967. Friedrich der Rothbart.

[813] (S.v. Herrlein a.a.O. S. 98.)


Viele Orte im Hessenlande erinnern noch an Kaiser Friedrich Barbarossa, den größten Kaiser, den Deutschland je besessen hat. Er jagte namentlich gern in dem Theile des Spessart, der nicht weit von seinem Lieblingsschlosse Gelnhausen liegt. Auf der Haisbachhöhe zwischen Cassel und Höchst stand im Walde eine Eiche ganz frei, von der man die Aussicht dorthin hatte. Dort ruhte der Kaiser oft bei seinen Jagdzügen und träumte noch einmal den Traum seiner Jugend. Diese Eiche stand noch viele Jahrhunderte nach seinem Tode und ward deshalb die Kaisereiche genannt, und als sie aus Alter verfiel, ward an ihre Stelle eine andere gepflanzt, welche ihr Andenken bewahrt hat bis auf den heutigen Tag und jetzt noch die Kaisereiche heißt. Auf einer Jagd im Büdinger Reichsforste gerieth der Kaiser in Lebensgefahr, ein Edler aus dem Geschlechte der Forstmeister von Gelnhausen rettete ihn und zur Belohnung schenkte ihm der Kaiser so viel von dem Reichsforste zu eigen, als er in einem Tage umreiten konnte. Hier bauten die Forstmeister nun das Jagdschloß Kinzighausen, so genannt, weil es an der Kinzig liegt. Diese ist ein ziemlich wildes Wasser und überschwemmt namentlich im Frühling die ganze umliegende Gegend. Einst stieg das Wasser bis an das Dach des nicht allzuhohen Schlosses und Jedermann dachte, die Fluth werde es mit fortnehmen. Als aber das Wasser abgeflossen war, da stand auch[813] das Schlößchen noch und weil die Leute gesagt hatten: »das ist doch ein blaues Wunder, daß das Schlößchen stehen geblieben ist«, wird dasselbe noch heute das blaue Wunder genannt.

Einst zog der Kaiser mit einem schwachen Gefolge die jetzige Birkenhainer Straße um nach Mainz zu gelangen. Da begab es sich, daß unfern des Baches, der nun Rodenbach heißt, eine Schaar seiner Feinde – denn an diesen fehlte es ihm nicht, weil er unerbittlich streng gegen die Pfaffen und Raubritter war – ihm aufgelauert hatte und über ihn und seine Begleiter herfiel. So tapfer er sich nun auch mit seiner Umgebung wehrte, so hätten sie doch der Uebermacht erliegen müssen, wären nicht die Bewohner der hohen Mark, wie damals die Umgend von Alzenau hieß, zu seiner Hilfe herbeigeeilt. So wurden seine Feinde in die Flucht getrieben und so viele von ihnen erschlagen, daß ihr Blut das Wasser des Baches roth färbte, wovon dieser den Namen Rothenbach, woraus später Rodenbach geworden ist, bekam. Der Kaiser verlieh nun aus Dankbarkeit seinen Befreiern aus schwerer Gefahr, den Bewohnern der hohen Mark, zum Lohne die ausgedehntesten Freiheiten. Insbesondere hatten sie keine andern Abgaben mehr zu entrichten, als jährlich einen Wagen voll Heu, auf welchem ein lebendiger Hahn sitzen mußte, den sie nach Gelnhausen abzuliefern hatten. Deshalb wurde die hohe Mark von da an das Freigericht genannt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 813-814.
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