472. Das Wechselkind bei Halberstadt.556

[400] In Sachsen bei Halberstadt hat ein Mann einen Kielkropf gehabt, der hat seine Mutter und sonst noch fünf Ammen ausgesogen und überdies viel gegessen und sich ganz seltsam benommen. Diesem Manne haben die Leute den Rath gegeben, er solle ihn zur Wallfahrt gen Halberstadt zur Jungfrau Maria bringen und dort wiegen lassen. Diesem Rathe folgt auch der Bauer und trägt ihn dahin in einem Korbe. Wie er ihn aber über ein Wasser trägt und auf dem Stege oder der Brücke geht, so ist ein Teufel unten im Wasser, der ruft: »Kielkropf, Kielkropf!« Da antwortete das Kind, so im Korbe saß und zuvor nie ein Wort geredet hatte: »Ho, ho!« Deß war der Bauer ungewohnt und sehr erschrocken. Darauf fragt der Teufel im Wasser ferner: »Wo willst Du hin?« Der Kielkropf sagt: »Ich will gen Halberstadt zu unser Lieben Frawen und mick alda laten wiegen, dat ick mög etwa digen.« Wie solches der Bauer hört, daß das Wechselkind reden konnte, welches er doch zuvor nie an ihm gemerkt, wird er zornig und wirft das Kind alsbald mit dem Korbe, in dem er es trug, ins Wasser. Da waren die zwei Teufel zusammengefahren, haben »Ho, ho, ho!« geschrieen, mit einander gespielt und sich über einander gekugelt, darnach sind sie aber zugleich verschwunden. Solche Kinder wechselt der Satan aus und legt sie den Leuten für ihre Kinder in die Wiege; sie gedeihen aber nicht, sondern fressen und saugen nur, sie werden aber nicht älter als 18-19 Jahre. Als Dr. Luther einst über Tische gefragt wurde, ob man auch solche Wechselkinder zu taufen pflege, antwortete er: »Ja, denn man kennt sie nicht gleich im ersten Jahre, sondern nur allein daran, daß sie ihre Mütter aussaugen.« Es sagte aber Luther dann weiter: »Laßt uns den Teufel nicht verachten, denn er ist wahrlich ein Tausendkünstler.«

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Nach Hildebrand S. 107.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 400.
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