1056. Die Sgönaunken.

[864] (S. Kuhn a.a.O. Bd. I. S. 63 etc.)


Im Hüggel, einem Berge zwei Stunden von Osnabrück zwischen den Orten Ohrbeck und Hagen, haben von Alters Zwerge gewohnt, die man die[864] Sgönaunken oder Sgönunken genannt hat, sie heißen aber auch Hünnerskes und wilde Gesellen. Sie haben sich in den im Berge befindlichen Höhlen aufgehalten, welche man die Wünnerkesgätter, Wüllekeslöcker oder Wulwekerslöcker geheißen und man sagt, daß diese sich noch weit unter dem Berge fort bis gen Osnabrück erstrecken, wo sie bei St. Gertruden wieder ans Tageslicht führen. Der hier befindliche Ausgang soll aber durch eine große Thür verschlossen sein, vor welcher jetzt sogar noch gewaltige Eisenstangen im Kreuz angebracht sind; Andere sagen auch, daß diese Gänge bis nach Tecklenburg führen. Von den Sgönaunken erzählt man nun, daß sie den Bewohnern der Umgegend allerhand Geräthe geschmiedet hätten, nämlich Pflugeisen und Brandroste, wie man sich deren dort zum Anlegen des Holzes auf dem Heerde bedient. Besonders werden ihnen diejenigen zugeschrieben, die auf der einen Seite den sitzenden Hund als Handhabe zeigen und deshalb auch Feuerhunde heißen; sie sind gewöhnlich dreifüßig. Die Sgönaunken sind aber unsichtbar gewesen, daher hat der, welcher von ihnen ein Geräth hat anfertigen lassen, seine Bestellung auf einen Zettel schreiben und diesen auf einen vor der Höhle stehenden Tisch legen müssen. Ist er dann am andern Tage wiedergekommen, so hat das Geräth dagelegen, dabei aber auch ein Zettel, auf welchem der Preis desselben geschrieben stand, den er hat daneben legen müssen. Einige wollen behaupten, daß man nur an bestimmten Tagen, namentlich Donnerstags und Sonntags habe hingehen dürfen.

Der Besitzer eines der den Höhlen zunächst gelegenen Höfe heißt der Hüggelmeier; der hat vor langen Jahren einmal ein Pflugeisen bei den Sgönaunken bestellt und als er nun des andern Tages hinkömmt, um das bestellte Geräth zu holen, es auch findet und die auf einen Zettel geschriebene Angabe des Preises dabei sieht, setzt er sich in seinem Uebermuthe auf den Tisch und verrichtet seine Nothdurft auf denselben statt der Bezahlung. Als er dies aber gethan, machte er sich eilig auf seinem Pferde davon und das war sein Glück, denn es kam in der Gestalt eines glühenden Rades oder wie Andere sagen, als ein glühendes Pflugeisen hinter ihm her, nur mit Mühe und Noth erreichte er noch seinen Hof und war eben unter Dach, da schoß das glühende Eisen in den Thorpfosten, so daß die Stelle noch lange sichtbar blieb, wo das Holz versengt war. Als er aber drinnen war, hat sich eine Stimme hören lassen, die gerufen: »das solle der neunte Hüggelmeier noch entgelten« und so ist es auch gekommen, denn es hat den Hüggelmeier und seine Nachkommen viel Unglück in der Wirthschaft befallen, aber jetzt müssen sie wohl über den neunten hinaus sein, denn es geht ihnen wieder gut.

