47. Von dem Wunderblut zu Wilßnack an der Prignitz.91

[55] Im tausend dreyhundert vnnd drey vnd achtzigsten Jahr nach Christi Geburt ist die große Wahlfahrt zur Wilßnack in der Prignitz vnter dem Bischof zu Havelberg angangen, wegen der blutigen Hostien, so nach Abbrennung der Kirchen daselbst am vier vnd zwantzigsten tage deß Augustmonats[55] gefunden worden. Denn als auff gedachte Zeit ein Prignitzischer, mit Namen Heinrich von Bülow, das Dorf Wilßnack (wie auch sonst noch andere zehen) feindlicher Weise gantz abgebrand vnd zerstöret vnd der Pfarrherr zu Wilßnack, Herr Johannes, sampt den Bawern nicht allein die Glockenspeise vnnd andere Sachen fleißig zusammengesucht nach dem Brande, sondern auch die drey Hostien, so er vmb der Kranken willen (wie im Bapstthumb gebräuchlich) in einer Büchsen sonderlich verwaret, gleich als mit Blut besprenget gefunden, sollen sich viel Wunderwerke bei gedachte dreyen blutigen Hostien begeben haben, daß auch die Kranken aus Schweden, Nordwegen, Vngern, Franckreich, Engelland, Schottland, Dennemarck etc. dahin gekommen, gesundheit zu erlangen. Und solch abergläubisch werk ist also fortan geblieben biß auffs 1552 Jar. Sonnabents vor dem Sontage Exaudi, welcher damals war der 28. tag des Meymonats, ward das vermeynte h. Blut durch Joachimum Ellefeld Pritzwaldensem, Pfarherrn daselbst, verstöret vnd verbrandt, in maßen wie folget: Der jetzt gedachte Pfarherr kam am gemelten tage des Morgens von Kyritz, da er den Pfarherrn D. Laurentium Paschium wegen des heiligen Bluts vmb rath gefraget, wiederumb anheims, gieng in die Capellen, darinne das falsche Wunderblut verwaret ward vnd lies ihm einen kleinen Kessel voll glüender Kohlen durch den Baccalaurien vnnd Sacristen Thomam Bremern zubringen. Als er nu in die Capellen kam, riß er alsbald das Reservaculum, darin das Wunderblut in einer vergüldeten Monstrantze stund, auff, schlug das Crystallinen Glas entzwey, nam das Idolum heraus vnd sagte dabey: Maledicte Diabole, ego hodie destruam te in normine Patris et Filij et Spiritus Sancti quoniam tu destruxisti multos. Darnach warf er dasselbige Idolum in Gegenwart vnd Beisein Herrn Lucassen Lindtbergers des Caplans, Johannis Wewers des Schulmeisters vnd Thomassen Bremers des Sacristen auff den Kohlen im Kessel vnd verbrandte es. Welches nichts anders denn ein veraltes Bocksblut gewesen vnd wie es angerüret ward, als Fischrägen von einander gefallen vnd bald im Feuer vergangen. Es ist auch für sich nicht roht gewesen, allein wenn der Schein von einem brennenden Liechte in die Crystall geleuchtet vnd einen Widerglantz verursachet hat. Die consecrirte vnd geweihete Hostie aber, welche vber dem Idolo nach dem Decret Bapst Nicolai des funfften vnd des Concilij zu Basel vmb der anbetung willen gestanden, sol der Prediger mit sonderlicher reuerentz auffgehoben vnd des nechstfolgenden Sontages Exaudi denen Communicanten ausgetheilet haben. Wie solches volnbracht vnd ausgerichtet, ist es alsbald lautbar worden vnd an das Thumbcapittel zu Hauelberg gelanget. Es ward aber gedachter Pfarherr Joachim Ellefeld neben dem Schulmeister Johann Wewern am Pfingstabend wegen des zerstörten heiligen Bluts gefenglich gen Plattenburg geführet vnnd daselbst als gefangene, doch nicht in enger Kustodi gehalten. Vnd als der Caplan Lucas Lindberg vnd Thomas Bremer der Sacrist sahen, was es für einen Außgang mit dem Prediger vnd Schulmeister gewonnen, vnd sie sich bedüncken ließen, man möchte mit jhnen gleichen Proces fürnemen, warff ein jeder das Hafenpanier auff, hielten sich zu der Mäuse Wagenburg vnd gedachten, es were besser außerhalb dem Loche, denn darinnen. Ward also Kirch vnd Schuele ihrer Diener durch diesen weg auff einmahl gentzlich beraubet. Vnnd obwol der Hauptmann zur Plattenburg mit namen Caspar Welle auff anhalten des Raths zur Wilßnack an[56] das Capitel zu Hauelberg wegen erledigung deß Schuelmeisters auf genugsame Caution umb der Schüeler vnnd jugend willen fürbittlich anhielt, möchte er doch nichts fruchtbarliches außrichten noch erlangen. Endlich hat seine Churfürstliche Gnade in Folge einer Intercession vnd Fürbittschrifft dem damaligen Hauptmanne der Prignitz vnd Landes Ruppin, Conrad Rothen in einer Schrifft aufferleget vnd befohlen, sich gen Plattenburg zu verfügen und die Gefangenen jhrer langwierigen Custodien vnnd verhafftung auff gewisse Condition vnnd maße, auch genugsame Caution, versicherung vnnd vorgewissung zu entledigen.

Darauff vorgemelter Hauptmann umb das Fest Sanct Martini sich gen der Plattenburg begeben, auch die Capitularen von Havelberg zugleich dahin gefordert. Da sind die Sachen in vorgedachter Capitularen Anwesen dergestalt abgelauffen, daß obwol der gefangene Prediger seiner Gefengnüß los geworden, so hat er doch dabey zusagen vnd verbürgen müssen, sich an fremde Oerter außer der Marck Brandenburg zu wenden vnd sich deß Predigens oder anderer Gottesdienste in der Kirchen zu Wilßnack ferner nicht anzumaßen, demselben er auch steiff nachkommen ist. Der Schuelmeister aber, so wol beide bißhero verflüchtige vnd Landreumige als Lucas Lindberg vnd Thomas Bremer sind wiederumb in jhr voriges Ampt ohn alles Entgelten gesetzt vnd damit alle sachen in friedlichem wesen bracht worden.

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Nach Angelus a.a.O. S. 167. 345 sq.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 55-57.
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