1222. Claus Störtebeker und Gödeke Michels.

[990] (S. Beneke, Hamburgische Geschichten u. Sagen. Hamburg 1854 S. 110 etc. Deecke, Lübische Sagen S. 161.)


Claus Störtebeker ist, bevor er ein Seeräuber geworden, ein Edelmann gewesen und war zu Halsmühlen bei Verden geboren; sein Schloß stand bei Verden in der Nähe der Halsmühle und seines Schwagers Hofstelle in Dauelsen wird noch gezeigt. Es behaupten freilich auch an der Ostsee viele Städte und Orte, daß er dort geboren sei, z.B. Wismar, nach Andern wäre er aus der Gegend von Barth in Pommern gewesen. Gödeke Michels soll erst ein Knecht des Gutes Ruschwitz auf Jasmund gewesen sein. In Mecklenburg wird ein alter Burgwall des Gutes Schulenburg bei Sülz an der Recknitz als eine Burg von Störtebeker und Michels gezeigt. Ebenso sollen sie zu Neustadt in Holstein eine Schanze gehabt hoben und noch 1771 existirte hier der Familienname Störtebeker. In seinen jüngern Jahren hat er lustig gelebt, hat Fehden ausgefochten, turniert und gerauft, dabei geschmaust und gezecht, und darnach in Hamburg mit andern wilden Gesellen so lange bankettirt und gewürfelt, bis er Hab und Gut verpraßt hatte. Wie ihm nun zuletzt die Hamburger Schulden halber sogar sein ritterlich Gewand und Rüstzeug genommen und ihn der Stadt verwiesen haben, da ist er unter die Vitalienbrüder gegangen und ein Seeräuber geworden, wie vor ihm noch keiner gewesen ist. Derzeit war aber das Haupt derselben Gödeke Michels, ein tapferer gewaltiger Mann und guter Leute Kind, über dessen[990] Heimath sich Holstein, Mecklenburg, Pommern und Rügen streiten; Andere aber nennen eine verfallene Burg bei Walle im Verdenschen als seinen Geburtsort. Der hat den neuen Genossen mit Freuden angenommen, und nach abgelegten Proben seiner Kraft (denn er hat eine eiserne Kette wie Bindfaden zerreißen können), wie auch seiner Unerschrockenheit und Tapferkeit, hat er ihm gleich ein Schiff untergeben und hernach den Oberbefehl über die ganze Verbrüderung mit ihm getheilt. Weil nun der neue Genosse, der seinen adeligen Namen abgelegt, so ganz unmenschlich trinken konnte, daß er die vollen Becher immer in einem Zuge ohne abzusetzen hinunterstürzen konnte und dies Becherstürzen täglich unzählige Male wiederholte, so nannte man ihn Becherstürzer (plattdeutsch Störtebeker). Als die Raubgesellen einstmals die Nordsee recht rein geplündert hatten, fuhren sie nach Spanien, um dort zu rauben. Störtebeker und Gödeke Michels machten wie immer gleiche Theile der Beute, nur die Reliquien des heil. Vincentius, die sie aus einer Kirche genommen, behielten sie für sich und trugen sie seitdem unter ihrem Wamms auf der bloßen Brust. Und daher ist's gekommen, daß sie hieb- und schußfest gewesen sind; kein Schwert und Dolch, keine Armbrust, Büchse oder Karthaune hat sie je verwunden, geschweige denn tödten können, so ging die Sage.

Nach ihrer Vertreibung aus der Ostsee haben sie von ihren Schlupfwinkeln auf Rügen und andern Orten lassen müssen. Darauf haben sie aber in Ostfriesland gute Freunde gewonnen und dort ihren Raub bergen und verkaufen können. Sonderlich bei Marienhaven haben sie viel verkehrt und dort an der Kirche den alten Thurm zu bauen begonnen, und daselbst giebts noch viele Erinnerungen an Störtebeker, so einen Kanal mit dem Namen Störtebekertief und Ringe an der Kirchhofsmauer, an denen er seine Schiffe befestigte. Der Häuptling Keno then Broke wurde sein Schwiegervater, denn die schöne Tochter desselben verliebte sich in den kühnen, mächtigen Mann und folgte ihm auf sein Schiff und in sein schwankend Reich.

