965. Der Sachsenbrunnen.

[811] (S.d. Frankenberger Chronik bei Kuchenbecker, Coll. Hass. T.V.p. 152.)


Als Karl der Große dem Herzog Ludwig und den Christen zu Hilfe gegen die Sachsen zog, hatten sich diese bei Frankenberg gelagert und ein Theil von ihnen war über die Edder gegangen und hatte sich zu Geismar gesetzt, um die Christen anzugreifen. Allein als sie erfuhren, daß von der einen Seite Kaiser Karl, von der andern aber Herzog Ludwig gegen sie zogen,[811] da bekamen sie Angst und versenkten all ihr Hab' und Gut in einen Brunnen, wo sie es in jedem Falle wiederfinden könnten, und dieser Brunnen heißt daher der Sachsenbrunnen und die Stelle, wo der König lag, der Königsgraben. Bald darauf aber stießen sie mit den Christen zusammen auf einem Felde zwischen Frankenberg und Frankenau, allein sie zogen den Kürzern und mußten flüchten. Da sprach Karl: »Diese Feldmark soll gefreit und zentfrei sein für ewige Zeiten!« und dieselbe Stelle wird noch das alte Feld genannt.

Nach einer andern Sage147 hätten aber die Bauern aus einem Dorfe bei Frankenberg etwas Aehnliches gethan. Es war Krieg im Lande und die Feinde in der Nähe, so daß an jener Stelle ein Kampf bevorstand. Nun war gerade im Dorfe eine Leiche und das Begräbniß sollte stattfinden, da kamen die Dörfler auf den Gedanken, alles was sie an Geld und Geldeswerth hatten, zusammenzuholen und in den Sarg zu thun, den Todten aber ohne Sarg einzuscharren. Dies thaten sie auch, der Pfarrer stellte sich an die Spitze der Prozession und so zogen sie ungefährdet durch die Feinde. Als sie auf dem Kirchhof angelangt waren, versenkten sie den Sarg in das schon gegrabene Grab und gingen davon. Zwar ward ihr Dorf zerstört, allein als wieder Friede war, da gingen sie hin auf den Kirchhof und gruben den Sarg wieder aus und hatten nun wieder etwas, wovon sie leben und ihre Häuser aufbauen konnten. Indessen sagt man, es sei ihnen von Gott wegen dieser Entheiligung des Grabes zur Strafe aufgelegt worden, des Nachts sämmtlich, wie viele ihrer au diesem Leichenzug Theil genommen hatten, in alle Ewigkeit dieselbe Prozession durchzumachen.

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S. Lyncker a.a.O. S. 186.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 811-812.
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