649. Der Sargberg.763

[610] Bei Halberstadt liegt ein hoher Berg, der Hoppelberg genannt, von welchem folgende Sage erzählt wird. Vor uralter Zeit, als der Harz und seine Umgebungen noch in den Händen der Wenden, Katten und Sachsen war, wurden diese Völker von einem Nachbarstamme, der sich namentlich durch die ungeheure Größe seiner Mitglieder auszeichnete, fortwährend beunruhigt. Man nannte sie Hünen, hielt sie für unverwundbar und für halbe Zauberer. Sie waren eine lange Zeit nur vereinzelt oder doch nur in kleinen Haufen[610] ins Land gekommen, jetzt aber hörte man, daß sie sich zu einem Heere versammelt hätten und beabsichtigten, die ganze Gegend in ihren Besitz zu bringen. Da beschlossen die Bewohner derselben, sich zusammen zu verbinden und selbigen einen geschlossenen Widerstand entgegenzusetzen und stellten sich so zu einem großen zahlreichen Heere vereinigt den Hünen entgegen. Diese hatten sich einer so tapfern Gegenwehr nicht versehen und fingen an bei dem Anblick eines so wohlgerüsteten Heeres muthlos zu werden. Da ward ihr König, ein gewaltiger Riese, furchtbar zornig über diesen Kleinmuth und verschwor sich hoch und theuer, er allein wolle das ganze feindliche Heer in die Flucht treiben, verbot auch seinen Leuten bei Lebensstrafe sich einzumischen und sprengte ganz allein mitten in die Feinde. Letztere wußten nicht, was sie denken sollten, als sie sich von einem Einzelnen angegriffen sahen, sie hielten ihn für eine Art höheres Wesen und ließen sich von ihm fast ohne Widerstand niederhauen. Nach wenig Zeit war das Schlachtfeld mit Todten und Verwundeten besäet und der Rest hatte sich schleunigst auf die Flucht begeben; allein auch der Riese hatte einige Wunden davongetragen; als seine Leute herbeikamen und ihm Helm und Harnisch lüfteten, stürzte das Blut in Strömen hervor und nach wenig Minuten entfloh seine Seele mit seinem letzten Athemzuge. Da trauerten seine Leute, denn mit ihm hatten sie auch den besten Theil ihres Sieges verloren; sie beschlossen aber, ihm ein Grab auf dem Felde seiner Tapferkeit zu errichten, errichteten einen Scheiterhaufen, legten seinen Leichnam darauf und verbrannten ihn zu Asche, dann sammelten sie dieselbe in eine Urne und legten Jeder irgend ein Todtenopfer dazu und nachdem dies Alles geschehen war, fingen sie an ein Grab zu bauen, zu diesem trugen sie Steine, Felsen und Erde herbei, bis sich ein riesenhafter Berg über seiner Asche erhob. Dieser Berg steht noch heute und heißt beim Volke der Sargberg, später auch noch mit einem zweiten Namen der Hoppelberg.

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S. Sagen aus der Vorzeit des Harzes S. 172 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 610-611.
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