496. Das Gottesfeld.587

[457] Drei Stunden von Schleusingen in der Richtung nach Suhl erhebt der Adlersberg seinen breiten, kahlen, unfruchtbaren Gipfel. An ihm liegt das Gottesfeld, eine verrufene Stätte, über welche auch im heißesten Sommer die Luft kalt hinstreicht. Eine Stadt lag einst auf dieser aussichtreichen Höhe, reich und schön, aber die Tugend und Gottesfurcht wohnten nicht in ihr, sondern die Einwohner waren gottlos und forderten durch Missethaten aller Art die Strafe des Himmels so lange heraus, bis sie sie traf. Die Stadt versank mit allen ihren Einwohnern, und das Feld, das der Zorn Gottes getroffen, wurde ein großes weites Grab. Einst wühlte ein wildes Schwein auf dem Berge und ein Hirte fand an dem Orte, wo dasselbe gewühlt, das Oehr einer großen Glocke dem Boden entragen, warf etwas auf sie und grub sie dann vollends aus. Darauf wurde die Glocke nach Schleusingen gebracht und dort geläutet. Aber ihr Ton war schauerlich und beim dritten Mal Läuten zersprang sie. Darauf wurde sie umgegossen, allein es war derselbe Schall wie vorher, es klang immer ohrzerreißender: Sau aus! Sau aus! und dann zersprang die Glocke abermals. Noch einmal goß man die Glocke um, aber der Ton war und blieb derselbe, worauf man, da man sie zu Gottes Ehre nicht läuten konnte, bestimmte, daß sie blos als Sturm- und Feuerglocke geläutet werde.

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Nach Bechstein, Thüringer Sagenbuch Bd. II. S. 35.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 457.
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