I. Kapitel
Auf den Hochfürstlichen Geburtstag des regierenden Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen. 1728.

[613] So brich denn an, erwünschtes Licht!

Verkläre den beglückten Morgen,

Sonst wird des Himmels Angesicht,

Von unserm Haupte Stralen borgen.

Von Günthern, der dem Phöbus gleicht,

Der Wissenschaften ehrt und liebet,

Die Künste schützt, die Meister übet,

Den Musen selbst die Lorbern reicht.


Wohlan, es weicht der Schatten Macht,

Aurora fängt schon an zu prangen,

Sie streicht den dunklen Flor der Nacht,

Ganz munter von den Rosenwangen.

Der Sonnen Gold streut Blitz und Glanz

Auf die gewölkten Himmelsbogen;

Sie blickt schon aus den Wasserwogen,

Sie zeigt sich halb, und endlich ganz.


Willkommen, angenehmes Fest!

Geweihter Jahrstag unsers Prinzen!

So oft dein Licht sich spüren läßt;[613]

Erquickst du Völker und Provinzen.

Du hast zuerst vergnügt gesehn

In jener schönen Purpurwiegen,

Die Lust des treusten Landes liegen:

O wär es auch von mir geschehn!


O! zeigten sich noch itzt einmal

Die glück- und lusterfüllten Stunden,

Da sich bey Wünschen, ohne Zahl,

Der theure Günther eingefunden.

Da Hof und Bürger, Stadt und Land,

Bey der Geburt, so sie erfreute,

Sich tausend Gutes prophezeihte,

Sich schon in Hoffnung glücklich fand.


Doch nein! der wirkliche Genuß,

Von Günthers sanftem Regimente,

Besiegt der Hoffnung schwachen Schluß,

So sicher ihn die Ahndung nennte.

Wir schmecken mehr, als man gehofft.

Er nährt und schützt mit Vaterhänden:

Man will ihm gern das Herz verpfänden,

Allein er selbst beschämt uns oft,


Der Weisheit hold, der Thorheit feind,

Der Bürger Trost, des Landes Sonne:

Der Bösen Furcht, der Guten Freund,

Der Unterthanen Lust und Wonne,

Wes ist das Bild? Wo trifft es ein?

Sprich, sage, frohes Sondershausen!

Mich dünkt, man hört die Antwort sausen:

Wer kann das sonst, als Günther seyn?


Ja, theurer Fürst! wer ist wie du

Der Tugend sanft, den Lastern strenge,[614]

Ein reicher Quell von Glück und Ruh,

Ein Muster in der Fürsten Menge?

Uns rührt kein misvergnügter Neid,

Ihr unermeßlichweiten Staaten!

Wenn ihr bey harten Potentaten,

Nicht Kinder, sondern Sclaven seyd.


Die Liebe streitet diesen Tag,

Sie kämpft und ringt auf beyden Seiten,

Und sinnt, so gut sie weis und mag,

Auf Anmuth, Pracht und Lustbarkeiten.

Wenn bald das Haupt sein Volk ergetzt,

Und bald das Volk sein Haupt verehret;

Wird jeder, der es sieht und höret,

Entzückt, und aus sich selbst gesetzt.


Ach möchte das Verhängniß doch

Den Tag noch funfzigmal erneuren!

So könnte Pflicht und Treue noch

Dieß Fest auf späte Zeiten feyren.

Gott geb es! raffet Land und Stadt:

Gott geb es! schallt das Echo wieder;

Gott geb es, wünschen meine Lieder,

Wo Schmeicheley kein Antheil hat.


Auf das Absterben der (Tit.) Fr. Prasidentinn und Cammerherrinn von Bünau. 1728.

Ist mir je ein Lied gelungen,

Deutsche Musen, meine Lust,

Wenn ich mit entzückter Brust

Euren Tönen nachgesungen:

O! so stimmt mir itzt die Seyten,

Rührt mir selber Hand und Herz,[615]

Helft mir unsers Bünaus Schmerz

Zu der Gattinn Gruft begleiten;

An die Gruft, wo Stein und Sand

Seine Wehmuth mit empfand.


Seufzer, Thränen, Lob und Klagen

Wechseln hier in reicher Zahl,

Seit Morbona sein Gemahl

Starr und kalt dahin getragen.

Seht! wie er die matten Hände

Ueber dieser Leiche ringt;

Hört! sein trüber Ruf durchdringt

Auch der Gräber düstre Wände:

Bis er in der dicksten Nacht

Selbst die Schatten traurig macht.


Wie die prächtigen Narcissen,

Die ein Sturmwind hingerafft,

Voller Glanz, Geruch und Kraft,

Ihrer Blüthen Schönheit schliessen:

Die verletzten Kronen sinken

In das abgestreifte Laub,

Wo sie, zwischen Gras und Staub,

Die geschmolznen Schlossen trinken:

Ach! wer kann, was da geschehn,

Ohne Schmerz und Beyleid sehn?


So verwelkt Augustens Blüthe,

So verschwindet Pracht und Zier,

Anmuth und Gestalt an ihr,

Gaben, von besondrer Güte!

Harte Parcen! haltet innen,

Reißt noch nicht den Faden ab:

Denn auf ein so theures Grab

Werden tausend Thränen rinnen;

Thränen, deren heiße Fluth

Oft dem Schicksal Einhalt thut.[616]


Doch umsonst! die Kräfte schwinden,

Stirn und Lippen werden Eis,

Und ein tropfenreicher Schweis

Läßt sich auf den Wangen finden.

Mitten unter Angst und Wehe,

Blickt ihr halb gebrochner Stral

Auf den jammernden Gemahl,

Auf die Pfänder ihrer Ehe:

Endlich thut der schwache Mund

Den betrübten Abschied kund.


Liebstes Herz! getreuste Seele!