Wenn Störtebeker Gefangene machte, die ein Lösegeld versprachen, so ließ er sie leben. Waren sie aber arme Teufel und alt und schwächlich dazu, so wurden sie gleich ohne Weiteres über Bord geworfen. Erschienen sie ihm jedoch tüchtig und brauchbar, so machte er erst eine Probe mit ihnen. Wenn sie nämlich seinen ungeheuern Mundbecher voll Wein in einem Zuge leeren konnten, dann waren sie seine Leute, dann nahm er sie als Gesellen an. Die es aber nicht konnten, die wurden auch abgethan. Man sagt aber, nur ein einziger Mensch, ein Junker Sissinga aus Gröningen habe diese Probe bestanden.189 Störtebeker und Gödeke Michels haben auch zuweilen Reue über ihr Leben gefühlt, und deshalb soll jeder von ihnen dem Dom zu Verden sieben Fenster zur Abbüßung ihrer sieben Todsünden geschenkt haben; das Störtebekersche Wahrzeichen, zwei umgestürzte Becher, ist in einem dieser Fenster angebracht. Auch Brodspenden an dortige Arme haben sie gestiftet, und hierin finden Viele eine Bestätigung der Angabe, daß Beide Verdensche Landeskinder gewesen seien.

Im Jahre 1400 nun ließen die Hansen eine Flotte nach Ostfriesland gehen, um dem Unwesen zu steuern. Die Hamburger Schiffe befehligten die[991] Rathsherren Albert Schreye und Johann Nanne. Sie besiegten die dort liegenden Vitalienbrüder, erschlugen viele Raubgesellen und übten Standrecht an den Gefangenen. Dann eroberten sie Stadt und Burg Emden und legten hansische Besatzung hinein. Auch Keno then Broke mußte seine Burg zu Aurich abtreten, weil er's gegen frühere Zusage doch wieder mit Störtebeker gehalten hatte, und mußte dann nach Lübeck gehen, um sich beim Hansatage zu entschuldigen. Als nun aber die beiden Hamburgischen Rathsherren so eben den neuen Friedensvertrag mit Keno abgeschlossen und die Halle verlassen hatten, ist Störtebeker aus seinem Versteck hereingetreten und hat sich mit dem alten Keno über die Hamburger Herren lustig gemacht, die sich wieder von ihnen anführen ließen. Indem ist aber Herr Nanne, der seine Handschuhe vergessen hatte, unversehens in die Halle zurückgekehrt und hat die neue Verrätherei bemerkt und deshalb ist auch alsbald der Krieg wieder ausgebrochen.

In der That hat auch noch in demselben Jahre die hansische Flotte einen neuen Sieg über die Vitalienbrüder erfochten, wobei ihrer 80 geblieben, 30 aber gefangen und in Hamburg am Grasbrook enthauptet worden sind. Der Nachrichter hat 8 Schillinge für jeden Kopf erhalten, sein Knecht aber 20 Schillinge für das Einscharren der Leiber. Die Köpfe wurden auf Pfähle gesteckt. Eben so gewiß ist es, daß 1401 wiederum die Hamburgischen Schiffe unter den Rathsherren Nicolas Schocke und Hinrich Jennefeld den Seeräubern in der Weser eine Niederlage beigebracht und 73 Gefangene gemacht haben, welche (so viele ihrer nicht unterwegs an ihren Wunden gestorben sind) ebenfalls am Grasbrook enthauptet worden sind. Aber so lange Störtebeker und Gödeke Michels am Leben waren, durfte man im Kampfe nicht nachlassen. Darum wurde 1402 aufs Neue eine Hamburgische Flotte ausgerüstet unter dem Oberbefehl der eben genannten Rathsherren. Das Hauptschiff hieß die bunte Kuh, oder wie's in einem alten Volksliede hieß, die durch das Meer brausende bunte Kuh aus Flandern mit den starken Hörnern. Dies Schiff befehligte der Eigenthümer desselben, ein junger Kriegsheld, der sich unsterblichen Ruhm bei den Hamburgern erworben hat, Simon von Utrecht.

