828. Der Brunnen, das Kreuz, das Götzenbild und die weiße Frau auf Schloß Bentheim.949

[779] Im Schlosse zu Bentheim ist ein tiefer Brunnen, den haben zwei zum Tode verurtheilte Verbrecher gebaut. Es war ihnen das Leben unter der Bedingung geschenkt worden, daß sie einen Brunnen in den Felsen arbeiten und nicht eher frei werden sollten, als bis sie auf Wasser gekommen wären. Da haben sie 36 Jahre unablässig am Steine gesprengt und endlich ist ihnen in einer Tiefe von 300 Fuß ein frischer Quell entgegengesprungen.

Auf demselben Schlosse zeigt man eine Art Küche, die soll in alten Zeiten eine Opferstätte der Heiden gewesen sein. Das sehr verwitterte steinerne Bild des Götzen in halb erhabener Arbeit ist noch zu sehen; es zeigt einen Ritter, der früher ein Ding, wie ein Stein gestaltet, in der Hand zu halten schien.

In demselben Schlosse steht ein altes Holzkreuz, welches sich ehemals unten im Orte selbst befand, mit dem hat es folgende Bewandniß. Einer der alten Grafen von Bentheim hatte nämlich einmal von seinem Schlosse herunter zum Zeitvertreib mit Pfeilen geschossen und so einen Mann aus Bentheim getödtet. Da ist er von der Vehme verurtheilt worden, ein Kreuz an die Stätte zu setzen, damit er sich immer an diese That erinnere, wenn er vorbeikomme, und sie bereue. Als das Kreuz in spätern Zeiten umgefallen ist, hat man es auf das Schloß gebracht, wo es noch zu sehen ist.

Auf den Schlössern zu Bentheim, Steinfurt und Tecklenburg geht die weiße Frau um und man sieht sie oft im langen weißen Gewande, ein großes Schlüsselbund an der Seite, daherwandeln. Auf dem erstern Schlosse aber hat sie sich besonders lange aufgehalten, als dasselbe seinen rechten Herrn nicht hatte, und Jedem, der ihr begegnete, schlug sie mit ihrem Schlüsselbunde in's Gesicht, was schnellen Tod zur Folge hatte. Seitdem aber das Schloß wieder in dem Besitz des rechten Herrn ist, läßt sie sich nicht mehr sehen.

Den Bau der Schlösser Bentheim und Tecklenburg schreibt man dem Drusus zu und zeigt als Beweis dafür bei Bentheim eine Felsklippe, welche[779] der Drusstuhl heißt; auf diesem liegt ein glatter Stein, das sogenannte Druskissen. Im südöstlichen Thurme des Bentheimer Schlosses soll sich ein heimliches Gericht der Vehme befinden; hier mußte der Verurtheilte auf eine Versenkung treten, die ihn einer Figur in die Arme warf, welche seinen Körper mit tausend Messern von allen Seiten zerschnitt.

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S. Kuhn Bd. I. S. 108 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 779-780.
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