799. Die feurigen Rosen zu Lügde.922

[751] Am Fuße des Kirchberges bei Lügde wuchsen einmal drei feurige Rosen aus der Erde, blühten eine Stunde lang und verschwanden dann wieder. So auch in der zweiten und dritten Nacht und immer. Die Leute in Lügde aber sahen die feurigen Blumen und fürchteten sich vor ihnen wie vor Gespenstern. Als sie aber jede Nacht die feurigen Blüthen sahen, da wurden sie endlich dreister und einmal faßten sie sich ein Herz und gruben, wo in der Nacht die Rosen geleuchtet, am Morgen unter Gebeten und frommen Sprüchen nach. Da fanden sie darunter in einiger Tiefe ein altes steinernes Muttergottesbild. Die Leute aber waren klug und verstanden sich auf Wunder und Zeichen und bauten an derselben Stelle eine Kirche und stellten das Steinbild in eine Nische der äußeren Mauer. Lange hat es dort gestanden, bis es vor ungefähr hundert Jahren auf einmal verschwunden war. Da nahmen sie einen Sanct Kilian, der als Stadtpatron über dem Thore von Lügde stand und stellten ihn in eine Mauernische an die Stelle des Muttergottesbildes. Dort steht er heute noch und hält mit Stab und Bischofshut ernste schweigsame Wacht über die Kirche. Zum Andenken an das verlorene Bild aber ward ein anderes, dem ersten völlig gleich, aus Holz geschnitzt und im Chor der Kirche an einer eisernen Kette aufgehängt, wo es noch jetzt zu sehen ist.

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S. Seiler S. 34.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 751.
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