459. Der Heck- oder Brodpfennig.545

[393] Im Dorfe Pantschdorf bei Wittenberg hat es sich begeben, daß der Rath letztgenannter Stadt ein altes Weib daselbst gefangen nehmen ließ, die einen sogenannten Heck- oder Brodpfennig hatte. Ihre Zauberei ward aber auf folgende Weise offenbar. Als sie einmal nothwendig aus dem Hause gehen mußte, befahl sie ihrer Magd, wenn sie melken werde, so solle sie die Milch von der ersten Kuh, ehe sie die andern Kühe melke, nehmen, aufsieden und auf Weißbrod, welches in der Schüssel kleingeschnitten stand, gießen und in einen gewissen Kasten, den sie ihr zeigte, setzen. Die gute Magd vergaß aber diesen Befehl oder meinte vielleicht auch, daß es gleichviel wäre, ob sie die Milch vor oder nach dem Melken der andern Kuh koche, deshalb verrichtete sie erst ihre ganze Arbeit, ehe sie dem Befehle ihrer Frau nachkam. Als sie nun den Topf mit der gesottenen Milch in der einen Hand hatte und mit der andern den Kasten aufmachen wollte, ehe sie die Milch auf das Weißbrod goß, sah sie unvermuthet darin ein pechschwarzes Kalb, das den Mund erschrecklich aufsperrte. Ihr Schrecken war so groß, daß sie in diesem[393] Entsetzen den Topf mit der siedenden Milch in den aufgesperrten Rachen des Kalbes oder vielmehr Teufelsgespenstes goß, darauf allerdings dieses höllische Thier hinwegfloh, aber auch das Haus in Brand steckte. Hierauf wurden beide, die Frau und die Magd, gefangen genommen und befragt; die Magd offenbarte der Obrigkeit Alles, und darauf hat die Frau, nachdem man ihr Gnade versprochen, den ganzen Handel mit dem Heckpfennig bekannt, und den Pfennig haben die Bauern des Dorfes nachher noch lange in ihrem Gemeindekasten aufgehoben.

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S. Remigius Bd. II. S. 191 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 393-394.
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