.


Völlig vergangene Zeit.


Ich binDaß ich sey

herausgefodert worden.herausgef. worden.


Längst vergangene Zeit.


Ich warDaß ich wäre

herausgef. worden.herausgef. worden.


Künftige Zeit.


Ich werdeDaß ich werde

herausgef. werden etc.herausgef. werden.


Gebiethende Art.


Gegenw. Z. Werde du herausgefodert, werdet ihr herausgefodert.

Vergang. Z. Lasset uns herausgefodert werden,

Ihr sollet herausgefodert werden,

Sie sollen herausgefodert werden.


Unbestimmte Art.


Gegenw. Z. Herausgefodert werden.

Vergang. Z. Herausgefodert worden seyn.

Künftige Z. Werden herausgefodert werden.

Supin. Herausgefodert werden.


Mittelwort.


Vergang. Z. Ein Herausgefoderter.


7 §. Nun müssen wir noch ein unrichtiges Zeitwort ansehen; und da soll uns zu Ersparung des Raumes, eins von der Mittelgattung zum Muster dienen. Es sey das Wort davonkommen.


[414] Muster eines zusammengesetzten unrichtigen Zeitwortes von der Mittelgattung.


Die anzeigende Art.Die verbindende Art.


Gegenwärtige Zeit.


Ich komme davon,Daß ich davonkomme,

Du kömmst davon, du davonkommest,

Er kömmt davon. er davon komme.

Wir kommen davon,Daß wir davonkommen,

Ihr kommet davon, ihr davonkommet,

Sie kommen davon. sie davonkommen.


Jüngstvergangene Zeit.


Ich kam davon,Daß ich davonkäme,

Du kamst davon, du davonkämest,

Er kam davon, er davonkäme.

Wir kamen davon,Daß wir davonkämen,

Ihr kamet davon, ihr davonkämet,

Sie kamen davon. sie davonkämen.


Völlig vergangene Zeit.


Ich bin – –Daß ich davongekommen sey,

Du bist – – du – – – seyst.

Er ist davongekommen. er – – – sey.

Wir sind – –Daß wir davongekommen seyn.

Ihr seyd – – ihr – – seyd,

Sie sind davongekommen. sie – – seyn


Längstvergangene Zeit.


Ich war – –Daß ich davongekommen wäre,

Du warest – – du – – wärest,

Er war davongekommen. er – – wäre.

Wir waren – –Daß wir davongekommen wären,

Ihr waret – – ihr – – wäret,

Sie waren davongekommen. sie – – wären.


[415] I. Die ungewiß, künftige Art.


Ich will – –Daß ich davonkommen wolle,

Du willst – – du – -wollest,

Er will davonkommen. er – – wolle.

Wir wollen – –Daß wir davonkommen sie

– – wären.

Ihr wollet – – ihr – -wollet,

Sie wollen davonkommen. sie – – wollen


II. Die gewisse.


Ich werde – –Daß ich davonkommen werde

Du wirst – – du – – werdest

Er wird davonkommen. er – – werde

Wir werden – –Daß wir davonkommen werden

Ihr werdet – – ihr – – werdet

Sie werden davonkommen. sie – – werden


III. Die bedingte.


Ich würde – –Daß ich davonkommen würde,

Du würdest – – du – – würdest,

Er würde davonkommen. er – – würde.

Wir würden – –Daß wir davonkommen würden,

Ihr würdet – – ihr – – würdet,

Sie würden davonkommen. sie – – würden.


Die gebiethende Art.Die bestimmte Art.


Gegenw. Z.KommeGegenw. Z.Davonkommen,

du davon,

KommetVerg. Z.Davongekommen seyn.

ihr davon.Davongekommen seyn.

Künft. Z.Ihr solletKünft. Z.Davon kommen

davon k.werden.

Sie sollenSup.Davongekommen seyn.

davon kommen.

Gerund.Im davonkommen.

Zum

davonkommen.


Mittelwörter.


Ein davonkommender.Ein davongekommener.