Der ihnen von Keno then Broke eingeräumte Flecken Marienhaven war für sie aber ein ausgezeichneter Zufluchtsort. Sie hatten daselbst, wie wir oben gesehen haben, den Thurm befestigt und die Kirche zum Anlegen ihrer Schiffe eingerichtet. Damit ihnen ersterer als Baake dienen konnte, hatten sie ihn bedeutend erhöht. Aus gleicher Absicht hatten sie auch die Kirche an der einen Seite mit Kupfer, an der andern Seite mit Schiefer gedeckt. Fuhren sie nun von Marienhaven das Störtebekertief hinunter dem Meere zu, so konnten sie nimmer die Kirche sehen, denn der Thurm davon deckte sie. Waren sie aber erst auf der Watt und lenkten nach Norden, so sahen sie die mit Kupfer gedeckte Seite der Kirche und nannten dann die Stelle, wo sie sich befanden, Koopersand, steuerten sie aber ein wenig südlich, so bekamen sie die mit Schiefer gedeckte Seite der Kirche in Sicht und daran erkannten sie, daß sie auf dem Logsand waren. Das war aber alles sehr klug ausgedacht; denn wenn sie nun bei der Rückkehr vom Meere mit Beute beladen einlaufen wollten und dann nur auf die einmal gemerkten Zeichen achteten, so konnten sie die rechte Einfahrt niemals verfehlen.

In Bezug auf diejenige letzte Unternehmung, welche Störtebeker in die Hände seiner Feinde lieferte, erzählt man aber Folgendes. Störtebeker war[992] nach Spanien gesegelt, allein da seine Beute hier nicht besonders groß gewesen war, so zog er es vor nach der Elbmündung zurück zu fahren und lauerte mit den übrigen Vitalienbrüdern bei Helgoland auf die Hamburger Englandsfahrer. Diese hatten aber hierüber Nachricht bekommen und stachen in Begleitung von Kriegsschiffen in die See. Dies hatte indeß Störtebeker nicht erwartet, sondern ist ruhig bei der Insel Neuwerk vor Anker gegangen. Hier hat sich nun ein von den Hamburgern abgeschicktes Everschiff hinter das Admiralschiff, welches die Benennung der rothe Teufel führte, geschlichen und demselben die Röhre, in welcher sich das Steuerruder dreht, durch geschmolzenes Blei festgelöthet, worauf die Hamburger mit ihrer Flotte herangesegelt sind. Wie nun der Störtebeker es an der Zeit hielt, ihnen aus dem Wege zu gehen, konnte er sein Schiff nicht herum drehen. Er merkte zwar bald, wo es steckte und ließ eilig einen Topf voll siebendes Oel, um damit das Blei wieder zu schmelzen, bringen. Doch die Hamburger sind auch nicht müssig gewesen während der Zeit, sie begannen am andern Morgen den Kampf, der drei Tage gedauert haben soll; jedenfalls erst nach langer verzweifelter Gegenwehr Störtebekers und seiner Genossen, die ihr Leben theuer verkauften, da sie das ihnen bevorstehende Loos wohl kannten, neigte sich der vollständige Sieg auf die Seite der Hamburger.

Die bunte Kuh unter Simon von Utrecht verrichtete Wunder der Tapferkeit, sie rannte gegen das erste Piratenschiff so kräftig an, daß dessen Vorderkastell zerborst. Das Nähere von Simons und der übrigen Hamburger Thaten ist uns nicht aufgezeichnet, nur der glorreiche Erfolg des Seetreffens. Ein Theil der Feinde entfloh bei Zeiten; viele der Piraten waren erschlagen oder ins Meer geworfen worden, ihre Schiffe mit ihren reichen Ladungen an Tuch, Wachs, Baumwolle etc. erbeutet, und als höchster Siegespreis dürfte die Gefangennehmung des unverwundbaren Störtebeker gelten, der mit einem Unterbefehlshaber Wichmann und 70 Gemeinen in die Hände der Hamburger fiel.