Meiner Tage Trost und Licht,

Schaue, wie mein Auge bricht,

Denn ich muß zur Todtenhöle.

Habe Dank für deine Liebe,

Dank für alle Zärtlichkeit:

Denke künftig jederzeit

Unsrer stets verneuten Triebe;

Ausser welchen in der Welt

Mich sonst nichts zurücke hält.


Lebet wohl! ihr zarten Erben,

Ach! wie heftig rührt ihr mich!

Selbst mein Herz ermuntert sich,

Und will euch zu gut nicht sterben.

Liebste Pflanzen, holde Zweige,

Wachset, blüht und traget Frucht,

Folget eures Vaters Zucht,

Wenn ich gleich die Scheitel neige.

Und wenn euch mein Grab betrübt,

Denkt, daß ich euch auch geliebt.


Ach ihr Musen! laßt mich wissen,

Wie der Wittwer sich gekränkt,[617]

Als sie drauf das Haupt gesenkt,

Und der Tod den Geist entrissen.

Starke Seelen klagen selten,

Doch, wenn solch ein Fall sie rührt,

Muß der Gram, den sie gespürt,

Doppelt, ja wohl zehnfach gelten.

Wer verwirft denn seine Quaal,

Um ein solches Ehgemahl?


Nein! er klagt mit vollem Rechte;

Der Verlust, den er erfährt,

Ist fürwahr bedaurens werth,

Und betrübt ein groß Geschlechte.

Könnt ich doch mit rechten Bildern,

Theurer Döring, deine Noth,

Um der Tochter frühen Tod,

Und der Freunde Thränen schildern:

O! so würde solche Pein

Nirgends sonder Wirkung seyn.


Könnt ich doch die Seufzer zählen,

Die des Hofes Traurigkeit

Ihrer Leiche schon geweiht:

Denn wer kann den Schmerz verhelen?

O so wollt ich – – – doch vergebens!

Wähle dir, verirrter Kiel,

Die Erblaßte selbst zum Ziel,

Und den Vorzug ihres Lebens;

Der, wenn man sie gleich begräbt,

Doch in unsern Herzen lebt.


Treue Brüder der Poeten,

Wahre Schüler der Natur,

Kommt und helft und theilt euch nur,

In die Pflichten unsrer Flöten.[618]

Malt der schönen Glieder Prangen,

Malt den langen Körper ganz,

Malt der muntern Augen Glanz,

Sammt den vollen Liljenwangen.

Geist und Tugend soll allein

Meiner Lieder Inhalt seyn.


Doch, wer faßt so edle Gaben

In ein allzuenges Blatt?

Wer, wie sie, nichts gleiches hat,

Muß ein hohes Loblied haben.

Neukirch müßte sie besingen,

Dem, wenn er die Laute nimmt,

Phöbus selbst die Seyten stimmt,

Daß sie Wald und Felsen zwingen:

Dann wollt ich mich unterstehn,

Ihm von ferne nachzugehn.


Aber nein! kein fremdes Loben,

Keine Dichtkunst gnüget hier:

Theurer Bünau! bloß von dir,

Wird sie nach Verdienst erhoben.

Wie dort Canitz, reich an Trauren,

Seiner Doris Aschenkrug

Singend ins Gewölbe trug,

Ihren Abschied zu bedauren:

So bist du allein geschickt,

Zu beklagen, was dich drückt.


Schlug ein Meister in Gedichten

Dort sein künstlich Seytenspiel:

Hier verewigt sie dein Kiel,

In unsterblichen Geschichten.

Da du Deutschlands alte Thaten

Aus der Vorwelt Nebel zeuchst,[619]

Und der Helden Lob erreichst;

Wird dir auch ein Buch gerathen,

Wo uns dein erhabner Geist,

Deiner Gattinn Abriß weist.


Schreibe dann mit regen Sinnen,

Was vorlängst dein Herz empfand,

Als es sich zu ihr gewandt,

Ihre Liebe zu gewinnen.

Schreibe von den reinen Küssen,

Die dich sieben Jahr ergetzt;

Schreibe, was dich itzt verletzt,

Da sie dir der Tod entrissen:

Dieß ist einzig, großer Mann,

Was dich wieder trösten kann.


Dann erhebe dich von neuen,

Deinen Aemtern nachzugehn,

Und den Musen vorzustehn,

Die sich deiner Aufsicht freuen.

Kömmst du nun an unsre Linden,

Wo der Künste Wohnplatz ist,

Deren Haupt und Schmuck du bist;

So laß deinen Schmerz verschwinden:

Regt er aber dennoch sich,

O so denk auch einst an mich.


Auf Ihro Durchl. der regierenden Fürstinn zu Schwarzburg-Sondershausen Geburtsfest, in fremdem Namen.

Der schönste Lenz kann nicht so sehr

Die aufgelebte Welt erquicken;

Wenn Sonn und Wärme mehr und mehr[620]

Dem Norderpole näher rücken:

Des Monden voller Frühlingsschein,

Kann nie so schön und heiter seyn,

Nie Herz und Augen so ergetzen:

Als dieses Festes Pracht und Lust,

Durchlauchte Fürstinn! unsre Brust

In Freud und Wonne weis zu setzen.


Der jüngst verwichne letzte Merz

Hat vormals dich der Welt geschenket,

Und deiner Unterthanen Herz

Schon oft mit vieler Lust getränket.

Denn, Landesmutter, solch ein Tag,

Erlaube, daß mans sagen mag,

Erscheint nicht allzuoft auf Erden;

Daran zu unserm Glück und Ruh

Dergleichen Fürstenhaupt, als du,

Pflegt an das Licht gebracht zu werden.


Du bist an Hoheit, Geist und Witz

Ein Muster großer Prinzessinnen;

Die Tugend selbst kann ihr zum Sitz

Kein fürstlicher Gemüth gewinnen.

