481. Die Schlüsseljungfrau von Nebra.564

[422] Eine Stunde vom Ufer der Unstrut liegt eine Schenke, die sogenannte Nobisschenke; in der Nähe derselben befindet sich ein Steinblock, in diesem sind drei Nägel eingeschlagen, weil die Bauern glauben, hier sei der Mittelpunkt der Erde. Auf diesem Steine sitzt zuweilen in stillen Winternächten die Schlüsseljungfrau von Nebra. Die hatte einst auf diesen Stein das Kind ihrer Herrschaft niedergelegt, als ihr Liebster, der Jäger, aus dem Walde kam. Die Liebesleute koseten mit einander in dem Eichengebüsch daneben, als aber die Leichtsinnige zu diesem Stein zurückkehrte, da hatte sie ihre Unschuld verloren und fand das Kind ihrer Herrschaft nimmermehr wieder, das hatte der Nix geholt und das Kind ist der letzte Herr von Nebra gewesen. Seitdem sucht das unglückliche Wesen allnächtlich nach dem verlorenen Kinde an dieser Stätte, man sieht es aber nie, und nur in dunkeln Nächten seine rechte Hand, weil es darin eine Laterne trägt.

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S. Hesekiel, Frau Schatz Regine, Bd. II. S. 102.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 422.
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