In Sutthausen bei Osnabrück ist auch einmal ein Herr von Stahl gewesen, der hat am Eingange der Wüllekeslöcker eine Schnur befestigt und ist dann, den Faden in der Hand, hineingegangen. Wie er aber schon tief drinnen gewesen, ist die Schnur zerrissen und er ist lange, ohne einen Ausweg zu finden, in der Höhle umhergeirrt. Da hat er endlich eine große Rüde erblickt, der er gefolgt und in einen großen und hohen Höhlenraum gekommen ist, in dem Stühle, Bänke, Tische rings an den Wänden umherstanden, und oben an der Decke ein gewaltiger Eisenstein an einem dünnen Faden hing. In dieser Höhle aber saß eine Alte und spann, und zu ihren Füßen lagen zwei große schlafende Doggen; diese trat auf ihn zu und warnte ihn, ja leise aufzutreten, daß er die Doggen nicht wecke, sonst würden sie ihn zerreißen.[865] Darnach hat sie ihn wieder zur Höhle hinausgeführt und er hat der Kirche zu Hagen für seine Rettung zwei Wiesen geschenkt, weshalb dort auch allsonntäglich für ihn gebeten wird. Nach Andern hat er, als er so in dem Irrgärtchen herumgeirrt, gelobt alle Morgen vor Sonnenaufgang unserm Herrn zu Füßen zu fallen, und da habe er glücklich den Ausgang gefunden, und noch Andere sagen, er habe gelobt, von jedem Bäcksel, das auf seinem Gute geschehe, den Armen ein Brod zu geben, und so sei er denn aus dem Berge gekommen. Es soll sich aber noch heute in dem Besitze der Familie von Stahl eine silberne Kanne befinden, welche ihnen die Sgönaunken geschmiedet haben, und die die Jahreszahl 1500 trägt.

Die Sgönaunken haben auch oft den Leuten der Umgegend ihre Kinder vertauscht und die ihrigen statt derselben hineingelegt, hat man die Wechselbälge aber zum Sprechen bringen können, so haben sie dieselben wieder wegholen müssen. So hatten sie auch einmal einer Frau ihr Kind vertauscht und dieselbe hatte es bald gemerkt, aber nicht gewußt, wie sie den Wechselbalg zum Sprechen bringen könnte. Da hat ihr Einer gerathen, sie solle Eierschalen aufs Feuer setzen und darin brauen; das hat sie denn auch gethan, und kaum haben die Schalen über dem Feuer gestanden, so hat sich das Kind erhoben und gesagt: »Siebenmal habe ich den Bremerwald abbrennen sehen und habe solch Brauen noch nicht gesehen.« Und kaum hat es das gesprochen, so hat auch der Frau eigenes Kind wieder in der Wiege gelegen.

Oft sind die Sgönaunken auch, wenn die Leute Abends den Brodteig eingesäuert, in der Nacht gekommen und haben ihn geknetet, so daß man am andern Morgen Alles bereit gefunden. Das ist auch mehrmals auf einem Bauernhofe geschehen, es hat sie aber nie einer zu Gesicht bekommen. Da hat sich eines Abends ein Knecht hinter der Wanne versteckt, und wie es nun in der Nacht gewesen, sind zwei Sgönaunken gekommen und haben angefangen zu kneten; mitten in der Arbeit hat der Knecht aber eine Bewegung gemacht, da hat der eine der Sgönaunken gesagt: »'t wegget sik«, der andere aber hat geantwortet: »Kett men tau, kett men tau (knet nur zu)!« Als der Knecht das gehört, ist er mit einem Knüppel hervorgesprungen und hat sie fortgejagt und seitdem sind sie nicht wiedergekommen.

In Sterlebrück kam einmal eine Frau in die Wochen und ging, ehe sie ihren Kirchgang gethan, aus. Da ist sie plötzlich in die Höhle im Hüggel geführt worden und hat dort Rüden säugen müssen, so daß, als sie wieder herauskam, ihre Brüste so lang geworden waren, daß sie sie über die Schultern hat schlagen können. Bald darnach sind auch die Sgönaunken zu ihr gekommen, haben von ihr zwei Tonnen Butter verlangt und gesagt, wenn sie die nicht erhielten, so müsse sie wieder in den Hüggel und Rüden säugen. Da hat sie eilig die Butter nach der Höhle getragen, um nur von der furchtbaren Strafe loszukommen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 864-866.
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