Der Gaben hohe Trefflichkeit,

Der Gnadenblicke Seltenheit,

Die Anmuth und die Pracht der Glieder,

Das alles reizt zwar dich zu sehn,

Wiewohl, wenn solches kaum geschehn,

Schlägt Ehrfurcht uns das Auge nieder.


Wenn Neid und Zwiespalt anderweit,

Gleich ungestümen Meeren, brausen;

So schmückt das Gold der Einigkeit

Das Ruh erfüllte Sondershausen.

Die Eintracht wirft den hellen Blick[621]

Auf unsrer Fürsten Fried und Glück,

Und schwert, hier ewiglich zu grünen:

Die Vorsicht sieht der Eintracht zu,

Und segnet selbst die edle Ruh

Von Günthern und von Albertinen.


So künstlich Feder, Glock und Rad

Ihr Meister in der Uhr verbunden,

Wenn Zahl und Schlag sich nie zu spat,

Auch nie zu zeitig eingefunden.

So augenscheinlich, hohes Paar,

Ist auch bisher so manches Jahr

Dein süßes Liebesband gewesen:

Wenn Ehstand oft ein Wehstand hieß,

So war er hier ein Paradies,

Wo ihr des Friedens Frucht gelesen.


Dieß alles hat zwar Stadt und Land

Schon längst verwundrungsvoll gesehen,

Doch hat es niemand mehr erkannt

Als es von meiner Brust geschehen.

Die Fürstenhuld, Durchlauchte Zwey!

Die eures Knechtes Dienst und Treu

Aus Staub und Niedrigkeit gezogen;

Die Gnade, so mich itzt noch trägt,

Beschützt, versorgt, erhält, verpflegt,

Hat mich noch mehr dazu bewogen.


Der Himmel segne stets dein Haus,

Du Lust des Landes, Albertine!

Es weiche Leid und Furcht hinaus,

Daß Glücke, Freud und Lust ihm diene.

Es müsse dieses Festes Pracht,

Das selbst das Schicksal herrlich macht,

Gemahl und Volk noch oftmals feyren:[622]

So wird auch deines Knechtes Brust

Die heut empfundne Jubellust,

So lang ich Odem hab, erneuren.


Auf eine Bürgerhochzeit in Leipzig 1729. in fremdem Namen.

Schöner Frühling, komm und labe

Komm und labe Stadt und Land!

Zeuch durch Florens Wunderhand,

Gras und Blumen aus dem Grabe.

Unsrer Gärten welke Pracht

Ist durch späten Schnee verletzet:

Da uns sonst der Lenz ergetzet,

Schreckt uns itzt der Kälte Macht;

Daß die Knospen auf den Bäumen,

Furchtsam sind hervor zu keimen.


Seht! die zärtlichen Narcissen

Strecken kaum ihr Haupt empor:

So erschrecken sie davor,

Daß sie Frost empfinden müssen.

Auch die Tulpen sind erstarrt,

Und ersterben in der Wiegen:

Eh sie noch hervor gestiegen,

Wird ihr junges Blatt verscharrt.

Ja man sieht auf Feld und Fluren,

Kaum der Saaten erste Spuren.


Selbst den lauten Nachtigallen,

Giebt noch kein belaubter Wald

Den gewünschten Aufenthalt,

Echo hört sie noch nicht schallen.[623]

Auch die Schwalben sind noch scheu,

Die sich sonst auf unsern Gassen,

Häufig sehn und hören lassen,

Durch ihr zwitscherndes Geschrey:

Bey des Nordwinds rauhem Wehen

Muß ihr Nest noch ledig stehen.


Selbst der hart gewöhnten Lerche,

Der beliebten Sängerinn,

Fällt die Lust zum Singen hin:

Und wie zittern unsre Störche?

Die gereut ihr früher Zug,

Wollen fast den Rückweg nehmen:

Denn sie scheinen sich zu schämen,

Weil ihr übereilter Flug,

Eh der Winter noch verschwunden,

Sich in Meissen eingefunden.


Auch das Volk verbuhlter Frösche,

Das in lauen Sümpfen heckt,

Wird dieß Jahr zu spät erweckt;

Denn wo hört man ihr Gewäsche?

Wo sie noch auf Schnee und Eis,

Mit den kalten Füssen hüpfen;

Können sie sich nicht verknüpfen;

Wieder der Natur Geheiß:

Ja sie werden unterdessen

Ihr Gekröchze gar vergessen.


Bey dem allen, werthe Beyde,

Dient euch doch der Ehestand,

Durch ein sanftes Liebesband,

Statt der schönsten Frühlingsfreude.

Ihr verlachet Schnee und Frost;

Wenn der Lenz gleich aussen bliebe,[624]

Labt euch doch die Lust der Liebe,

Als die beste Frühlingskost.

Küßt kein Zephir die Narzissen;

Amor lehrt euch besser küssen.


Trotzet dann den rauhen Tagen,

Trotzt der stürmischkalten Zeit,

Laßt der Lüfte Wiedrigkeit,

Euch fein früh zu Bette jagen.

Folget, wenn euch Hymen rufft;

Mag das Wetter auf der Erden,

Künftig doch noch kälter werden,

Ja es fülle Schnee die Luft;

Eure Heyrath vor dem Mäyen

Darf und wird euch niemals reuen.


Laßt euch nicht im Schlafe stören,

Wenn gleich bald nach Mitternacht

Sich Aurora fertig macht,

Ihren Kindern zuzuhören:

Wenn gleich Titan selbst erscheint,

Und an manchem kühlen Morgen

Der verliebten Träume Sorgen,

Durch sein Licht zu hemmen meynt.

Wiederholt auch beym Erwachen,

Kuß und Scherz und Lust und Lachen.


