1205. Heinrich der Eiserne oder die Ritterburg in Tannensee.

[977] (S. Hannov. Magazin 1841 Nr. 82 u.b. Köster: Alterth., Gesch. u. Sagen d. Herzogth. Bremen und Verden. Stade 1856 S. 78 etc.)


Im Herzogthum Bremen und zwar im Gerichtsbezirke Delm trifft man im Moore bei den in Apensen eingepfarrten Dörfern Revenahe und Kammerbusch, nicht weit von der Bremer Heerstraße, die von Buxtehude nach Zeven führt, eine mit Wasser angefüllte Vertiefung an, die den Namen Tannensee führt, vermuthlich weil selbige in alten Zeiten von einem Tannenwalde umschlossen gewesen ist, und mitten in diesem sogenannten See eine aus dem Wasser hervorragende trockene Stelle. Befragt man die dort wohnenden Landleute hierüber, so pflegen sie zu antworten: »da hett der ysern Hinnerk wohnt,« und erzählen, von dieser Burg aus habe er seine Räubereien unternommen und wie er, um die Reisenden wegen seiner Abwesenheit von der Burg zu täuschen, seine Rosse mit verkehrten Hufeisen habe versehen lassen; wie endlich seine Burg zerstört und bis auf den Grund geschleift und er selbst gefangen und in Ketten und Banden weggeführt worden sei.

Heinrich der Eiserne war ein Bremischer Ritter und hieß eigentlich Heinrich von Borgh. Er war Burgmann zu Horneburg und besaß viele Güter im Lande, darunter auch jene Raub- und Ritterburg im Tannensee. Den Beinamen der Eiserne hat er ohne Zweifel deswegen beim Volke davongetragen, weil er unaufhörlich in Kampf und Fehde und auf Streifzügen begriffen war und fast nicht aus dem Harnisch kam. Er wird von den gleichzeitigen Chronisten als ein Nonnenschänder geschildert, als ein Mensch, dem nichts heilig war, der Klöster zerstörte, Mönche und Priester verfolgte und in die Kerker schleppte, Ortschaften niederbrannte und viele Menschen durch Feuer und Schwert tödtete und in Wasser und Schnee umkommen ließ. Eine erwünschte Gelegenheit und ein weiteres Feld zur Befriedigung seiner bösen Gelüste bot sich ihm dar, als der durch den Tod Heinrich's I. von Golthorn erledigte Bremische Erzbischofsstuhl vom Papst eigenmächtig durch den entwichenen Erzbischof von Lund Jens Grand oder wie er gewöhnlich genannt wird, Jonas besetzt ward. Gleich beim ersten Einzuge desselben hielt Heinrich von Borgh das erzbischöfliche Schloß zu Bremervörde besetzt und weigerte sich, ihm selbiges herauszugeben; allein der Erzbischof Jonas vertrieb ihn durch fremde Hilfe, nahm seine Veste Horneburg ein und ließ sie (1307) niederbrennen und schleifen, zwang ihn auch, sich auf die ihm allein noch übrig gebliebene Burg Tannensee zurückzuziehen. Aber auch dahin folgten ihm die erzbischöflichen Truppen, die Burg wurde erstürmt und der Erde gleichgemacht. Endlich entdeckte man ihn in einiger Entfernung im Moore hinter einem Torfhaufen versteckt, wo er wohl nicht gesehen worden wäre, wenn nicht eine Schaar von Kiebitzen die Aufmerksamkeit der Soldaten auf sich gezogen hätte, die, wahrscheinlich weil diese Thiere in dieser Gegend ihre Nester hatten, unaufhörlich und mit großem Geschrei um jene Torfhaufen herumflogen. So fiel denn der eiserne Heinrich in die Hände seiner Verfolger, wurde nach Bremervörde gebracht und da ins Verließ geworfen. Hier hat er so lange gefangen gesessen, bis endlich Herzog Johann von Lüneburg ihn auf freien Fuß stellte, der ihn als einen kriegserfahrenen Mann bei seiner Erhebung gegen den Erzbischof, dessen Administrator er allerdings war, bedurfte. Wann Heinrich der Eiserne gestorben ist, weiß man nicht, man erzählt aber sonst noch von ihm,[978] er habe seine Ehefrau in einem eisernen Backofen verbrannt; im Burggraben liege aber noch ein goldener Tisch und eine goldene Wiege, welche er bei der Belagerung seiner Burg dort versenkt habe, sie kämen alle hundert Jahre einmal in der Johannisnacht zum Vorschein, doch dürfe der, welcher sie heben wolle, kein Wort dabei sprechen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 977-979.
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