404. Von der Stadt Erfurt Namen und Ursprung.490

[346] Man sagt, die Stadt Erfurt sei ums Jahr 438 durch den König Merowig entstanden; derselbe habe auf dem Petersberge, worauf jetzt das Benedictinerkloster liegt, sein Schloß und über die Wagd, Wagen- oder Wegweide (ein Wald) eine Burg gebaut und solche Merwigsburg genannt; dieselbe sei zwar zerstört worden, allein das danebenliegende Dorf heiße davon noch jetzt Möbigsburg. Hier habe der König beständig residirt und Hof gehalten, auch den einfallenden Völkern Widerstand geleistet. Es sei nun hier eine Ueberfahrt über den Fluß Gera gewesen, die Gerafuhrt geheißen, daraus habe man, als sich hier auf dieser fruchtbaren Aue Leute angesiedelt und drei Dörfer gebaut, Schilderoda, am Fuße des Petersberges gegen Norden in der Nähe des jetzigen Andreasthors und der Andreaskirche, Schmidtstedt gegen Morgen, woher noch jetzt das Schmidtstedter Thor seinen Namen hat, und das schon genannte Merwigsburg, die dann vereinigt worden seien, den Namen Gerafurt und mit Weglassung des G Erfurt gemacht. Eine andere Sage aber berichtet, es leite seinen Namen von einem Müller Erpes oder Erff, der sich bei der Pfortmühle ansetzte, oder von einem Grafen Erpo oder Yrpes her. Dieser Müller Erff habe nämlich die Reisenden in Ermangelung einer Brücke in einem Kahne über die Gera gefahren, daher hiervon der Name Erpesfuhrt, Erffsfuhrt oder Erfurt gekommen. Jener Müller habe oben auf dem sogenannten Brühl gewohnt, einem Ort, der seinen Namen von dem Rauschen des Wassers oder von dem Brüllen der Hirsche habe.[346]

Von dieser Stadt hat Abraham Sauer (Parvurn theatrum urbium, Frankfurt a.M. 1593 in 8. S. 125) folgende Reime gemacht:


Erffurth, die Stadt im Thüringer Landt

Mitten gelegen, ist wol bekandt,

Sie ist ein weidlich berühmbte Stadt,

Thüring ihres gleichen gar nit hat.

Diese Stadt trägt ein Kraut, ist Weid genannt,

Damit man ferbt durch gantz Deutschlandt,

Hat Frucht gnug, vor Vihe groß vnd klein

Viel Weidt, hie vnd wider in gemein.

Darumb heißens etlich Erdfrücht wol,

Wegen Erdt vnd Frucht so da seyn soll.

Etliche, so von viellm Vieh sagen,

Thut der Name Herdfurt bessr bhagen.

Etlich nennens Hercini Ford,

Vom Wald Hercinia gelegen dort.

Etlich wölln, es sei gewesen

Daselbst ein Möllr, man thut lesen

Hab Erff geheißen, beim Wasser Gera

Ein Furth gehabt, haec sunt vera;

Derselb hab die Leut hinüber gführt,

Die Stadt zu bawen erst angerürt,

Daher denn auch den Namen hat

Erffurth von Erff vnd Furth diese Stadt

Zur Zeit deß Keysers Arcadii etc.

König Merwig hat Anno Christi,

Vierhundert dreißig acht, auffs new

Sie ergrößt, vnd wol sonder rew

Regieret, das noch heut zu Tag

Ganz Düring vnd Hesse jhm danken mag,

Nach Tausend sechs vnd sechtzig Jahr

Ist Erffurth erst bemauert gar,

Sie hat eine hohe Schul gewonnen,

Viel schaden durch Fewr vnd Krieg bkommen,

Gleichwohl stätts sich wieder auffgericht,

Wie man sie jetzt gantz herrlich sicht.

Ein Stadt, die Recht vnd Gerechtigkeit

Liebet, auch Trew vnd Wahrheit

Vbet, zu der gut Policey

Helt, Gott bewahr hinführo frey

Diese Stadt vor Unglück und Leidt,

Das wünscht Abraham Sawr allzeit.


490

S. Falkenstein S. 1 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 346-347.
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