Bringet künftig eure Jahre

Gleich dem schönsten Lenzen zu,

Daß man nichts als Fried und Ruh,

Glück und Heil von euch erfahre.

Euer Beyder frohes Haus

Blüh auf späte Zeit im Segen;

Denn um seiner Wohlfahrt wegen,

Brech ich in den Glückwunsch aus:[625]

Daß ein unverrückt Gedeihen

Euren Ehstand soll erfreuen.


Seyd vergnügt, ihr Hochzeitgäste,

Hola! kommt und schenkt mir ein!

Bräutigam, dieß Gläschen Wein

Schmeckt uns allen auf das Beste.

Gießt es mir noch einmal voll;

Gießt, und liefe gleich was über.

Denn es heißt: Je mehr, je lieber,

Wenn man sich berauschen soll.

Gut, das neue Paar soll leben,

Und uns bald was Kleines geben!


Auf Sr. Durchl. des regierenden Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt anders Beylager, in fremdem Namen.

Erfüllt das jüngst erneute Jahr

Mit neuem Glanze, neuer Freude,

Auch Euer Haus, Durchlauchte Beyde!

Auch dich, gepriesnes Fürstenpaar!

Und hat Aurorens später Schimmer,

Nach überstandner längsten Nacht,

Auch in dein hohes Hochzeitzimmer

Ein lusterfülltes Licht gebracht:

So laß auch deiner Knechte Singen,

Den Zuruff für dein Glück zu deinen Ohren bringen.


Gott Lob! der trübe Trauerflor

Sinkt Rudolstadt vom Angesichte,

Die Kummernacht weicht Hymens Lichte,

Und treibt so manchen Wunsch empor.[626]

Der Fürstenhof gleicht einem Garten,

Der nach des Winters Schnee und Eis,

Mit tausend frischen Blumenarten,

Den Gärtner zu vergnügen weis:

Doch allen Schmuck, der ihn erhebet,

Dem Himmel selbst verdankt, der seinen Grund belebet.


Durchlauchter Fürst! Dein heitrer Blick,

Sammt deiner Fürstin Trefflichkeiten,

Vermehren jetzt das Gold der Zeiten,

Und deines treuen Landes Glück.

Der Bürger sieht mit frohem Herzen

Der neuen Hochzeitfackeln Schein,

Und glaubt, daß so viel helle Kerzen

Ihm so viel Glücksgestirne seyn;

Und spürt bey seines Hauptes Trieben,

Von neuem einen Zug, dich unverrückt zu lieben.


Auch wir, die Philurenens Schooß

Als treue Musenkinder nähret,

Wo uns Minervens Stral verkläret,

Sind dergestalt der Schmerzen los.

Wir klagten jüngst bey deinen Thränen,

Und jauchzen jetzt bey deiner Lust;

Und diese reizt uns zu erwähnen,

Was Rudolstadt zwar längst gewußt,

Doch niemals nach Verdienst erhoben:

Wie rein und zärtlich wir dein sanftes Herrschen loben.


Des Himmels Huld bestimmte dir,

Nach deiner ersten Gattinn Leichen,

Ein wiederholtes Gnadenzeichen,

Durch aller Prinzeßinnen Zier.

Sein Auge sah' sogleich Christinen,

Aus Frießlands fürstlichem Geschlecht.[627]

Drauf hieß es: Diese soll mir dienen,

Sie sey der Lohn für meinen Knecht:

Weil Gandersheims geweihter Orden

Bisher nach Herzenswunsch von ihr gezieret worden.


Des Höchsten Schlüsse fehlen nicht.

Man hörte bald aus Famens Munde:

Sophia tritt zum holden Bunde,

Wo Amor ihr die Kränze flicht.

Sie hatt' ihr Herze Gott geweihet;

Das hebt der Ehstand gar nicht auf.

Und da sich Stadt und Land erfreuet;

So folget Glück und Segen drauf:

So wird ihr Beyspiel künftig lehren,

Wie glücklich Bräute sind, die Gottes Wink verehren.


Es sey so! rufft ganz Rudolstadt,

Es sey so! wünschet Volk und Adel,

Dieß neue Band ist ohne Tadel,

Dieweil es Gott zum Stifter hat.

Durchlauchter Fürst, dein mildes Wesen,

Dein gnadenreiches Angesicht

Scheint auch den Musen auserlesen,

Und treibet sie zu ihrer Pflicht:

Und Phöbus läßt dir mit Ergetzen,

Den lusterfüllten Wunsch zu deinen Myrthen setzen.


Dein neuer Ehstand, theurer Fürst,

Sey deine Lust, der Bürger Wonne,

Die du, als deines Landes Sonne,

Mit Licht und Kraft beseelen wirst.

Es diene dir ein stetes Glücke!

Dein Ehstand sey an Segen reich!

Und siehst du einst auf uns zurücke,

So denk an unsre Treu zugleich;[628]

Die dich zu ihrer Lust erkohren,

Und deinem Namen Preis, dir Ehrfurcht zugeschworen.


Auf eines Anhaltzerbstischen Hofjunkers von Kospoth Ableben, in fremdem Namen.

Vertieft euch nur, verwöhnte Seelen,

Im Schlamme schnöder Eitelkeit!

Verbannt den Staub der Todtenhölen

Zu ewiger Vergessenheit!

Die blasse Furcht vor Grab und Leichen

Macht keinen von der Sichel frey:

Morbona rufft: Es bleibt dabey!

Ihr Menschenkinder müßt erbleichen!


Es sey nun, daß in frohen Jahren

Die Wangen voller Rosen stehn;

Es sey, daß bey gebleichten Haaren

Die Schenkel schwach und wankend gehn;

Es sey, daß Schönheit, Gold und Titel

Das Vorrecht edler Seelen sind:

Der Tod schlägt alles in den Wind,

Und webt uns doch den Sterbekittel.


