1203. Wittwen sollen nicht wieder heirathen.

[972] (S. Letzner a.a.O. S. 189.)


Im Jahre 1588 ist ein gewisser Franz Ruschemeyer aus einem Dorfe Namens Donau, im Amte Limburg gelegen, gebürtig, im 24. Jahre seines Alters in das Dorf Darnsen gekommen, nachdem er zuvor an unterschiedlichen andern Oertern als Ackerknecht gedient hatte. Er hat hier eine Wittwe, so sechs unerzogene Kinder hatte, kennen gelernt und am 29. Januar desselben Jahres geehelicht und sich eine Zeit lang ziemlich wohl angelassen und also verhalten, daß man sich nichts Böses von ihm zu versehen gehabt hat. Der Teufel aber, als ein abgesagter Feind des Ehestandes und aller Einigkeit, säete nach seiner höllischen Manier das Unkraut zwischen diese beiden Eheleute, also daß sie anfingen mit einander zu hadern und zu zanken, sonderlich hat der Satan aber dem Mann die Frau ganz zuwider gemacht, also daß er ihm etliche Male in sichtbarlicher Gestalt angegeben hat, das häßliche und scheußliche schnöde Weib zu erwürgen, mit der er doch seine Lebtage kein Glück haben werde. Er wolle ihm wohl eine andere, bessere und schönere freien, die auch nicht so viele Kinder haben solle etc. Solche und dergleichen andere Anschläge bringt der Teufel obgedachtem Manne etliche Male so ganz geschwind und so subtil vor, daß er sich endlich vom Teufel überreden läßt und die vorgeschlagenen Wege zu wandeln und zu folgen eingewilligt hat. Als er nun sechzehn Wochen mit dem Weibe in großem Unfrieden gelebt hat, fängt er an dem Teufel und seinem Willen zu folgen und kommt zwischen dem Sonntag Quasimodogeniti und dem darauf folgenden Montag in der Nacht zwischen 11 und 12 Uhr aus dem Sollinger Walde und schleicht heimlich in sein Haus und dann in die Kammer zu seiner Frau, die ohne Sorgen schlief. Der Bösewicht fährt nun ohne Bedenken zu und reißt dem Weibe mit einem Brodmesser den Bauch auf, daß ihr das Eingeweide herausfiel, und damit ging der Bube davon, um den Schein zu geben, daß Jedermann denken sollte, es hätte ein Anderer das Weib ermordet. Die Frau aber hat sich in solchem Schrecken im Bett ganz eilends aufgerichtet und mit ihrem eigenen Hemde, so wohl und gut sie das vermocht, das Eingeweide gefaßt, sich ermannt und ganz kläglich gerufen und geschrieen, darüber die Nachbarn vom Schlaf ermuntert, aufgestanden und hinzugelaufen. Als sie nun diesen elenden Anblick gesehen und gleichwohl so viel vernommen, daß ihr das Eingeweide noch unversehrt gewesen, haben sie mit großer Eile aus den nächsten Städten und Flecken die Aerzte dazu berufen und gefordert, aber ihr doch nicht helfen können. Es hat aber die arme Frau mit unsäglichen Schmerzen den fünften Tag erlebt und ganz beständiglich ausgesagt, daß ihr eigener Mann ihr dieses große Herzeleid zugefügt hätte, und ist darauf am fünften Tage selig entschlafen. Als aber der Bösewicht in der Nacht die böse That verrichtet hat und davon gegangen, ist er des Montags um 9 Uhr aus dem Sollinger Walde von seinen Pferden gen Darnsen gekommen, um zu scheinen, als wisse er davon nichts, was sich daselbst die Nacht begeben und zugetragen, und damit Jedermann denken sollte, er wisse davon nichts, wäre auch nicht zu Hause gewesen und ein Fremder müsse das gethan haben, ging also in das Haus. Es haben aber, sobald als Franz Ruschemeyer ins Haus gegangen, die Gebrüder von Campe den Thäter gefangen genommen und ins Gefängniß[973] gesetzt, als er aber vermöge Rechtens, jedoch ohne die zugelassene Tortur, befreit worden ist, hat er Alles ordentlich nach einander bekannt, ausgesagt und nichts geleugnet. Nachdem nun Ruschemeyer vierzig Wochen und zwei Tage in Haft und Banden sitzen müssen, haben ihn die Herrn von Campe in ihrer Feldmark und Hoheit, am Galgenbusch genannt, Anno 1589 den 28. Martii mit dem Rade rechtfertigen und strafen lassen. Die Weiber sollen daraus lernen, daß sie nach Absterben ihrer Männer nicht sogar unbedachtsam, sondern wenn sie ein ziemliches Alter erreicht und noch unerzogene und unberathene Kinder haben, sich mit unbekannten Landstreichern, jungen unerfahrenen Gesellen und losen Hudlern, so gemeiniglich große Worte und nichts mehr dabei haben, auch so überklug sind, vor Andern, daß sie des Nachts das Gras wachsen hören, einlassen oder zur Ehe zu nehmen sich überreden lassen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 972-974.
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