384. Die weiße Jungfrau zu Erfurt.472

[335] Am 15. März des Jahres 1677 und folgende Tage ließ sich ein Mägdlein zu Erfurt sehen, so man ohngefähr zehn Jahre alt geschätzt. Ihre Haare waren in Zöpfe geflochten, sie hatte ein weißes Kleid an und sah im Gesicht blaß aus. Sie ging durch die Alacher und Bintersleber Felder, redete mit sich selbst, allein es konnte sie Niemand verstehen. In der Hand hatte sie ein braunrothes Stäblein und schlug damit, indem sie durch's Getreide oder über die Wiesen ging, die Blumen ab, also daß man solche an allen Orten daselbst herumliegen sah. Wollte ihr Jemand nach oder entgegen gehen, so kam ihm ein gewaltiges Grausen an, daß er zurückweichen mußte. Diese Begebenheit wurde dazumal von etlichen Personen eidlich in der Vogtei ausgesagt, das Mädchen ist aber nachmals nicht mehr gesehen worden.

472

Nach Falkenstein, Hist. crit. Erfurtensis. Erfurt 1739 in 4. S. 1037.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 335.
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