II. Das Hülfswort, mit einem Beyworte.


8 §. Mit diesen zusammengesetzten Zeitwörtern haben eine große Verwandtschaft die mit Mittelwörtern, Vorwörtern[416] oder Beywörtern verbundenen Hülfswörter. Z.E. Ich bin beliebt, ich bin traurig, zornig, ich habe genug, ich werde gut, oder günstig, u.d.m. Man muß sich diese und dergleichen Redensarten fleißig aus Büchern, und aus dem Umgange merken; denn es steht nicht frey, sie nach Belieben zusammen zu setzen: und sie machen eine eigene Schönheit der deutschen Sprache aus, wenn man sie recht brauchet. Aber es klingt auch sehr widrig, wenn man sie unrecht zusammen nimmt; als wenn gewisse Provinzen sprechen: ich bin bange: denn hier müßte es heißen: mir ist bange3! Z.E. Wie ist mir doch so herzlich bange! So wenig man also sagen kann, mir ist traurig: so wenig kann es auch heißen, ich bin bange, ich bin angst.

9 §. Die Abwandelung solcher Verbindungen aber, kann demjenigen keine Schwierigkeit machen, der die Hülfswörter selbst, nach dem ersten Abschnitte dieses Hauptstückes recht inne hat. Sie gehen nach einerley Regel damit fort, und das Mittelwort, oder Beywort, oder Nebenwort bleibt unveränderlich. Z.E.


G.Z.Ich bin beliebt.Ich habe genug,

Wir sind beliebt.Wir haben genug.

J.V.Ich war beliebt.Ich hatte genug.

Wir waren beliebt.Wir hatten genug.

V.V.Ich bin beliebt gewesen,Ich habe genug gehabt,

Wir sind beliebt gewesen.Wir haben genug gehabt.

L.V.Ich war beliebt gewesen,Ich hatte genug gehabt,

Wir waren beliebt gewesen.Wir haben genug gehabt.

U.K.Ich will beliebt seyn,Ich will genug haben,

Wir wollen beliebt seyn.Wir wollen genug haben.

[417] G.K.Ich werde beliebt seyn,Ich werde genug haben,

Wir werden beliebt seyn,Ich werde genug haben,

B.K.Ich würde beliebt seyn,Ich würde genug haben,

Wir würden beliebt seyn.Wir würden genug haben.

G.A.Sey beliebt, seyd beliebt etc.Habe genug, habet genug.

U.A.Beliebt seyn.Genug haben.

Beliebt gewesen seyn,Genug gehabt haben.

Beliebt werden,Genug haben werden.

Beliebt zu seyn, u.d.m.Genug zu haben.


10 §. Eben so gehen verschiedene andere solche Verbindungen, darinnen noch irgend ein Fürwort vorkömmt. Z.E. Ich bin dir gut, ich habe dich lieb, ich werde ihm gram; ich will ihm wohl; ich lasse ihn los, u.d.m. Denn hier ist es eben so viel, als ob dieses so viel zusammengesetzte Zeitwörter wären: gutseyn, liebhaben, gramwerden, wohlwollen, loslassen, u.s.w. zu welchen aber nur die Person gesetzet würde, darauf sie sich beziehen sollen. Mehrerer Deutlichkeit halber, wollen wir die erste Person aller Zeiten hersetzen.


Gut seyn.


Ich bin dir gut,

Ich war dir gut,

Ich bin dir gut gewesen,

Ich war dir gut gewesen,

Ich will dir gut seyn,

Ich werde dir gut seyn,

Ich würde dir gut seyn.

Sey mir gut etc.


Gramwerden.


Ich werde ihm gram,

Ich ward ihm gram,

Ich bin ihm gram geworden,

Ich war ihm gram geworden,

Ich will ihm gram werden,

Ich werde ihm gram werden,

Ich würde ihm gram werden,

Ihm gram geworden seyn,

Ihm gram zu werden etc.


Liebhaben.


Ich habe dich lieb,

Ich hatte dich lieb,

Ich habe dich liebgehabt,

Ich hatte dich liebgehabt,

Ich will dich liebhaben,

Ich werde dich liebhaben,

Ich würde dich liebhaben.

