560. Das Fegeweib zu Wernigerode.653

[505] Es war einst ein junger Bursche in Wernigerode, der wohnte auf der Heide; derselbe hatte eine Braut, die diente auf der Burgstraße. Eines Abends ging er hin zu seiner Braut nach der Burgstraße, er hatte sich bis 11 Uhr bei ihr aufgehalten, als er von ihr wegging, und kam unten auf die Burgstraße vor das P'sche Haus, da fegte eine weiße Gestalt vor der Hausthür mit einem Besen. Weil das ihm auffallend war, so fragte er: »Was soll denn das bedeuten, daß hier bei Nachtzeit noch die Thür gefegt wird? Man kann doch keinen Staub sehen.« Darauf anwortete die weiße Gestalt: »Ich bin ein Geist und so rein wie ich die Straße diese Nacht fege, so rein wird über's Jahr die Straße von Häusern sein; denn es wird eine große Feuersbrunst ausbrechen, da werden die ganzen Häuser auf dieser Straße abbrennen«, was denn auch wirklich geschehen ist. Doch soll der alte Graf (Christian Ernst) das Feuer besprochen haben, daß dasselbe nicht hat können ordentlich auswüthen. So sind denn noch einige Häuser auf der Burgstraße stehen geblieben, aber das Feuer hat ordentlich laut gebrüllt, und hinter dem alten Graf ist die Flamme immer so rasch durchgeschlagen, wie er auf seinem Pferde zur Straße herauf galoppirt hat.

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S. Pröhle S. 66.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 505.
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