1190. Der Schatz auf dem Blocksberge.

[961] (S. Ey a.a.O. S. 185 etc.)


Vor langen Jahren wohnten drei Bergleute in Hahnenklee, bei denen kehrten von Zeit zu Zeit Venetianer ein, die die Schätze im Blocksberge aufsuchten und in der Regel auch soviel fanden, daß sie zufrieden zurückgingen. Aus ihrer Heimath brachten sie dagegen allerlei Medicinsachen mit, die gegen viele Krankheiten gut waren. An diesem Handel verdienten sie auch reichlich. Die Bergleute merkten aber bald, daß es dieser Handel nicht allein war,[961] der sie herzog, sondern daß ihr Hauptaugenmerk auf den Blocksberg gerichtet war, weil sie jedesmal, wenn sie kamen, erst Erkundigung einzogen, ob schon vor ihnen Landsleute von ihnen hier gewesen wären und den Blocksberg besucht hätten. War das zufällig geschehen, so wurden sie jedesmal recht verdrießlich, waren aber keine vor ihnen da gewesen, dann sahen sie stillvergnügt aus. Es mußte der Blocksberg also für sie wichtig sein.

Als sie einst wieder da waren, sich so wie früher erkundigt hatten und bei mondheller Nacht nach dem Blocksberg aufbrachen, ging ihnen einer von den drei Bergleuten, die, beiläufig gesagt, Kameraden waren, nach und sah, daß sie am Blocksberg an einer abgelegenen Stelle den Boden aufgruben und aus dem Loche Erde in ihre Beutel füllten. Der Bergmann hatte genug gesehen, und sich genau die Stelle bezeichnet, wo dies geschehen war; er eilte, daß er früher nach Hause kam als die Venetier. Am folgenden Tage reisten diese ab, und die Bergleute verabredeten sich gleich denselben Abend noch den Ort aufzusuchen und nachzusehen, was es da zu holen gebe, und sprachen schon von dem Reichthum, der sich da finden würde, der dritte aber erklärte nicht mitgehen zu wollen, denn was ihm zugedacht sei, werde ihm von selbst ins Haus gebracht werden. Die beiden andern Bergleute gehen deshalb allein hin, suchen an dem Platze, finden aber nichts. Sie wollen am Ende aufhören und sind eben im Begriff, das Gezäh verdrießlich zusammen zu nehmen. In dem Augenblicke aber thut der Eine noch einen derben Hieb in die Erde und ruft voll großer Freude: »Hier steckt etwas!« Nochmals fangen sie an zu graben und bringen zuletzt ein Gerippe heraus, sie sind aber ungewiß, ob es von einem Reh oder einer Ziege ist. Sind sie vorher schon verdrießlich, so sind sie es jetzt noch mehr. Trotz des Aergers lacht aber doch der Eine über den Andern, nämlich wegen der Täuschung. »Ih«, sagt der Eine, »unser Kamerad muß aber auch seinen Theil haben, wir wollen ihm das Gerippe ins Haus bringen, er ist angefahren, seine Frau liegt diesen Abend im Bette, die Thüren sind offen, deshalb können wir es ihm ungesehen in die Stube bringen!« Als es Nacht geworden ist, bringen sie ruhig das Gerippe in die Stube ihres Kameraden und fahren von da weg an. Ihren Kameraden finden sie noch auf dem Gedinge, er hat sich redlich gequält und seine Löcher haben tüchtig gehoben. Als sie ankommen, fragt er gleich: »Na, habt Ihr Eure Scheuern voll? ich glaubte, Ihr brauchtet nicht wieder ein Fäustel in die Hand zu nehmen.« – »Ach,« antworteten diese, »laß Dein Spotten, wir hätten besser gethan, wenn wir angefahren wären!« Darauf arbeiten sie bis zwölf, dann machen sie Schicht, gehen mit einander nach Hause und jeder sucht sein Quartier. Als der dritte mit brennendem Licht in seine Stube tritt, ist er ganz erstaunt; denn ringsum im Zimmer stehen auf Tischen, in den Fensterbänken, auf den Kannelbrettern lauter prächtige kleine Figürchen aus purem Gold und Silber: Hirsche, Rehe, Schweine, Kühe, Kälber, Ziegen, Vögel u.s.w. Er kann sich nicht satt sehen, nimmt eine Figur nach der andern, wiegt sie in der Hand und wundert sich über die Schwere und Schönheit des Dinges. Nachdem er Alles durchgemustert hat, legt er sich zu Bett und denkt: »Deine Frau kann sich morgen auch erst darüber wundern, wo das hergekommen ist.« Von dem Gerippe ist aber nichts zu sehen gewesen! Am andern Morgen als die Frau aufsteht, in die Stube tritt und den Gold- und Silberreichthum gewahr wird, läuft[962] sie gleich zurück in die Kammer, weckt ihren Mann und fragt: »Mann, wo hast Du die schönen Sachen her?« Der aber antwortet: »Das hat mir mein lieber Gott ins Haus gebracht,« dreht sich gemächlich um und schläft fort. Die Frau verschließt und verriegelt Alles und besorgt ihre häuslichen Geschäfte. Kaum ist es Frühstückszeit, der Mann aufgestanden und hinausgegangen, um sich Waschwasser zu holen, so kommen die andern beiden Kameraden und wollen sich blos das Bündel voll Schelte holen von wegen des Schabernacks. Anstatt daß aber ihr Kamerad ärgerlich aussieht, geht er ihnen freundlich entgegen und spricht: »Kameraden, wie ich Euch gesagt habe, so ist es gekommen. Mein Gott hat mir großen Reichthum ins Haus gebracht. Kommt herein, Ihr sollt Euren Theil davon haben!« Darauf führt er sie in die Stube, sie werden stumm und starr, dann sagt er: »Du Kamerad nimmst diese, Du jene Seite, ich behalte diese hier; dann hat ein Jeder so viel, daß er nicht ferner den Bohrer zu gerben braucht.« Beide danken nun ihrem Kameraden für das große Geschenk und fragen zuletzt, »was er mit dem Gerippe angefangen habe.« Er aber weiß nichts davon. Da sagen sie es ihm, was sie gethan haben, er aber hört gar nicht darauf, sondern antwortet blos: »Thut nichts.« Jeder packt seinen Reichthum zusammen und trägt ihn nach Hause, er ist schwer, sehr schwer gewesen, so daß sie ihn kaum fortbringen konnten. Später haben die drei ihre Goldthiere nach Goslar verkauft, auch der Herzog von Braunschweig hat einige bekommen, und sie haben so viel Geld dafür erhalten, daß sie reiche Leute geworden und auch geblieben sind. Von der Zeit an hat keiner einen Venetier wieder auf dem Blocksberge gesehen; die Schätze im Blocksberge aber sind auch so lange verschlossen, bis hundert Jahre lang kein vierbeiniges Thier den Blocksberg betritt. Das ist aber noch lange hin.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 961-963.
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