827. Die drei Auflagen.946

[778] Ueber die Stadt Osnabrück war ein Graf von Tecklenburg als Kirchenvogt gesetzt mit allerlei Rechten. Eines davon war, daß die Metzger sich von ihm mußten ihre Taxe setzen lassen. Diese Taxe aber brachte stets ein kleiner Burgzwerg auf einem Esel herunter in die Stadt und ehe er mit der Taxe da war, durften die Metzger kein Loth Fleisch verkaufen, was ihnen stets sehr störend war, denn wenn die Käufer vom Markt weg waren, dann konnten die Fleischer ihre Waare selbst essen. Vergebens bedrohten sie den Burgzwerg, wenn er sich nicht besser eile, und endlich als seines Zögerns kein Ende ward, so griffen sie ihn und zerhackten ihn und legten die Stücke in des Esels Tragkörbe und ließen diesen allein zum Schlosse Tecklenburg hinantraben. Schrecklich war aber darüber der Zorn des Grafen, er befehdete die Stadt, that ihr ungeheuren Schaden und quälte sie so lange, bis sie selbst um Gnade bat. Der Graf aber war nicht Willens solche zu üben, sondern antwortete höhnend, er wolle Gnade walten lassen gegen die verrätherische Stadt, wenn sie binnen Jahresfrist zwei Scheffel Wifelinghöfer (oder Wewlinghöfer, sehr kleine dünne Silbermünzen, welche Bischof Florentinus aus dem Geschlechte derer von Wevelinghofen, der von 1364 bis 1379 dem Bisthum Münster und später dem von Utrecht vorstand, hatte schlagen lassen, die aber nach seinem Tode eingezogen und umgeschlagen worden waren), sodann zwei blaue Windhunde und zwei Rosenstöcke ohne Dornen einliefere.947 Da war nun guter Rath theuer, diese drei Auflagen zu erlegen. Für die Münzen wurde endlich Rath geschafft, denn der Rath ließ verkündigen, daß er Aufgeld für die Wifelinghofer Heller zahle, da strömten aus allen Nachbarlanden die Bettelleute wie Sand am Meere zum Bisthum Osnabrück und lieferten dergleichen Heller ein, bis der Rath genug davon hatte und kein Agio mehr bezahlte. Unterdessen waren ein Paar weiße Windhunde in ein Zimmer mit blauen Glasfenstern gebracht worden, blau angestrichen, die wurden von blaugefärbten und blaugekleideten Wärtern[778] gefüttert mit Blaumeisen, Blaukehlchen und gekochtem Blaukohl aus blauen Geschirren. Da bekamen die Windspiele Junge, die waren schon etwas blau angelaufen, dann wurden von diesen Jungen wieder Junge erzielt, die waren blitzblau. Mittlerweile hatte der Rath ausgesonnen, Rosenschößlinge durch enge Glasröhren wachsen zu lassen, da blieben die Dornen inwendig, denn sie hatten keinen Raum hervorzutreiben.948 Und so erfüllten die Osnabrücker die drei schweren Aufgaben und der Graf von Tecklenburg mußte mit ihnen Frieden machen. Das Geschlecht der blauen Windspiele verlor sich aber bald wieder, nur die dornenlosen Rosen haben sich fortgepflanzt und von Osnabrück aus in alle deutschen Garten verbreitet.

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S. Bechstein, Sagenbuch S. 244.

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Nach einer andern Version der Sage war die Frist auf fünf Jahre gestellt und die Auflage ein Scheffel Wewlinghöfer, drei himmelblaue Windhunde und drei Eichenschößlinge, so hoch als der Graf, an denen kein Knoten gefunden werden durfte.

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Die Sage von den Eichensprossen wird ebenso erzählt; man setzte sie wohl ausgehoben in ein Beet voll guter Erde, die sorgsam naß gemacht ward, dann paßte man jedem Schoß eine Glasröhre an, da fanden keine Seitensprossen Raum und der Baum mußte gerade auf treiben, und wenn die neuen Triebe sich in die Breite dehnten, hielt man stets eine neue Röhre bereit.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 778-779.
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