Zweiter Auftritt


[101] Die Vorigen. Fräulein Karoline.


FRÄULEIN KAROLINE. Was gibt's? Kinder! was zankt ihr euch?

HERR VON KALTENBRUNN. Amalie wird böse, weil ich ihr verspreche, daß sie nach meinem Tode meine Universalerbin sein soll.

FRÄULEIN KAROLINE schüttelt den Kopf. Darüber wird sie böse? Man erzürnt sie doch sonst nicht leichtlich mit Erbschaften.

FRÄULEIN AMALIE. Ja, die schöne Erbschaft! Erst will er sich zum Bettler schwelgen, und dann will er eine Bettlerin nehmen: und das halbe Schock Kinder, was er nachläßt, das soll meine Erbschaft sein.

FRÄULEIN KAROLINE lacht. Ha, ha! Nun, das ist ein schöner Lebenslauf!

HERR VON KALTENBRUNN. Verzeih mir, Amalie, ich sagte nur eine halbe Mandel Kinder.[101]

FRÄULEIN KAROLINE. Ja, du bist ein vortrefflicher Kavalier! das ist wahr!

FRÄULEIN AMALIE. Denke nur an, Karoline, da will er heute mit Schneidern, Lakaien und Juden schmausen gehn und ...

HERR VON KALTENBRUNN. Ja, was meinest du wohl, Karoline? Sie nimmt mir's übel, daß ich nicht die Schwindsucht habe wie der Erbenfeldin ihr Bruder.

FRÄULEIN AMALIE. Nun! wer sagt denn das? ...

HERR VON KALTENBRUNN. Und ihr zum Possen will ich nun achtzig Jahre alt werden.

FRÄULEIN KAROLINE. Das wollt' ich für mein Teil dir gern gönnen, mein lieber Bruder: aber ich hoffe es nicht. Ernsthaft. Du selbst bist der ärgste Feind deiner Gesundheit. Wie hast du dich in denen zween Jahren, da du in die lüderlichen Gesellschaften geraten bist, nicht geändert! Du blühtest sonst wie eine Rose! Itzt siehst du aus wie ein Gespenst!

HERR VON KALTENBRUNN. Ach, das ließ mir so weibisch! Es ist mir recht lieb, daß ich mir eine hübsche männliche Farbe an den Hals gesoffen habe.

FRÄULEIN KAROLINE. Ja, es läßt einem auch recht männlich, wenn man so dürre und abgemergelt aussieht, daß einen ein Kind mit einem Finger über einen Haufen stoßen könnte. Kurzum, wenn man in deinen Jahren schon halb blind ist, den ordentlichen gesunden Appetit und sowohl Fleisch als Farbe verloren hat, so ist man in seinem achtzehnten Jahre vierundsechzig alt: und folglich hättest du allem Ansehen nach noch sechs Jahre bis an dein siebenzigstes zu leben.

HERR VON KALTENBRUNN. Possen! Possen! Er springt herum. Ich will meinem Weinschenken noch über vierzig Jahre ein ebenso guter Kunde sein als itzund.

FRÄULEIN AMALIE. Es ist wahr, man hat keine Ehre von einem solchen Bruder! Ein jeder scheuet sich, einen solchen Schwager zu haben.

FRÄULEIN KAROLINE höhnisch. Wenn ich ein Freier wäre und kennte euch alle beide so gut, als ich itzt zu tun die Ehre habe, so stünde mir zwar der Schwager nicht an, aber die Braut auch nicht.

FRÄULEIN AMALIE höhnisch. Der Himmel hat dir viel Körbe erspart, daß er dich zu keiner Mannsperson gemacht hat.[102]

HERR VON KALTENBRUNN zu Karolinen. Das war ein Puff! der schadet dir nichts!

FRÄULEIN KAROLINE höhnisch. Hm! Gewisse Fräuleins würden mir doch wohl eine Weile geliebkoset haben, um nur durch mich die Anzahl ihrer Freier zu vermehren.


Quelle:
Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Reihe Aufklärung. Band 6, Leipzig 1933–1935, S. 101-103.
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