Ihr Weisen! schreibt nur in die Bücher,

Die Tugend mache Göttern gleich:

Euch selbst bedecken Grabetücher,

Ihr selber müßt ins Todtenreich.

Die aufgelösten Geister dringen

In das gewölbte Sternenzelt:

Wer zweifelt dran? Doch in der Welt

Muß sie vorher der Tod bezwingen.[629]


O träfen solche Trauerlieder

Nur nicht bey tugendhaften ein!

So dürften Kospoths kalte Glieder

Kein Beyspiel dieser Wahrheit seyn:

So dürften wir bey Gram und Thränen,

Die uns sein Abschied ausgepreßt,

Bey seinem welken Ueberrest,

Uns nicht nach unserm Freunde sehnen.


Wer war, wie er, an Muth und Jugend,

An Witz, Verstand und Anmuth reich?

Wie herrlich sprach er von der Tugend?

Wie zärtlich liebt er sie zugleich?

Wie that er noch vor wenig Wochen

Ihr übergroßes Wesen kund,

Indem sein wohlbegabter Mund

Ihr himmelhohes Lob gesprochen.


Ists wahr, daß hochbetagte Schwanen

Des nahen Todes Einbruch sehn;

Und sich den Weg zum Sterben bahnen,

Wenn sie zuletzt noch singend flehn:

So hat auch mit beredter Zungen

Der Seligste, bevor er schied,

Ein unvergleichlich Schwanenlied,

Zum Ruhm der Tugend, abgesungen.


Das war die Frucht von seinem Wissen,

Die Wirkung der Gelehrsamkeit,

Darauf er sich mit Ernst beflissen,

Seit dem er sich der Kunst geweiht.

Das war der Vortheil kluger Reisen,

Da manches weit entlegne Land

An ihm bereits ein Muster fand,

Die eigne Jugend drauf zu weisen.[630]


Kein aufgeblasnes stolzes Wesen

Hat seinen Wandel je verstellt;

Sein Blick und Wort war auserlesen,

Sein Umgang eine Lust der Welt.

Bescheidenheit! du seltne Gabe!

Du warst ja Kospoths schönster Schmuck.

Wie nun? Ist das nicht Ruhms genug?

Und doch liegt alles das im Grabe.


Doch nein! es sind nur morsche Scherben,

Zerbrochne Hülsen sind es nur.

Die große Seele kann nicht sterben,

Sein Geist war himmlischer Natur.

Ein unauslöschlich Angedenken

Verewigt ihn in unsrer Brust.

O könnt uns dieß die alte Lust,

Nach Schmerz und Kummer wieder schenken!


Auf eine verstorbene Wöchnerinn, in fremdem Namen.

Ach Rahel stirbt! und Jacob weinet,

Kein Schmerz ist seinem Schmerze gleich,

Sein Liebstes fällt ins Todtenreich,

So, daß er gänzlich trostlos scheinet.

Ach! rufft sein hochbestürzter Mund,

Ach! seufzt er mit verwirrten Sinnen,

Mein Allerliebstes eilt von hinnen,

Und trennt der reinsten Liebe Bund.

Ach, Rahel bleibt im Wochenbette!

O daß sie nie gebohren hätte.


Du armer Jacob, deine Plage

Ist unerträglich, ist zu schwer.[631]

Geh, zähle nun die Stunden her,

Da dir dein Schatz in Armen lage.

Gedenk einmal der süssen Zeit,

Da du zuerst ihr Bild erblicket,

Da sie zuerst dein Herz entzücket,

Da du dich ihrer Huld erfreut.

Da du in zweymal sieben Jahren

Fast stündlich neue Lust erfahren.


Ach Schmerzenssohn! Pfand treuer Liebe!

Mußt du der Ursprung meiner Pein,

Die Quelle meines Unglücks seyn?

Ach, daß die Mutter lebend bliebe!

Nun will ich meiner Tage Rest

Mit lauter Gram und Seufzen schliessen;

Nun sollen meine Thränen fliessen,

Bis mich das Schicksal folgen läßt.

Dann soll mein Leichnam mit Vergnügen

Bey dir, geliebter Körper, liegen.


So klagte dort vor grauen Zeiten

Ein Ehmann, der sein Weib verlohr,

Und füllte manch bestürztes Ohr

Durch seiner Gattinn Seltenheiten.

Gekränkter Wittwer, sieh allhier

Ein deutlich Vorbild deiner Schmerzen;

Der Tod reißt dir ein Stück vom Herzen,

Und trennt dein Ehgemahl von dir.

Fürwahr den Schmerz von solchen Wunden

Hat Jacob kaum so stark empfunden.


Ihm blieb die letzte Frucht am Leben,

Sein höchstgeliebter Benjamin;

Dir reißt der Tod gar beydes hin,

Du mußt ihm Sohn und Mutter geben.[632]

Kein Wunder, daß dein matter Geist

Gerührt, bestürzt, erstarrt, erschrocken,

Den bangen Ton der Trauerglocken

Sein angenehmstes Labsal heißt,

Und kaum vermag den treuen Zähren

Der heissen Tropfen Strom zu wehren.


Ja weint nur, weint, ihr Anverwandten!

Was ihr verliert, ist Thränen werth,

Der Unfall, der euch wiederfährt,

Erschüttert alle, so ihn kannten.

Der frommen Hanna Gegenbild,

Das Muster andachtvoller Seelen,

Hat itzt die Wände dunkler Hölen

Durch ihre Glieder ausgefüllt.

Und so wird, eh ihr noch geglaubet,

Euch ihrer Seufzer Kraft geraubet.


Sprecht, sah man nicht in ihren Zimmern,

Allwo sie oft bey Tag und Nacht

Die Zeit mit Bethen zugebracht,

Ein reines Oel des Glaubens schimmern?

