363. Der Mönch.447

[323] In den meisten sächsischen Dörfern kennt man die Mönche, die sich bei den Bauern und besonders auf den Edelhöfen in Dienst geben, einen Theil der Geschäfte in den Ställen, auf dem Hofe und Boden besorgen, über dem Eigenthume des Herrn wachen und die Knechte und Mägde in Zucht halten. Sie sind sehr klein, tragen einen grauen Mönchsrock, ein niedliches graues Käppchen und einen Gürtel, an dem ein Schlüsselbund hängt. Meist sehen sie alt aus, haben graues Haar und ein verschrumpftes erdfarbenes Gesicht.[323] Doch werden sie nicht von Jedermann gesehen, sondern können sich nach Gefallen sichtbar und unsichtbar machen. Gewöhnlich zeigen sie sich nur dem Hausherrn, bisweilen auch den übrigen Bewohnern des Hauses, doch nie den Nachbarsleuten oder den Fremden, welche ihren Herrn besuchen. Sie striegeln bei Nacht in den Ställen das Vieh, führen es auf dem Hofe umher, bis es in gelinden Schweiß geräth, und füttern es dann, weil so das Futter besser gedeiht. Wenn auf dem Amte zu Beesen bei Halle früher die Euter der Kühe einmal über Nacht zu voll wurden, so melkte sie der Mönch, der auf dem Amte diente, deckte den Melkeimer sorgsam zu, damit kein Staub hineinfiel, und dann fand man am Morgen die Milch. Obwohl die Mönche für alles Vieh auf dem Hofe sorgen, haben sie doch gewöhnlich unter jeder Gattung ein Lieblingsstück; wenn darum ein Pferd oder eine Kuh besonders gedeiht, so sieht man daran, daß sie der Mönch mehr als die andern pflegt, und wenn man den Lieblingsthieren des Mönches auch weit schlechteres Futter giebt als den übrigen, so werden sie doch fetter und kräftiger.

In der Regel dient auf jedem Gute nur ein Mönch, doch bisweilen auch mehrere. Beim Gastwirth in Bendorf bei Mansfeld hört man, wenn ein theures Jahr kommen soll, den Winter zuvor oft bei Nacht die Mönche das Getreide auf dem Boden zusammenschaufeln, einsacken, die Treppe heruntertragen und aufladen: doch am Morgen liegt es unversehrt auf dem Boden. Wenn ein Knecht oder eine Magd nicht fleißig ist, oder wenn sie gar das Futter verkaufen, statt es dem Vieh zu geben, so nimmt sie der Mönch bei Nacht aus dem Bette und wirft sie aus dem Bodenfenster auf den Misthaufen, wo sie am Morgen zwar ohne körperlichen Schaden, doch übel zugerichtet gefunden werden. Wer neugierig ist und den Mönch gern sehen möchte, dem zeigt er sich nie. Zwei Pferdejungen zu Besenstedt legten sich am Abend quer vor die Thür, mit den Köpfen an einander, damit der Mönch, wenn er mit seinen kleinen Schritten herankäme, auf sie treten müßte und sie davon aufgeweckt würden und ihn fangen könnten; doch als sie am Morgen aufwachten, lag der eine in der rechten, der andere in der linken Seite des Stalles, und der Mönch hatte die Pferde doch gefüttert.

In Wettin hauste früher ein Mönch auf dem Amte, einer auf dem Winkel und einer in der Schäferei, und der auf dem Winkel hatte seine besondere Kammer, welche noch jetzt die Mönchskammer heißt. In Halle zeigt sich ein Mönch in der Saline; auch geht er um Mitternacht oft quer über den Markt und an dem einzelnstehenden Thurm auf der Leipziger Straße auf und ab; auf diesem Thurme sah er früher auch manchmal bei Tage aus den Schalllöchern und pflegte die Uhr vorzustellen, wenn ein Feuer ausbrechen sollte. Viele alte Leute in Halle entsinnen sich noch, den Mönch in der Garnisonkirche, die seitdem abgebrochen ist, gesehen zu haben. Besonders bekannt ist in der Umgegend der Mönch vom Petersberge; er geht in unterirdischen Gängen nach Krosigk, Löbejün, Wettin und Gutenberg, pflegt überall das Vieh, doch vorzüglich auf dem Amte am Petersberge; dort hat er stets ein Lieblingsfohlen, auf welchem man ihn oft beim Mondenschein auf dem Gipfel des Berges umherreiten sieht. Für seine Dienste fordert der Mönch gewöhnlich nur, daß man freundlich mit ihm umgeht. Doch zu Giebichenstein auf dem Amte verlangte er einst, daß an einem Tage des Jahres jedem Armen, der sich meldete, ein Stück Brod und ein Hering gereicht[324] würde, und wenn man dies einmal unterließ, so tobte er so lange in den Ställen und ängstigte das Vieh, daß es blökte und winselte, bis die Armen gespeist waren.

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Nach Sommer S. 35.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 323-325.
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