Habe mich lieb etc.


Wohlwollen.


Ich will ihm wohl,

Ich wollte ihm wohl,

Ich habe ihm wohlgewollt,

Ich hatte ihm wohlgewollt,

Ich will ihm wohlwollen,

Ich werde ihm wohlwollen.

Ich würde ihm wohlwollen.

Ihm wohlgewollt haben,

Ihm wohl zu wollen etc.


[418] III. Zurückkehrende Zeitwörter. (RECIPROCA.)


11 §. Es giebt auch eine Art der Zeitwörter, deren Bedeutung gleichsam rückwärts auf denjenigen geht, der sie ausspricht; oder sich auf die Art wirksam erzeiget. Als, ich ärgere mich, ich bescheide mich, ich erfreue mich, ich gräme mich, ich quäle mich, ich rühme mich, ich tröste mich, ich vergnüge mich, ich unterstehe mich, ich zermartre mich, u.d.gl. Es können aber dieselben übrigens sowohl richtige, als unrichtige Abwandelungen haben; und ihre Anzahl ist ziemlich groß, die man aber aus dem Lesen und Umgange lernen muß. Wir wollen von beyden Arten ein Muster geben; doch nur die Anfänge der verschiedenen Zeiten hersetzen, nach welchen sich alle einfache, mit unabsonderlichen Zusätzen vereinigte Zeitwörter richten.


Sich ermannen.Sich befleißen.


Ich ermanne mich,Ich befleiße mich,

Du ermannest dich,Du befleißest dich,

Er ermannet sich.Er befleißt sich.

Wir ermannen uns,Wir befleißen uns,

Ihr ermannet euch,Ihr befleißet euch,

Sie ermannen sich.Sie befleißen sich.

Ich ermannete mich,Ich befliß mich,

Ich habe mich ermannet,Ich habe mich beflissen,

Ich hatte mich ermannet,Ich hatte mich beflissen,

Ich will mich ermannen,Ich will mich befleißen,

Ich werde mich ermannen,Ich werde mich befleißen,

Ich würde mich ermannen,Ich würde mich befleißen,

Ermanne dich,Befleiß dich,

Ihr sollet euch ermannen,Ihr sollet euch befleißen,

Sich ermannet haben,Sich beflissen haben,

Sich zu ermannen etc.Sich zu befleißen etc.


12 §. Wie aber diese Art sich auch auf solche Zeitwörter erstrecket, die mit absonderlichen Redetheilchen zusammengesetzet sind: also müssen wir auch zeigen, wie alsdann die Abwandelung aussieht. Z.E. sich etwas einbilden, und[419] sich etwas herausnehmen, sind ein Paar solche Wörter, theils von richtiger, theils von unrichtiger Abwandelung. Das vornehmste davon ist folgendes:


Ich bilde mir etwas ein,Ich nehme mir etwas heraus,

Du bildest dir etwas ein,Du nimmst dir etwas heraus,

Er bildet sich etwas ein.Er nimmt sich etwas heraus.

Wir bilden uns etwas ein,Wir nehmen uns etwas heraus,

Ihr bildet euch etwas ein,Ihr nehmet euch etwas heraus,

Sie bilden sich etwas ein.Sie nehmen sich etwas heraus.

Ich bildete mir etwas ein,Ich nahm mir etwas heraus,

Ich habe mirIch habe mir

etwas eingebildet,etwas herausgenommen,

Ich hatte mirIch hatte mir etwas

etwas eingebildet,herausgenommen,

Ich will mirIch will mir

etwas einbilden,etwas herausnehmen,

Ich werde mirIch werde mir

etwas einbilden,etwas herausnehmen,

Ich würde mirIch würde mir

etwas einbilden,etwas herausnehmen,

Bilde dir etwas ein,Nimm dir etwas heraus,

Ihr sollet euchIhr sollet euch

etwas einbilden,etwas herausnehmen,

Sich etwasSich etwas

eingebildet haben.herausgenommen haben,

Sich etwas einzubilden.Sich etwas heraus zu nehmen.


