964. Der Schatz in der Seeseburg.

[810] (S. Lyncker S. 97.)


Die Hauna theilte sich früher da, wo sie zwischen den Dörfern Rotenkirchen und Rhina eine Krümmung macht, in zwei Arme, welche sich nach kurzem Laufe wieder vereinigten. Auf der dadurch gebildeten Insel soll nun früher eine Burg gestanden haben, die Seeseburg (oder Seißeburg), von der freilich gegenwärtig nichts mehr übrig ist, indeß erzählt man sich in der Umgegend verschiedene Sagen von derselben. Namentlich berichtet man, daß an jener Stelle ein großer Schatz versteckt liege, denn der letzte Besitzer derselben, ein geiziger Raubritter, habe kurz vor seinem Tode Alles was er an Kostbarkeiten und Geld besaß, zusammengerafft und es in einem großen eisernen Kessel dort vergraben, dabei habe ihm der Teufel, mit dem er sich stets gut gestanden, geholfen und ihm zuletzt den Hals umgedreht. Nun haben verschiedene Male einzelne Personen den Versuch gemacht, diesen Schatz zu heben, allein, wie es scheint, ohne Erfolg. Endlich aber hat ein junger Edelmann aus der Umgegend, der das Seinige durchgebracht und nichts zu verlieren hatte, sich aber sonst auch vor dem Teufel nicht fürchtete, sich mit einem Schmied aus Rhina, einem starken muthigen Manne geeinigt, sie wollten zusammen den Schatz zu heben versuchen und das Geld mit einander theilen. Sie gingen also, begleitet von einigen Arbeitern, denen sie auch ihren Theil versprachen, am hellen lichten Tage hin nach dem Platze, wo die Seeseburg gestanden hatte, und fingen an zu suchen. Der Ort war mit Gestrüpp bewachsen,[810] dies räumten sie hinweg und pochten nun auf die Erde, da kamen sie an eine Stelle, wo ihnen der Boden hohl zu klingen schien, sie schlugen ihre Hacken ein und siehe, sie stießen auf etwas Hartes. Sie gruben immer weiter und bald zeigten sich ihnen die obern Ränder eines eisernen Kessels. Da war großer Jubel und sie arbeiteten natürlich mit verdoppeltem Eifer um den Kessel vollends auszugraben. Auf einmal sahen sie, wie auf einem der dort herumliegenden Steine eine nebelhafte große Mannsgestalt saß und ihnen zuzusehen schien. Da ward es ihnen unheimlich zu Muthe, denn sie wußten nicht, wo der Mann auf einmal herkam und sie fingen an mit dem Graben zu zögern. Der Schmied aber ließ sich nicht stören, sondern sprach: »Freundchen, was bringst Du Neues?« Der antwortete auf der Stelle: »Nun einer von Euch wird bald hängen!« Der Schmied aber frug weiter: »Wer von uns soll dies sein?« – »Der da drüben in der rothen Weste!« war die schnelle Antwort. »Ei Du verfluchter Hundsfott!« rief da der Edelmann, denn dieser war gemeint. Aber kaum waren diese Worte heraus, da verschwand die Gestalt, der Kessel aber ward den Gräbern immer schwerer, es kam ihnen vor, als halte ihn Jemand in der Grube zurück und als bohre er sich immer tiefer wieder hinein in die Erde. Sie zogen und zogen, allein je mehr sie zerrten, desto kräftiger zogen ihn die Unterirdischen wieder zurück und er rutschte vor ihren Augen immer tiefer in das ausgegrabene Loch zurück. Da dachte der Schmied: »ich will doch sehen, ob ich von dem Kessel nichts losbekomme!« er nahm also den schweren Schmiedehammer und führte einen so kräftigen Schlag auf einen der Henkel des Kessels, daß dieser absprang und in seiner Hand blieb, der übrige Kessel versank aber vor Aller Augen und von selbst fiel die ausgegrabene Erde ihm nach, so daß sehr bald das Loch wieder ausgefüllt war und man von der Grube nichts mehr sah. Da liefen sie alle, wie vom Teufel gejagt, nach dem Dorfe zurück, nur der Schmied vergaß nicht seinen Henkel, der eben so groß als schwer war, mitzunehmen, und als er nach Hause gekommen war, legte er ihn ins Feuer, um ihm eine andere Form zu geben, damit er ein Andenken von seiner Schatzgräberei hätte, allein das Metall war so hart, daß nichts damit zu machen war. Aergerlich über seine vergebliche Arbeit, warf er ihn hin und legte sich schlafen, als er aber am andern Morgen aufweckte und nach dem Henkel sah, fand er, daß derselbe glänzte, es war eitel Gold. Während er nun durch diesen Henkel sein Glück gemacht hatte, schien die Rede des Gespenstes in Erfüllung gegangen zu sein, denn Niemand hat den Edelmann wiedergesehen, der den Anstifter der ganzen Schatzgräbern gemacht hatte.146

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Ganz dieselbe Sage erzählt Lyncker S. 100 auch von einem Schatz bei Breitenbach am Langenberge.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 810-811.
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