482. Das Steinbild bei der Nobisschenke.565

[422] Eine besondere Merkwürdigkeit der Nobisschenke war ein neben der niedrigen Thüre eingemauertes altes Steinbild. Es war schon zur Zeit des 30jährigen Krieges sehr verwittert, wenn man aber genau hinblickte, so konnte man noch wohl eine Waage erkennen, auf deren einer hoch in die Höhe geschnellten Schale eine Gestalt mit Hörnern und Klauen saß, welche eine mächtige Halskrause umhatte, während in der andern Etwas lag, was man bei einigem guten Willen für ein Wickelkind halten konnte. Nach der Sage hatte[422] das Ehepaar, welches zuerst die Nobisschenke bewohnte, in langer kinderloser Ehe gelebt und wünschte sich gar sehr ein Kind. Endlich ließen sich die Leute vom Teufel blenden und der versprach ihnen ein Kind unter der Bedingung, daß es nachher sein eigen sein sollte. Darauf gingen sie ein und die Frau gebar einen Knaben. Als die Eltern aber zum ersten Male das unschuldige Kind lächeln sahen, da wurde ihnen bange ums Herz und sie flehten zu Gott um Rettung für ihr Kind. Der Herr erhörte sie und sandte ihnen einen mächtigen Engel, der ließ alsbald eine Waage bringen und gebot dem Teufel, sich in die eine Schale zu setzen und in die andere legte er das Kind. Obgleich nun der Teufel, um sich schwer zu machen, den Kopf durch einen Mühlstein gesteckt hatte, den er wie eine Halskrause trug, so schnellte er doch hoch empor und die Schale mit dem Kindlein sank tief herab. Da lief der Teufel zornig davon und ließ das Kind dem, auf dessen Namen es getauft. Zum Andenken aber ließen die glücklichen Eltern dieses Steinbild machen und es neben ihrer Hausthür einmauern, zum ewigen Gedächtniß. Das Kind aber ist nachgehends ein rechtlicher Mann geworden und von ihm stammen in gerader Linie die Erbpächter der Nobisschenke, denn diese gehörte den Brecken vom Werder an der Unstrut. Davon ist dann das Sprichwort gekommen: Eine Christenseele wiegt immer schwerer als der Teufel. Die Schenke aber blieb der besuchteste Vergnügungsort für das Landvolk in der ganzen Umgegend und man sagte, daß wer in der Nobisschenke nicht Karten spielen lerne, der müsse zur Strafe dafür im Himmel Späne schnitzen zum Anbrennen der Pfeifen der Spieler.

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S. Hesekiel Bd. II. S. 120.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 422-423.
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