Eben so gehen auch, sich emporschwingen, sich niederlassen, sich Mühe geben, sich worauf verlassen, u.d.gl.


13 §. Endlich giebt es noch zusammengesetztere Redensarten, die gleichwohl hieher gehören, und ebenfalls durch alle Zeiten abgewandelt werden können. Zu Mustern sollen uns folgende dienen.


Ich mache mich breit damit,Ich thue mir etwas zu gute,

Du machest dich – –Du thust dir – – –

Er machet sich – –Er thut sich – – –

Wir machen uns breit damit,Wir thun uns etwas zu gute,

Ihr machet euch – –Ihr thut euch – – –

Sie machen sich – –Sie thun sich – – –

Ich machte mich breit damit,Ich that mir etwas zu gute,

Ich habe mich breitIch habe mir etwas

damit gemachet,zu gute gethan,

Ich hatte mich breit – –Ich hatte mir – – –[420]

Ich will michIch will mir etwas

breit damit machen,zu gute thun,

Ich werde mich – – machen,Ich werde mir – – –

Ich würde mich – – machen,Ich würde mir – – –

Mache dich breit damit,Thu dir etwas zu gute,

Ihr sollet euchIhr sollet euch etwas

breit damit machen,zu gute thun,

Sich damit breit machen.Sich etwas zu gute thun,

Sich damit breitSich etwas zu

gemachet haben,gute gethan haben,

Sich damit breit zu machen.Sich etwas zu gute zu thun.


Die verbindende Art setzet die Wörter etwas anders herum.


Daß ich mich breit damit mache,Daß ich mir etwas zu gute thue,

– – – breit damit machete,– – – zu gute thäte,

– – – gemachet habe,– – – zu gute gethan habe,

– – – gemachet hätte,– – – – – hätte,

– – machen wolle,– – – – thun wollte,

– – – machen werde,– – – – thun werde,

– – – machen würde.– – – – thun würde.


IV. Die unpersönlichen Zeitwörter.


(IMPERSONALIA.)


14 §. Es giebt auch noch eine ziemliche Anzahl solcher Zeitwörter, die man weder von sich selbst, noch von einem andern Dinge sagen kann, weil sie eigentlich weder ein Thun, noch ein Leiden andeuten. Man saget sie aber überhaupt, von Begebenheiten, Veränderungen in der Natur, Pflichten, Gewohnheiten und Sitten der Menschen. Diese haben nun die gewöhnlichen Fürwörter, ich, du, er, nicht vor sich stehen; sondern nehmen dafür ein es zu sich; welches zu allen Zeiten gesetzet werden kann. Z.E. Es regnet, es schneyt, es friert, es dauet, es gebühret sich, es geziemet sich, es trägt sich zu, es begiebt sich; u.d.m. Ja, diese Redensarten werden wohl bisweilen noch weitläuftiger; als: es will verlauten, es geht die Rede,[421] es ist nicht Sitte im Lande, es ist etwas unerhörtes, u.d.gl. Sie richten sich aber alle nach folgenden Mustern, wovon das eine richtig, das andere unrichtig fließt.


Anzeigende Art.Verbindende Art.


Ein richtiges.


Es geziemet sich,Daß es sich gezieme,

Es geziemete sich,sich geziemete,

Es hat sich geziemet,sich geziemet habe,

Es hatte sich geziemet,sich geziemet hätte,

Es will sich geziemen,sich geziemen wolle,

Es wird sich geziemen,sich geziemen werde,

Es würde sich geziemen.sich geziemen würde.


Ein unrichtiges.


Es friert,Daß es friere,

Es fror,fröre,

Es hat gefroren,gefroren habe,

Es hatte gefroren,gefroren hätte,

Es will frieren,frieren wolle,

Es wird frieren,frieren werde,

Es würde frieren,frieren würde.

Es soll frieren.Es soll gefroren haben, u.s.w.