In Hamburg machte man kraft des vom Kaiser verliehenen Blutbannes über Seeräuber kurzen Prozeß mit den Gefangenen. Störtebeker saß in einem Keller des Rathhauses, der, so lange derselbe gestanden hat, Störtebekers Loch genannt worden ist. Die Sage erzählt, als man ihm sein Todesurtheil verkündet, habe er nicht gern daran gemocht, sondern er habe für sein Leben und seine Freiheit dem Rath eine goldene Kette, so lang, daß man den ganzen Dom, ja die Stadt damit umschließen könne, angeboten; die wolle er aus seinen vergrabenen Schätzen herbeischaffen. Der Rath aber hat dieses Anerbieten mit Entrüstung zurückgewiesen.

Schon am folgenden Tage fand die Hinrichtung auf dem Grasbrook statt. Das Volkslied über Störtebeker sagt, daß diese 72 wilden Gesellen, die ihrer Bitte gemäß im besten Gewande so stattlich und mannhaft hinter Trommlern und Pfeifern in den Tod geschritten seien, von den Weibern und Jungfrauen Hamburgs sehr beklagt worden wären. Der Scharfrichter Rosenfeld enthauptete sie und steckte ihre Köpfe auf Pfähle hart am Elbstrande. Nach einer andern Volkssage hätte Störtebeker, der es schwer bedauert, daß alle seine Kameraden seinetwegen ihr Haupt auf den Block legen sollten, gebeten: »Wenn Ihr mir den Kopf abgeschlagen habt, so laßt mich gehen. Diejenigen meiner Kameraden, an denen ich ohne Kopf vorüber komme, mögen am Leben bleiben!«[993] Diese letzte Bitte soll ihm denn auch gewährt worden sein. Als ihm der Kopf abgehauen war, fängt er auch wirklich an zu gehen und kömmt noch an eilf seiner Gesellen vorüber. Da strauchelt er und fällt todt nieder, jenen eilfen aber soll Wort gehalten worden sein.

Der Sage nach durchsuchten die Hamburger Störtebekers Schiff besonders eifrig nach seinen ungeheuern Schätzen. Außer einigen Pokalen und anderm Geräthe fanden sie aber anfangs nichts, bis endlich ein Zimmermann, der mit der Axt zufällig gegen den Hauptmast schlug, eine Höhlung darin entdeckte, welche voll geschmolzenen Goldes war. Von diesem Schatze wurden die beraubten Hamburger Bürger entschädigt und die Kosten des Kriegszuges bezahlt, von dem Ueberrest aber, so heißt es, ließ der Rath eine schöne goldene Krone für den St. Nicolaithurm anfertigen. Als nun 1500 dieser Thurm abgebrochen wurde, da soll die Krone auf den St. Katharinenthurm gekommen sein, der allerdings um 1602 schon eine Krone getragen hat, aber keinenfalls die jetzige, welche erst 1656 vom Oberalten Hermann Rentzel geschenkt worden ist.

Aber noch war Gödeke Michels mit dem Reste der Vitalienbrüder zu vertilgen. Gleich nach Störtebekers Hinrichtung liefen die Hamburger wieder in die Nordsee, um ihr Werk zu vollenden. Wiederum war es Simon von Utrecht auf seiner bunten Kuh, welchem nach den alten Berichten der Preis auch dieses Seezuges gebührt, der mit völliger Niederlage der Piraten endigte. Unter den 80 nach Hamburg gebrachten Gefangenen war Gödeke Michels mit seinem Unterhauptmann Wigbold, einem frühern Magister der Weltweisheit, der seinen Stand auf dem Katheder zu Rostock mit dem Schiffskastell vertauscht hatte. Auch diese 80 Seeräuber wurden ebenso wie ihre frühern Spießgesellen auf dem Grasbrook enthauptet. Als nun aber der ehrsame Rath der Stadt Hamburg, welcher der Hinrichtung beigewohnt hatte, die schwere Arbeit des Scharfrichters Rosenfeld wahrgenommen hatte, der bis an die Knöchel im Blute stand, fragte er ihn nach Vollendung seiner Aufgabe voll Theilnahme, »ob er sehr ermüdet sei?« Darauf soll Rosenfeld gar grimmig gehohnlacht und trotzig erwiedert haben, »es sei ihm noch nie wohler gewesen und habe er noch Kraft genug um den ganzen Rath ebenfalls zu köpfen!« welcher höchst frechen Antwort wegen ein hochedler Rath sich sehr entsetzte und den unverschämten Kerl sofort abthun ließ.