Ihr Bibelbuch bezeugt dabey,

Daß sie bey ungestörtem Lesen

Des Geistes Schülerinn gewesen,

Und selbst von Gott gelehret sey:

(Was man ihr auf dem Sarg kann schreiben)

Bis in den Tod getreu zu bleiben.


Das that sie mit gelaßnen Sinnen.

Noch mehr, sie sprach in frommer Ruh,

Den Freunden selbst ein Trostwort zu,

Und schied darauf nach Salems Zinnen.

Betrübte, schaut dieß Muster an,

Ach! nehmt die Todte zum Exempel,[633]

Ihr Herze war der Tugend Tempel,

Drum folgt, drum thut, was sie gethan:

So werdet ihr das Glück erwerben

Dereinst so schön, als sie, zu sterben.


Gebeugter Witwer, laß dein Leiden

Dir als ein Christ zu Herzen gehn,

Du kannst, du wirst es überstehn,

Ja Ungeduld und Murren meiden.

Der Ewigkeit gestirnter Saal

Ist deiner Liebsten Ehrenbühne;

Da prangt itzt deine Wilhelmine,

Da hält sie schon das Abendmahl,

Und freut sich noch im Engelorden,

Daß sie an dich vermählet worden.


An Thalia.

Komm, Thalia, hilf mir lachen,

Ich soll wieder Verse machen,

Aber keine Stacheln drein.

Denn der Welt verkehrtes Wesen

Mag durchaus kein Lied mehr lesen,

War es sonst gleich ungemein;

Wo man nicht von Lumpendingen,

Will als großen Wundern singen.


Drum, ihr Musen, laßt euch rühren,

Reizt mich nicht mehr zu Satiren,

Reizet mich zum Schmeicheln an.

Sagt, was hilft es, daß ich schmähle,

Und der Thoren Thun erzähle?

Kehrt sich doch die Welt nicht dran.

Stimmt mir lieber Rohr und Seyten,

Nach der Lobsucht unsrer Zeiten.[634]


Künstelt Riesen aus den Zwergen,

Maulwurfshügel macht zu Bergen,

Solche Lieder klingen fein.

Fragt nicht: Ob es sich gezieme,

Daß man einen fälschlich rühme?

Itzo packt die Wahrheit ein.

Solch ein Thor verdirbt auf Erden,

Der durch sie beliebt will werden.


Sie erscheint, die Heucheldirne,

Clio, die mit frecher Stirne,

Stümper oft zu Meistern macht.

Priesterinn der Schmeicheleyen!

Dir will ich die Feder weihen,

Nimm sie künftig wohl in acht;

Daß sie nichts nach Würden lohne,

Und der ärgsten Thoren schone.


Wie geschieht mir? Fürst der Musen!

Füllt sich doch mein reger Busen,

Mir ganz neuen Trieben an.

Hört doch, wie ich nach einander

Manchen großen Alexander,

Durch mein Lied vergöttern kann;

Ob er gleich durch eignes Wagen,

Niemals einen Floh erschlagen.


Ach was sind für große Dichter

Unsres Vaterlandes Lichter!

Hört, wie unser Pindus schallt.

Phöbus sitzt umringt von Söhnen,

Und kann kaum die Helfte krönen,

Weil er seinen Lorberwald,

Den wir so verwüstet schauen,

Bloß zu Kränzen kahl gehauen.[635]


Thöricht war die Zahl der Weisen,

So uns die Geschichte preisen,

Gegen unsrer Weisen Zahl.

Groß an Klugheit, jung an Jahren,

Viel gelernt und viel erfahren,

Doch am Kinne glatt und kahl;

Das sind itzo, da ich singe,

Die gemeinsten Wunderdinge.


Ganze Millionen Weiber

Haben itzt so schöne Leiber,

Als das schönste Venusbild.

Nach Lucretiens Exempel

Sind sie lauter Keuschheitstempel,

Nur mit Scham und Zucht erfüllt.

Amors Pfeil und Liebeswunden,

Haben sie noch nie empfunden.


Doch, was mach ich? Clio schweige!

Fleuch mit deiner Heuchlergeige,

Fleuch, verhaßte Lügnerinn!

Andre magst zu schmeicheln lehren,

Ich will bloß die Wahrheit ehren,

Der ich längst ergeben bin.

Komm, Thalia! du Getreue,

Straf und schilt die Welt aufs neue.


Lehre mich die Wahrheit schreiben,

Die der Welt zu Trotze bleiben,

Und sie schamroth machen soll.

Mache täglich Schand und Laster,

Unverstand und Wahn verhaßter,

Zeige stets den alten Groll,

Den du längst der Schaar der Thoren

Angedroht, ja zugeschworen.


An Herrn M. Just Gottfried Rabenern.

[636] Freund, von altem Schrot und Korne,

Deutschgesinnter Ehrenmann,

Phöbus reizt mich itzt zum Zorne,

Daß ich mich nicht halten kann:

Aber sprich, wer hört mir zu?

Werther Rabner, das bist du.


Ruh einmal von deinen Schriften,

Schone deinen scharfen Kiel,

Der dir größern Ruhm wird stiften,

Als mein schlechtes Seytenspiel;

Da zumal der deutschen Welt

Itzt nur Bav und Mäv gefällt.


Heraklit ist auszulachen,

Ists nicht wahr, geliebter Freund?

Der bey allen Lumpensachen

Wie ein altes Weib geweint,

Und was alle Welt ergetzt,

Herber Thränen werth geschätzt.


Sprich, wo hat an allen Ecken,

Süd und Ost und Mitternacht,

Irgend einen ärgern Gecken

An das Licht der Welt gebracht?

Nein, ich weis, fürwahr ich weis,

Heraklit behält den Preis.