15 §. Indessen nehmen auch andere Zeitwörter bisweilen diese unpersönliche Gestalt an. Denn so gut ich sagen kann, ich erfreue mich, ich betrübe mich, ich vergnüge mich, ich ärgere mich, ich ergötze mich, ich belustige mich, u.d.m. eben so wohl kann man sagen: es erfreuet, es betrübet, es vergnüget, es ärgert mich, es ergetzet, es belustiget mich. Ja, in dieser Art der Zeitwörter scheinen auch die übrigen Personen und Zahlen gar wohl statt zu finden; wie folgendes Muster zeiget.


Die anzeigende Art.Die verbindende Art.


Gegenwärtige Zeit.


E. Es vergnüget mich,Daß es mich vergnüge,

es vergnüget dich.es dich vergnüge,

es vergnüget ihn.es ihn vergnüge.

[422] V. Es vergnüget uns,Daß es uns vergnüge,

es vergnüget euch,es euch vergnüge,

es vergnüget sie.es sie vergnüge.


Eben so gehen auch die übrigen Zeiten:


Es vergnügte mich,Daß es mich vergnügete,

Es hat mich vergnüget,vergnüget habe,

Es hatte mich vergnüget,vergnüget hätte,

Es will mich vergnügen,vergnügen wolle,

Es wird mich vergnügen,vergnügen werde,

Es würde mich vergnügen.vergnügen würde.


16 §. Indessen giebt es auch unpersönliche, die das Ich, Du, Er, vorne gar nicht leiden, und doch nach dem vorigen Muster, das mich, dich, ihn, uns, euch, sie, hinter sich annehmen. Z.E. Es verdreußt mich, länger zu leben, wie dort Jonas saget. Dieses ist nun ein wahrhaftes unpersönliches Zeitwort; da die vorigen nur den Schein davon hatten. Ich will seine Abwandelung zum Überflusse noch hersetzen.


Es verdreußt mich, dich,Daß es mich, dich, ihn

ihnverdrieße,

Es verdreußt uns, euch,es uns, euch, sie

sie,verdrieße,

Es verdroß mich, dich,daß es mich, dich, ihn

ihn,verdrösse,

Es verdroß uns, euch,uns, euch, sie

sie,verdrösse,

Es hat mich, dich, ihndaß es mich, dich, ihn

verdrossen,verdrossen habe,

Es hat uns, euch, sieuns, euch, sie

verdrossen,verdrossen habe,

Es hatte mich, dich, ihndaß es mich, dich, ihn

verdrossen,verdrossen hätte,

Es hatte uns, euch, sieuns, euch, sie

verdrossen,verdrossen hätte,

Es will mich, dich, ihndaß es mich, dich, ihn

verdrießen,verdrießen wolle,

Es wird mich, dich, ihnmich, dich, ihn

verdrießen,verdrießen werde,

Es würde mich, dich, ihnmich, dich, ihn

verdrießen.verdrießen würde.[423]


So wie nun dieses mit der vierten Endung der Fürwörter aussieht: so werden auch einige mit der dritten verbunden. Z.E. Es geziemet mir, dir, ihm, uns, euch, ihnen; es gebühret mir, dir, ihm, u.s.w. Es gehöret mir, dir, ihm, u.s.f. Doch ist weiter nichts dabey zu bemerken4


17 §. Die zweyte Art der unpersönlichen Wörter sind die, welche anstatt der Fürwörter, das man vor sich haben. Dieses brauchet man, wenn die rechte Person ungewiß ist; oder wenn man ein Bedenken trägt, sie zu nennen; als: man saget, man glaubet, man hat Nachricht, man hoffet, man bildet sich ein, u.d.gl.m. Ja, es ist bey den Schriftstellern eine Art der Bescheidenheit geworden, wenn sie von sich selbst reden wollen, nicht ich, oder wir, sondern man zu brauchen: z.E. Man hat sich bemühet, dieses so oder so abzuhandeln; man will sich nicht rühmen, alles getroffen zu haben; man schmäuchelt sich mit keiner Vollkommenheit; u.d.gl. Allein, übrigens verändert dieses man in der Abwandelung der Hauptwörter nichts. Es heißt allemal wie oben: Man saget, man sagete, man hat gesaget, man hatte gesaget, man will, wird oder würde sagen. Man glaubet, man versichert, man läugnet, man zweifelt, u.a.m. gehen eben so. Nur wenn noch hinten ein Fürwort zu stehen kömmt, als: man läugnet mir, dir, ihm; oder man versichert mich, dich, ihn: so kommen wiederum, dem Scheine nach, die Personen hinein, wie oben gewiesen worden.


