364. Die Hexe.448

[325] Ein Windmüller bei Wettin konnte lange keinen Mühlknecht bekommen, weil es in der Mühle spukte und schon vier Knechte nach einander gestorben waren. Endlich aber gab sich ein beherzter Bursche wieder bei ihm in Dienst. Als der um Mitternacht das Getreide aufschüttete, schlich eine kleine schwarze Katze hinzu, bald folgte eine zweite etwas größere und sie grinsten den Burschen tückisch an, und die eine sprach zur andern: »Wenn nur die große graue erst käme.« Bald darauf kam eine große graue Katze, die schoß, sobald sie den Burschen sah, ihm nach der Kehle empor, doch der Bursch hieb ihr gewandt mit dem Beile eine halbe Pfote ab, die sich alsbald in einen halben Frauenarm verwandelte. Da liefen die Katzen davon. Am Morgen aber wartete der Bursch vergeblich auf sein Frühstück. Er ging hinunter und fragte den Müller, warum er heute Fasttag mache. Da entschuldigte sich der Müller und sagte, seine Frau sei plötzlich todtkrank geworden. »Fehlt ihr vielleicht ein halber Arm?« fragte der Bursch, »so kann ich ihr einen borgen.« Und wirklich hatte die Frau den einen Arm nur noch halb und das abgehauene Stück paßte an den Stumpf. Da erkannte man, daß sie eine Hexe war und verbrannte sie.

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Nach Sommer S. 57.

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Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 325.
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