Von Störtebeker aber giebt es noch vielerlei Reminiscenzen. Sein Hemd und seine Pantoffeln sind zu Emden bis auf den heutigen Tag aufbewahrt worden und werden dort gezeigt. Zu Marienhaven aber spukt es noch jetzt zur Nachtzeit seit jener Zeit. Wenn nämlich die Thurmuhr die Mitternachtsstunde verkündet, hört man in den untern Räumen des dasigen Kirchthurms ein gewaltiges Poltern und lautes Stöhnen; zuweilen sieht man dort auch eine männliche Gestalt wandeln, welche ihren blutigen Kopf unter dem Arme trägt. Das ist ein Räuber aus der Schaar Störtebekers, der hingerissen von der Schönheit einer Edeljungfrau aus der Umgegend daselbst um dieselbe freite, da sie aber seinen Antrag ablehnte, weil sie bereits einem jungen Ritter verlobt war, mit seinen Helfershelfern sie raubte, entführte und in den Thurm zu Marienhaven brachte. Aber die Unglückliche zog den Tod der Schande vor und stürzte sich aus dem Fenster des Gemaches in die sie verschlingende Fluth. Der Räuber ward später enthauptet,[994] allein das Grab konnte ihn nicht behalten, sondern er muß wandeln bis zum jüngsten Tage.

In Hamburg giebt es ebenfalls noch verschiedene von Störtebeker aufbewahrte Merkwürdigkeiten. So soll da eine kleine Flöte oder Pfeife, mit der er auf dem Schiffe im Sturm oder Kampf seine Signale gab, nebst der dazu gehörigen silbernen Halskette in der Kämmerei gewesen sein. Eine 19 Fuß lange eiserne Kanone, eine sogenannte Feldschlange, sowie Störtebekers Harnisch hat man daselbst in dem vormaligen Zeughause aufbewahrt. Das Richtschwert Meister Rosenfelds kann noch jetzt im Arsenal des Bürgermilitärs gesehen werden. Eine kleine Holzfigur, einen Neger vorstellend, zeigte man als »Störtebekers Pagen« in der Schiffer-Gesellschaft, sie ist aber beim Brande von 1842 abhanden gekommen. Als größte Merkwürdigkeit Hamburgs aber und als zweites Wahrzeichen der Stadt (das erste und älteste war der Esel mit dem Dudelsack im Dom) galt sonst der sogenannte Störtebeker, ein silberner Becher, aus dem er getrunken haben soll. Auf diesem Becher, der etwa 11/2 Elle hoch ist und vier Bouteillen faßt, ist eine Seeschlacht dargestellt, die mit dem andern Bildwerk darauf Störtebekers Leben andeuten soll. Er ist aber, wie schon die darauf eingegrabenen schlechten hochdeutschen Verse lehren, später angefertigt und sicher nicht von ihm gebraucht gewesen. Er befand sich früher in der Schiffer-Gesellschaft, und wer sonst nach Hamburg kam, pflegte dorthin zu gehen, einen Trunk daraus zu thun und seinen Namen in ein dabei liegendes Buch einzutragen. Jetzt befindet er sich im Schiffer-Armenhause.

Daß Störtebekers Besiegung für ein höchst denkwürdiges Ereigniß angesehen ward, beweist der Umstand, daß man darauf eine Medaille mit seinem Bildnisse und passender Inschrift schlug. Als sein Portrait hat man Jahrhunderte lang einen oft vervielfältigten alten Kupferstich, welcher einen grimmig ausschauenden Mann darstellt, angesehen, allein neuere Forschungen haben bewiesen, daß derselbe gänzlich unächt ist. Das alte »Störtebeker-Lied« ist dagegen noch vor 150 Jahren vielfach im Volke gesungen worden, sein Name aber heute noch an der Küste von Ostfriesland populär.

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Deshalb trug auch der Becher die plattdeutsche Inschrift: »Ich Jonker Sissinga van Groninga | Dronk dees Hensa in een Flensa | Door meen Kraga in meen Maga.«

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 990-995.
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