[424] V. Die altväterische Abwandelung mit Thun.


18 §. Man höret in einigen Reichsstädten unter Handwerksleuten noch eine Art, die Zeitwörter abzuwandeln, die vorzeiten auch in Schriften gewöhnlich war, und die bey den Engländern noch diese Stunde im Schwange geht5. Man bedienet sich hier des Wortes thun mit seiner Abwandelung, alle Zeiten, Zahlen und Personen zu bilden: das hauptsächliche Zeitwort aber bleibt unverändert in der unbestimmten Art. Z.E. anstatt ich esse, ich gehe, ich reise, saget man, ich thue essen, gehen, reisen; und so ferner, ich that essen, gehen, reisen. Ich habe essen gethan, ich hatte essen gethan, ich werde essen thun. So schrieb noch Opitz:


Ein fettes Haselhuhn,

Darnach die Bürger sonst die Finger lecken thun.


Doch diese Art zu reden und zu schreiben, ist heutiges Tages lächerlich geworden, und gilt kaum unter Handwerksburschen und in altväterischen Reichsstädten noch. Man muß aber damit die Redensarten böses oder gutes thun, kund thun, sanft thun, weh thun, wohl thun, zu wissen thun, zu Gefallen thun, zu Liebe thun, nicht vermengen: denn diese gehören zu den zusammengesetzten Zeitwörtern, wovon oben die Muster gegeben worden.

Fußnoten

1 Die Syllbe voll ist bey einigen Zeitwörtern auch ein trennbarer Zusatz: als vollgießen, vollmachen, u.d.m. Denn hier heißt es, ich gieße voll, ich mache voll; nicht, ich vollgieße, ich vollmache. Eben das ist von unter zu merken, denn in unterlegen, trennet es sich: er legete unter etc. imgleichen von um, welches bey umbringen, auch getrennet wird; er brachte ihn um. Imgleichen bey einigen das über, z.E. überfahren, überkochen, überlegen, von einigen körperlichen Sachen u.s.w.


2 Was dieselben für eine Kraft und Bedeutung haben, das hat Wachter, in der Einleitung zu seinem kleinen GLOSSARIO GERMANICO, am besten gewiesen.


3 Man fraget mich, ob das schlechter ist, als ich hungere? Antwort: In gewissen Fällen, wenn ich sagen will, daß ich Lust zu Essen habe, ist, mich hungert, recht. Allein, um zu sagen, man bekäme nichts zu essen, so saget man: sie essen und trinken soviel sie wollen; wir aber hungern und dursten. Wie schicket sich nun das ich bin bange hieher?


4 Bey einigen von diesen Wörtern ist es zweifelhaft, ob man sie mit der dritten oder vierten Endung brauchen soll. Z.E. Es dünket, und es däucht, werden von vielen bald so, bald anders gebrauchet. Mich anlangend, so finde ich bey den besten Schriftstellern, und in den meisten Fällen, mich dünket; und mir däucht. Dieses will ich also auch andern zu brauchen anrathen. Man wendet mir ein, weil dünken, so viel als scheinen heißt, so müsse es gleichfalls die dritte Endung haben. Allein, folget das? Bitten und betteln, heißen einerley: nehmen sie aber einerley Endung an? Kann man sagen, ich bettle dich?


5 I DO SEE, LIVE, HOPE, GIVE, d.i. ich thue sehen, leben, hoffen, geben, heißt nichts mehr, als ich sehe, lebe, hoffe, gebe, u.d.gl. Und das bekannte How Do Ye Do? Wie thut ihr thun? heißt eigentlich bey ihnen: Wie befindet ihr euch?[425]


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 8, Berlin und New York 1968–1987, S. 409-426.
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