Tausend Dank sey euch, ihr Alten!

Die ihr durch manch ewig Blatt,

Uns den Demokrit erhalten,

Dessen Ruhm nichts gleiches hat;

Weil er stets mit ganzer Macht

Aller Thoren Thun verlacht.[637]


Freund, ich weis, du kannst nicht pinseln,

Denn du bist kein Sauertopf:

Und wie schickt sich flehn und winseln,

Für dergleichen muntern Kopf?

Ists nicht wahr? ein kluger Scherz

Labet dir und mir das Herz.


Lache dann von Herzensgrunde,

Lache doch, ich lache mit,

Wenn Serran und Kunigunde

Freudig in den Ehstand tritt;

Bloß weil keins von beyden sieht,

Was ihm schon für Elend blüht.


Lache, wenn die Einfalt pralet,

Und ihr hundertjährig Haus

Marmorähnlich übermalet,

Lache solch ein Babel aus;

Das mit seiner Farben Pracht,

Narrenmasken schamroth macht.


Lache, wenn Pralanders Künste

Weiter nichts als Rauch und Wind,

Weiter nichts als faule Dünste,

Seines kranken Hirnes sind:

Ob ihn gleich die halbe Welt

Für der Klugheit Muster hält.


Lache, wenn Asträens Krone,

Schülern an der Scheitel blitzt,

Bloß weil Themis auf dem Throne

Mit verbundnen Augen sitzt,

Und sich selber zum Verdruß

Jeden Stümper krönen muß.[638]


Lache, wenn sich junge Knaben,

Die den edlen Priscian

Noch nicht halb begriffen haben,

Pilzen gleich hervorgethan,

Und, als Schüler im Latein,

Doch der Weisheit Meister seyn.


Lache! doch du wirst schon wissen,

Was recht lachenswürdig sey.

Es ist Zeit mein Lied zu schliessen,

Fällt dies aber irgend bey,

Daß ich elend Zeug gemacht:

Gut: So sey es ausgelacht!


Das heimliche Anliegen.

Harter Himmel! dein Geschicke

Macht mir täglich neuen Schmerz:

Deiner Fügung rauhe Blicke,

Foltern mein gequältes Herz.

Ich empfinde tausend Plagen,

Tausend Martern und Verdruß;

Die ich aber keinem sagen,

Keiner Seele klagen muß.


Mir allein bekannte Sorgen

Schläfern mich des Abends ein;

Und der angebrochne Morgen

Läßt mich nicht vergnügter seyn:

Denn nach dem verschwundnen Schlummer,

Wird die alte Marter neu;

Ja mein stiller Seelenkummer

Läßt mir keine Stunde frey.[639]


Scheint mein Antlitz gleich vergnüget,

So ist doch der Geist betrübt:

Mein verstelltes Auge trüget;

Wenn es frohe Blicke giebt.

Herz und Seele schwimmt in Zähren,

Wenn der falsche Mund schon lacht.

Ach! wenn wird das Leid sich kehren,

Das mich so verkehrt gemacht!


Ach wenn wird das Licht erscheinen,

Das die Finsterniß zerstreut!

Wenn verwandelt sich das Weinen,

In erwünschte Frölichkeit?

Oeffne, taubes Glück, die Ohren,

Zeige mir den hellen Tag,

Der mich aus den schwarzen Thoren

Dieses Jammers führen mag.


Wohl mir! mein versöhntes Glücke

Spottet meiner Seufzer nicht;

Es verkehrt die finstern Blicke,

In ein heitres Sonnenlicht.

Ach! ein Anblick süßer Freuden,

Stralt mich schon von weitem an,

Glücklich ist, wer nur im Leiden,

Lust und Glück erwarten kan!


Die Zufriedenheit.

Ich such und finde mein Vergnügen

In ruhiger Zufriedenheit.

Drum soll mich Wahn und Eitelkeit

Durch falsche Güter nicht betrügen.

Kann ich vergnügt mit allem seyn;

So ist der ganze Weltkreis mein.[640]


Ihr Fürsten! strebet nur nach Kronen,

Bis ihre Last euch blutig drückt;

Ich schätze mich weit mehr beglückt,

Als alle, die in Schlössern wohnen:

Denn darf ich nur kein Sclave seyn;

So ist der ganze Weltkreis mein.


Ein Geizhals strebet nur nach Schätzen

Und setzet seinem Durst kein Ziel.

Doch, ist er reich, was hilfts ihm viel?

Mein Armuth kann mich mehr ergetzen:

Denn darf ich nur nichts schuldig seyn;

So ist der ganze Weltkreis mein.


Ein reicher Schlemmer lebt im Sause

Und sucht darinn sein Himmelreich:

Allein, die Lust versalzt sich gleich,

Man trägt ihn krank und matt vom Schmause.

Hab ich ein einzig Gläschen Wein;

So ist der ganze Weltkreis mein.


Was gehen mich die stolzen Kleider,

Der Höfe leeres Blendwerk, an?

Wenn ich nicht Purpur tragen kann;

So schwänzt mich auch kein schlauer Schneider.

Ist nur mein Kleid bezahlt und rein;

So ist der ganze Weltkreis mein.


Fortuna! spare deine Gaben

Und mache meine Freunde groß:

Denn sitzen die dem Glück im Schooß,

So werd ich keinen Mangel haben.

Ihr, Werthe! dörft nur glücklich seyn;

So ist der ganze Weltkreis mein.[641]


Doch, sollt ich einen Thron besteigen,

Ich würd ihn meiner Chloris weihn.

Wiewohl mein Reichthum ist sehr klein;

Ich hab ein Herz, das ist ihr eigen!

Wird ihrs dafür das meine seyn;

So ist der ganze Weltkreis mein.


Hat Salomon gleich tausend Frauen,

Er hat auch tausendfache Noth.

