1031. Die Teufelssteine bei Laer.

[851] (Nach Sommer in d. Mittheil. Bd. III. S. 247.)


Nördlich von Laer, fast an der Grenze des Kirchspiels Glane, liegen auf einem Sandhügel mehrere an und auf einander gewälzte Granitblöcke von ungewöhnlicher Größe, die Teufelssteine genannt. Daneben steht ein einzelnes altes Haus, dessen Bewohner noch jetzt im Volke die »Düwels Stener« genannt werden. Bevor diese Steine hier lagen, klagte der Bewohner des Hauses oft und heftig über den langen und schlechten Kirchweg. Ja, seine Klagen gingen nicht selten in Verwünschungen der Kirche selbst über, wegen welcher er diesen beschwerlichen Gang machen mußte. An einem Weihnachtsmorgen, als er wieder seinen Kirchgang antrat, um die Frühmesse zu hören, war es recht böses Wetter, Sturm und Schneegestöber und dabei stockfinster. Der Bauer fluchte bei jedem Schritt und Tritte, und statt Gottes Hilfe rief er in seiner Tollheit den Teufel an. Da stand der Böse plötzlich bei ihm und fragte freundlich, wohin er wolle, weshalb er so erbost sei; warum er nicht lieber bei Frau und Kind daheim geblieben, wenn ihn der Weg so sehr ärgere? Anfangs gab der Bauer keine Antwort, sondern ging murrend weiter, zuletzt aber stieß er hervor: »Meine Seele gäbe ich darum, brauchte ich nicht zur Kirche!« – »Topp«, sagte der Teufel, »Deine Seele gehört mir, Deine Seele gehört mir, denn ich baue Dir hier eine Kirche so schnell als Du es verlangen wirst.« – »Ist das Dein Ernst?« fragte der erschrockne Bauer den Schwarzen. »Freilich«, erwiederte dieser, »der Handel ist abgeschlossen, bestimme nur die Frist.« Als der Bauer sah, daß mit dem Satan nicht gut Kirschen essen sei, dachte er durch Bestimmung einer ganz kurzen Frist von dem Handel wieder loszukommen, und sagte: »Nun gut, ehe der erste Hahn kräht, muß die Kirche fertig sein.« Im nämlichen Augenblick war der Teufel verschwunden, es entstand aber ein Getöse in der Luft, daß die Erde ringsum erbebte. Legionen unsichtbarer Geister der Unterwelt waren geschäftig. Dicke Kiesel wurden durch die Luft geführt wie von Vögeln Flocken Wolle zu ihrem Neste, unsichtbare Hände trugen sie herab zur Stelle, ordneten sie und verbanden sie zu einem festen Gemäuer. Schon erhob sich das Gewölbe. Nur der Schlußstein fehlte noch, welchen der Teufel selbst mit Windes-Eile in der Luft hoch über Laer daher trug. Da erfaßt namenlose Angst den Bauer, reuig blickt er auf zum Himmel und ruft: »Gott helfe mir.« Und siehe, Gott sandte ihm den Gedanken zur Rettung seiner Seele. Freudig klatscht er in die Hände und ruft: »Kikeriki.« Diesen Morgengruß trug Gottes Odem, der Wind, herüber nach Laer und hellkrähend erwiederte ihn der Hahn auf Dreiers Erbe am Bache. Als der Teufel dieses hörte, schleuderte er den Schlußstein wüthend aus der Luft herab und es fiel derselbe vor Dreiers Thüre nieder, woselbst er noch bis vor einigen Jahren lag, dann aber zum Steinpflaster verbraucht wurde. Die Kirche, welche der Teufel nicht hatte vollenden können, stürzte auch ein, und die Trümmer derselben sind jene Teufelssteine, welche noch jetzt auf dem Sandhügel liegen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 851-852.
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