Ich habe kaum für eine Brod;

Doch der kann ich mein Herz vertrauen.

Wird sie mir nur beständig seyn;

So ist der ganze Weltkreis mein.


So such und find ich mein Vergnügen

In ruhiger Zufriedenheit:

So soll mich Wahn und Eitelkeit

Durch falsche Güter nicht betrügen.

Ich kann vergnügt mit allem seyn;

Drum ist der ganze Weltkreis mein.


Ein Trinklied aus dem französischen übersetzt.

Man strebet vergebens die Wahrheit zu finden,

Wofern uns nicht Bachus die Sinnen erhitzt;

So konnten die Alten die Weisheit ergründen,

Wenn ihnen die Stirne vom Weine geschwitzt.

Ja freylich, vom Trinken erwacht der Verstand:

Dieß hat schon Hippokrates weislich erkannt,

Der selber verordnet, so wie mich bedünket,

Wohl dem, der sich jährlich ein paarmal betrinket!


Der göttliche Sokrates, den wir so loben,

Gieng oftmals ins Wirthshaus und schenkte voll ein;[642]

Wenn seine Xantippe begunnte zu toben,

Vergrub er die Grillen in griechischem Wein:

Wer schämt sich nun dessen, was dieser erkannt?

Und was auch Hippokrates dienlich befand;

Der selber verordnet, so wie mich bedünket,

Wohl dem, der sich jährlich ein paarmal betrinket!


Der prächtige Plato wird göttlich genennet,

Das macht, er bewies sich im Schmausen nicht dumm:

Denn die Philosophen, die er nur gekennet,

Die bath er zu Gaste, und trunk frisch herum.

Da wieß er im Wählen der Weine Verstand:

Ihm war des Hippokrates Regel bekannt,

Der ernstlich befohlen, so wie mich bedünket,

Wohl dem, der sich monatlich einmal betrinket!


Auch selbst Aristoteles mochte nicht dürsten;

Das zeigt uns sein Schüler in Asien an:

Was hat Alexander, das Schrecken der Fürsten,

Mit Gläsern und Waffen für Thaten gethan?

Oft hat er beym Trunke die Wahrheit erkannt,

Die vor ihm Hippokrates dienlich befand;

Der selber verordnet, so wie mich bedünket:

Wohl dem, der sich monatlich zweymal betrinket!


Diogenes, spricht man, hat Wasser gesoffen;

Doch bilde sich niemand die Unvernunft ein:

Ich glaubs nicht und will es auch nimmermehr hoffen,

Er kroch in die Tonne, denn die roch nach Wein.

Drauf hat er die hölzerne Schale verbannt,

Und trank wie Hippokrates nützlich befand;

Der selber verordnet, so wie mich bedünket:

Wohl dem, der sich wöchentlich einmal betrinket!


Demokritus war schon dem Charon im Nachen,

Doch als er den Wein nur zu riechen bekam,[643]

Entgieng er des Todes gefährlichem Rachen,

Und lebte drey Tage den Parcen zur Scham.

Da sieht mans! der Tod wird durchs Trinken verbannt,

Wie solches Hippokrates weislich erkannt;

Der selber verordnet, so wie mich bedünket:

Wohl dem, der sich wöchentlich zweymal betrinket!


Man liest, Heraklitus hab immer geweinet:

Das klingt nun in Wahrheit für Männer nicht fein.

Doch wie mir aus allem ganz deutlich erscheinet,

So quollen die Thränen vom häufigen Wein.

Denn dadurch hat er sich die Schwermuth curirt,

Wie selber Hippokrates weislich verspürt;

Der ernstlich befiehlet, so wie mich bedünket:

Wohl dem, der sich täglich ein paarmal betrinket!


Wo bleibt Epikurus, der Meister im Schmausen?

Der führte das Essen und Trinken recht ein!

Was haben wir Menschen doch, weil wir hier hausen,

Für bessere Güter, als Lachen und Wein?

Die übrigen Grillen sind Irrthum und Tand:

Drum thut, was Hippokrates nützlich befand;

Der weislich verordnet, so wie mich bedünket:

Wohl dem, der sich täglich ein paarmal betrinket!


Das hat auch Galenus, der treffliche Lehrer!

Im zehnten Capitel vom Weine gesagt:

Der ist ja vom Trinken ein rechter Verehrer,

Weil er die HUMORES PECCANTES verjagt,

Und alles Geblüte recht purificirt,

Wobey er Hippokrates Regel anführt,

Der selber verordnet, so wie mich bedünket:

Wohl dem, der sich täglich und stündlich betrinket!


Auf eine vorgeschriebene Melodie für einen andern.

[644] Schönste Augen, holde Kerzen,

Die ihr mir zur Marter brennt.

Ihr entzündet tausend Herzen,

Doch was hilfts, daß man euch kennt?

Ueberall stralt euer Licht.

Nur mich Armen seht ihr nicht.


Dreht euch doch, ihr süßen Blicke,

Auch auf ein verschmachtend Herz;

Zieht euch nicht so schnell zurücke,

Denn von euch entspringt mein Schmerz.

Habt ihr mich nun selbst verwundt;

Ey! so macht mich auch gesund.


Wüßtet ihr nur was ich denke,

Wenn ihr mich so gar verschmäht;

Und indeß, daß ich mich kränke,

Wohl nach schlechtern Seelen seht:

Würdet ihr bey meiner Pein

Nicht so unempfindlich seyn.


Klärt euch aus, ihr holden Sterne!

Und verändert euren Blick.

Meine Demuth steht von ferne,

Wünscht und hofft ein besser Glück;

Hofft das Ende meiner Quaal,

Ach! erbarmt euch doch einmal!


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 6,2, Berlin und New York 1968–1987, S. 613-645.
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